Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.06.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-06-15
- Erscheinungsdatum
- 15.06.1915
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19150615
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191506150
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19150615
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1915
- Monat1915-06
- Tag1915-06-15
- Monat1915-06
- Jahr1915
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. Zeitgedanken. i. Der deutsche Buchhandel beherrscht die Welt. Das ist keine Überhebung, das ist eine Tatsache. Sie wird nicht zum wenigsten durch die hilflosen Versuche der Franzosen und Engländer, seine Macht zu brechen, bewiesen — Versuche, die ergebnislos bleiben, solange dem deutschen Geist der Wissenschaft und Arbeit kein eben bürtiger Gegner im Ausland ersteht. Vorläufig kommt die Gegnerschaft über leeres Wortgedresche nicht hinaus. Daß es aber möglich ist. daß bodenlose Ozeane von geifernden Schmä hungen ihre stinkigen Sturzwellen plötzlich und unaufhaltsam gegen den ragenden Fels unserer Kultur schleudern, zwingt uns zum Nachdenken. Gewiß, ein keifendes Marktweib oder ein be soffener Bettler erreicht durch noch so sorgfältig erfundene Un flätigkeiten nichts anderes als eine durch nichts zu beschönigende Charakteristik seiner eigenen Person. Der Angeflegelte jedoch wird überrascht fragen: Warum, weshalb das? und wird sich danach richten. Der deutsche Buchhandel, mit einer der wichtigsten Faktoren deutscher Kulturmacht, ist zum Nachdenken gezwungen. Er wird, will er seiner beruflichen Sendung treu bleiben, das Gestern gegen das Heute und gegen das Morgen abwägen. Er wird prüfen, ob das. was gestern ein Vorzug war, nicht morgen ein Nachteil ist; ob er in einer Zeit, da alles sichtbare Entwicklung ist, unveränderlich an mehr oder weniger einträglichen Gewohn heiten entgegen der Entwicklung hängen bleiben soll; er wird prü fen, ob dieser Krieg sein Gefühls- und Verstandesleben und somit den Beruf, ob es nun Verlag oder Sortiment sei, von innen her aus in Bahnen drängt, die das deutsche Volk aus tiefster Über zeugung betritt und schreitet, — ob er wie ein Werdender um- lernt oder wie ein Fertiger um st eckt. Geschäftskluges Um stecken, hüten wir uns davor! Nein, wer da glaubt, daß uns zur Stunde Herr d'Annunzio — es soll d er Sänger mit dem König gehen! — oder Herr Verharren oder Herr Ramsay oder sonst einer etwas zu sagen hat, was zu wissen uns not und wert ist, bringe sie auf den deutschen Büchermarkt. Wer noch Vorräte von Wer ken Roosevelts, Maeterlincks und anderer Führer der Menschheit auf Lager hat, stelle sie nur ruhig ins Schaufenster. Lechzte die deutsche Leserwelt gestern nach diesen Dingen, warum nicht heute? Sind die Arbeiten der Genannten über Nacht anders geworden, besser oder schlechter? Oder sind die Buchhändler oder gar das Publikum anders geworden, dümmer oder gescheiter? Wir lasen mit Andacht fremdländischer Schriftsteller Werke, die man uns als höchste Kulturblüten, als wahrheitsgetreueste bodenständige Auslandsdichtungen und als herrlichste Ergänzun gen unseres Bildungsschatzes anpries und aufschwatzte. Da kommt der Krieg und lehrt uns Wirklichkeit: russische Scheußlich keiten, belgische Greuel, französische Schimpfereien, englische noch ärgere Beschimpfungen und Verlogenheiten, japanischen Volks dank, italienische Banditerei. Nein, man verändert sich nicht im Handumdrehen; man ist, was man war, Heuchler oder Michel, Er presser oder Ehrenmann, Bestie oder Mensch. Wäre alles anders gekommen, — würden wir Deutschen dermaßen besinnungslos tollhäuslerisch sein? Niel — Wir ließen uns täuschen. Der halbe Erdkreis hat unser krankhaft gewordenes Vertrauen getäuscht. Das lehrt uns umlernen I Der deutsche Buchhandel, sei es in seiner Gesamtheit, sei es in Einzelerscheinungen, könnte vielleicht darauf Hinweisen, daß die Bücher der feindlichen Autoren aus den Auslagen verschwun den seien, daß diese jetzt, unter Vorantritt des Verlages, »ent- internalionalisierte Literatur« anböten. Täuschen wir uns nicht, man macht aus der Not eine Tugend. Dabei wäre es inter essant, zuverlässige Daten darüber zu erhalten, ob und was zur Stunde von fremdländischen Romanen verlangt wird. Auskünfte der Leihbibliotheken, der Sortiment«, vielleicht auch der Barsorti mente und Ramschgeschäfte könnten hier wertvolle Auskunft geben. Das gewonnene statistische Material würde gewisse Folgerungen jedenfalls erlauben. Der deutsche Buchhandel könnte ferner mit besonderem Nach druck geltend machen, daß der von ihm bisher befolgte Weg ihn zu seiner heutigen geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Höhe emporgeführt habe, daß dieser Weg somit als der richtige einfach weiter beschritten werden müsse. Sicher hat solche Anschauung etwas für sich. Betrachtet man aber die Verhältnisse, die oben nur andeutungsweise geschildert sind, so wird jeder Buchhändler zu dem Schluß gelangen, daß, weil die Verhältnisse sich völlig verschoben haben und nach einem für uns erfolgreichen Ausgang sich noch mehr verschieben werden, der Weg des deutschen Buch handels dadurch in «ine andere Richtung gerät. Seine Uni versalität der Darbietungen hat wohlerwogene Begrenzungen zu gewärtigen; er kann aus sachlicher Notwendigkeit fürs erste nicht auslandfreundlich sein wie früher. Daraus ergeben sich bestimmte Pflichten. Im Augenblick wird niemand leugnen, daß die aus dem gewaltigen Erleben der Stunde herborgegangene Einord nung in das einheitlich denkende, empfindende und handelnde Ganze Sonderwünschen und Sonderexistenzen weder Raum noch Berechtigung zubilligt. Das deutsche Volk kämpft um das Sein und um die Zukunft. Und nichts liegt näher, als daß der deutsche Buchhandel, gerade er, von keiner Auslandssucht angekränkelter Träger dieses lauteren deutschen Kampfgedankens ist und bleibt. Hierin zeigt sich wahrlich nicht ein für Erwerbszwecke auf Fla schen gezogener Hurrapatriotismus, nicht ein frisch aufgebügelter Gesinnungswechsel, der von einer Hochkonjunktur etwaiger lite rarischer Äußerungen herausgelockt ist; hierin offenbart sich die ans furchtbarster Erfahrung unverlierbar gewordene Erkenntnis, daß der deutsche Buchhandel nur Vorkämpfer, Verbreiter und Hüter unserer Gedankenwelt sein darf. Und die ist auf Jahr zehnte hinaus frei von zuckerwässerigem Jnternationalttätsdusel und literaturverbrämter Mitleidsmoral. Zwölf gegen Einen — und dieser Eine, mag in ihm auch die Idee der Feindesliebe oder der Glaube an Menschheitsgesittung leben! — und dieser Eine sollte von Brüderlichkeit reden?! Damit unsere Nachkommen ein ähnliches Schicksal trifft?! Die organische Entwicklung, denn die allein hat Sinn und Bestand, bringt es mit sich, daß der natio nale Gedanke herrscht. Drang bisher die Literatur in unser Le ben, so muß jetzt das Leben in unsere Literatur fluten. II. Der deutsche Buchhandel darf weder mit der Geste unnah barer Erhabenheit noch im Trott gedankenträger Gleichgültigkeit an den Ereignissen borübergehen, die ein Volk aufwühlen, das heute mehr denn je sich als ein, fast möchte ich sagen als das Kulturvolk bewährt. Sind wir darin einig, daß es Grenzen der 881
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder