Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.06.1915
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140, 21. Juni 1915. Redaktioneller Teil. BSrsmN»,, f. d. DNchn. «uchh»nd-I. Wie in jeder Stadt, Gegenden gekannt, die für bestimmte Tage den Namen Korso rechtfertigten, jedoch war eine so ausgeprägte Er scheinung, wie sie sich mit einem Male täglich in diesen Stratzen entwickelte, bis dahin unbekannt. Die Kaufleute hielten streng an dem Begriff »Geschäftsgegend» und verstanden darunter Stra ßen pulsierenden Verkehrs; »draußen am Kurfürslendamm«, hieß es, herrscht die Unnahbarkeit, die Konvention; man war einfach davon überzeugt, daß die Aristokratie des Geldes für Einkäufe keinen Schritt aus dem Hause tut, mithin also ein offenes Ge schäft mit Auslage in dieser Gegend nur geringen Nutzen ab- wcrfe. In diese Diskussion trat der Warenhausmagnat A. Jan- dorf als moderner Rattenfänger. Er gründete vor kopfschüt telnden Leuten inmitten dieser Gegend einen riesigen Prachtbau mit nie gesehenen Bequemlichkeiten, den er in halbem Befehlston »Kaufhaus des Westens« nannte. Und siehe da: aus den vor nehmen Privalhäusern des weiten Westens kribbelten die Geld ratten wid bevölkerten Kurfürstcndamm und Tauentzienstraße. Der Bann war gelöst, nun galt es zu Hallen. Denn es war sicher, daß beim ersten Erfolg die Neugier mithalf. Man mußte dem verwöhnten Publikum Bequemlichkeiten schaffen, den Reiz des Neuen immer wieder geben. Die ersten Spezialgeschäfte der Friedrichstadt schickten Filialen als Vorposten hinaus, um oft, nicht viel später, in voller Größe selbst zu erscheinen. Neue Ge schäfte mit ungekanntem Luxus wurden eröffnet, Kaffeehäuser, Bier- und Weinpaläste erhoben sich in kunstvollen Bauten mit Jnnenentwllrfen bekannter Architekten — und das Publikum blieb nicht nur, es verhundertfachte sich; es wurde bald unvor- nchm, nicht »am Kurfürstcndamm« zu kaufen. Die Physiognomie der Straße wurde das flanierende Publikum, mit dem wichtigen Beisatz, daß es »immer etwas zu kaufen« hat. Diesem ausgeprägten Kurfürstendamm-Charakter mußte eine Buchhandlung, die hier die Existenzmöglichkeit haben wollte, ent sprechen. Sie mußte auf den »Laden« im herkömmlichen Sinne des Wortes verzichten, sie mußte, ohne aufdringlich zu wirken, das Wesentliche eines Buch ladens mit der Bequemlichkeit har monisch Zusammenwirken lassen und wie äußerlich, so auch inner lich dem ausgesuchten Geschmack eines intellektuellen Publikums Rechnung tragen. Gerade dieser Geschmack ist aber hier im Westen durch die mannigfachen Literatenkliquen, durch die literarischen Salons und das Parvenütum so wechselreich und aus den klein sten Anlässen so erheblichen Schwankungen unterworfen, daß hin sichtlich der Literaturkunde, der Menschenkenntnis und Voraus- sicht ganz besondere Anforderungen an den Buchhändler gestellt werden. Hier gilt es mehr als sonstwo, über die Bücher des Ta ges Bescheid zu wissen, um im nächsten Augenblick vielleicht schon über die seltenste klassische Literatur Auskunft zu geben, ganz zu schweigen von der schwierigen Behandlung eines verwöhnten Pu blikums, das Rat hören will, um ihn doch nicht zu befolgen, das nervös von Tisch zu Tisch läuft und das Falsche erwischt, . . . um es andern Tags ebenso ratlos umzutauschen. Im Frühjahr 1912 gründete der Verleger Axel Juncker als erster hier ein Sortimentsgeschäft. Nicht ganz im Korsobereiche, unmittelbar neben der Sezession, steht wie ein delikates Schmuck kästchen »Der Buchladen Kurfürstendamm« in der grauen Fassade eines riesigen Mietshauses. Etwas ungemein Anheimelndes liegt schon in der Außenarchitektur dieser von Kurt Szafranski entworfenen Bücherstube; der Biedermeierzu schnitt mit dem prächtigen deutschen Firmenschild, die nur halbe Ausnutzung des üblichen Schaufensterraumes und die Abblen dung des unteren Teiles durch rote Ziegel, die kleinen Scheiben mit den schneeweißen Holzsprossen, die flachen, achtgeteilten Schaukästen als Eckausnutzung, die pittoreske plastische Signet verwendung — alles das ist so traulich idyllisch, wie wenn es sagen wollte: Kommt, hier findet ihr Ruhe in der Brandung der Weltstadt! — Durch die tiefliegende Eingangstür setzt sich der Biedermeierstil nach innen hin fort: ein reizend ausgestatteter Raum mit gemütlichen Nischen und Bänkchen in der Behaglichkeit unse rer Altväter. »Dort«, sagt die Besuchsaufforderung, »liegen mo derne Zeitschriften und Bücher, zu denen sich der Leser Wohl hin setzt, um drin zu blättern, oder er nimmt sich eines aus den nie drigen, zugänglichen Schäften vor, stellt es wieder ein, sucht ein anderes und findet schließlich, was er sucht . . .« An der Gegenseite, wenige hundert Schritte ab, liegt das be kannte Antiquariat Martin Breslauer. Das Firmen schild nennt den »Buchhändler und Antiquar« und gibt so schon nach außen hin zu erkennen, daß cs sich hier nicht um eine Buch handlung oder um ein Antiquariat im Sinne des offenen Laden geschäftes handelt. In strenger Ruhe weisen die Schaufenster aus die Behaglichkeit des Innern, das in dunkelgebeizten Vitrinen die erlesensten Schätze birgt. Da liegt eine Papsturkunde aus dem Jahre 1190, daneben, von Alvine Frommann mit einem farben prächtigen Aquarell umrahmt, Goethes, auch für die jetzige Zeit so treffend passender Spruch: Narre, weuu es brennt, so lösche; hat's gebrannt, bau wieder auf. Weimar, 8. Ja». 1814. Goethe. Weiterhin locken Pergamentmanuskripte mit üppiger Handmale rei, vlämische, französische und italienische Handschriften mit kost barem Initial- und Miniaturenschmuck, Almanache, Kalender, Taschenbücher in den seltensten Ausgaben, Einblattdrucke, Mu- sterdrucke berühmter Druckstätten bis zu den Luxuswerken heuti ger Verleger, und im Rahmen der »Gewandung des Buches« kostbare Einbände aller Zeiten. Dem auf der Grundlage eines Entwurfes von Julius Klinger ausgestatteten Raume schließt sich eine der vollständigsten, im Privatbesitz befindlichen Bibliographi schen Bibliotheken an. Rund sünfzchntansend Bände stehen in den weiten Regalen und geben ein Bild von der Unerschöpflich- keit einer Wissenschaft über das Bücherwesen. Fast in unmittelbarer Nähe der Kaiser Wilhelm-Gedächtnis- kirche fand die Stuhrsche Buchhandlung G. m. b. H. ihr neues Heim. Es ist aus der Praxis geschaffen: die Entwürfe stammen aus der Hand des geschäftsleitenden Buchhändlers Wil helm Schultz. Unbeschadet der Behaglichkeit des Raumes ist es durch treffliche Gliederung gelungen, die Gesamteinrichtung durchweg in Weiß (mit cwas Schwarz ausgelegt) zu halten. Da durch wird die Lichtquelle des Schaufensters wesentlich verstärkt und ein überaus freundliches Bild geschaffen. Bücher sind der beste Schmuck einer Buchhandlung. Hier aber geht die ganze Einrichtung noch weiter; sie zielt darauf hin, diesen Schmuck für sich selbst praktisch zu verwenden und den Bücherreihen eine ge schlossene P l a k a t Wirkung zu geben. Die Weißen Regale an den beiden Längsseiten des Verkaufsraumes (das Bild gibt nur einen Teil der Repräsentationsseite wieder) lassen die Rückentitel nicht nur farbenprächtig zur Geltung kommen, sie geben den Bücherreihen gerade erst durch ihre hervorstechende Farbe das Bild der Einheitlichkeit. Dieselbe Wirkung des Plakatmätzigen geht auch auf das Schaufenster über, das eine vorbildliche Aus lage bietet. Ist cs schon an sich immer empfehlenswert, im Schau fenster die Plakatwirkung zu berücksichtigen, so wird das gerade- zu notwendig, wenn die Buchhandlung, wie hier, durch einen Vorgarten vom eigentlichen Verkehrswege getrennt wird und das Geschäft sich in der Außcnarchitektur durch nichts von hundert anderen unterscheidet. Eine solche Ausgestaltung wird durch ein breitlaufendcs Schaufenster zwar außerordentlich unterstützt, doch stecken die Schwierigkeiten der Dekoration gerade wieder in dieser Weitläufigkeit. Das (leider zu oft) angcwendetc Ver fahren der Parität zweier Seiten würde hier nicht nur ermüdend wirken, sondern auch der Verzicht auf die Heraushebung eines be sonderen Objekts sein. Zwar ist im Mittelstück eine bestimmte Symmetrie geboten, doch darf sich diese Symmetrie nicht nach rechts oder links bis zum äußersten Winkel fortsetzcn; hier muß die Verwandtschaftlichkeit der Farben eingreifen und das harmo nische Bild lebendig fortführen. Das liest sich einfach; es gehört aber in der Praxis ein feines Empfinden dazu, in der übersicht lichen Komposition eine fade, süßliche oder gar beißende Behand lung der Farbe zu vermeiden. Die Farbenfülle der heutigen Vec- legereinbände verleitet einerseits leicht zu einer unruhigen, schreienden Auslage, sie kommt aber andererseits, in harmonische Wege geleitet, prächtig der lebendigen Wirkung eines Schaufen sters zugute. Es ist jedoch bei alledem selbstverständlich, daß die Wirkung der Farbe nicht durch ein sinnloses Aneinanderreihen von Büchern erkauft wird, die nur ihrem äußeren Gewände nach 909
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