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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.09.1926
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1926-09-11
- Erscheinungsdatum
- 11.09.1926
- Sprache
- Deutsch
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Nur eine Tageszeitung mit der Tendenz einer Zeitschrift oder »nit einer ausgezeichneten redaktionellen Leitung dtirfte es wagen, dem Leser von anderem als von einer Widerspiegelung ungewöhnlicher Dinge, die von gewöhnlichen Menschen ausgeübt wurden, oder ge wöhnlicher Dinge, von ungewöhnlichen Menschen ausgeübt, zu berichten. Das Alltägliche, das Alltagsmeuschen vollführen, kann nun einmal nicht als Neuigkeit angesehen werden. Und gerade an dieser Stelle entsteht die Aufgabe der Buch- vcrlegcr. Es gibt etwa 90 Millionen Amerikaner, die nichts von Streiks wissen wollen; sie treten aber nicht so laut hervor wie die andern. Die Folge ist, das; eine kleine Minderheit die Hauptteile unserer Tageszeitungen mit Beschlag belegt. Die Arbeiterführer haben es nicht nötig, eigene Zeitungen zu gründen. Kraft dex durch sie geschaffenen Neuigkeiten haben sie einen großen Teil unserer sonst durchaus ehrenwerten Presse annektiert. Buchverleger haben sich immer die größte Mühe gegeben, Bücher zu verkaufen; trotzdem werden sie Ihnen fast ohne Ausnahme erzählen, daß sie in diesem Bemühen nicht sehr erfolgreich waren. Dabei haben sie zur Propagierung dieses oder jenes Buches 500 oder 5000 oder gar 15 000 Dollar bereitgestellt. Sie gehen bei einer Ankündigung ihrer Bücher in der Weise vor, daß sie sich in dem betreffenden Organ einen kleinen Raum mieten und hier vor allem den Namen des Autors, wenn er berühmt ist, oder den Namen des Buches, wenn das erstere nicht zutrifft, an- kündigen, sowie aus einer bereits erschienenen günstigen Besprechung einige Zeilen hinzufiigen und das Ganze dann eine Anzeige nennen. Was für einen Unterschied macht es auf Erden, ob der »Dkilackelpliia DeäZer« sagt, jemand vermöge »ein gutes Garn zu spiunen«, oder der »Roed68t6l- Demokrat« erklärt: »Kein feineres Stück Arbeit ist je aus der Feder Miß Killkenny's geflossen«? Würde Ihre Frau eine neue Suppenart kaufen, wenn sie von ihr nicht mehr als das Aussehen des Behälters, eine eingegangene Kritik über die Güte mit dem Zusatz: »Sehr schmackhaft, nicht wahr?« wüßte? Bestimmt nicht. Sie kauft die neue Suppe nur, weuu sie auf Grund der erlassenen Anzeige selber Appetit auf sie bekam und sich von der Suppe viel zur Bereicherung der Mahlzeiten verspricht. Der Gatte soll seine Lippen vor Erwartung anfeuchten, wenn er an einem frostigen Winterabend hereinstampft und eine leckere, dampfende Suppe auf dem Eßtisch findet. Wie haben die Verkäufer selbst- sptelender Klaviere und Grammophone ihre Erzeugnisse in so über raschend viele Haushaltungen hineinbringen können? Indem sie Ma hagonikästen mit den Aufschriften ihrer Erzeuger vertrieben? Nein, sondern indem sie Musik verkauften! In gleicher Weise müssen die Buchverleger hinter den Ladentisch treten und verkaufen. Sie müssen zunächst beim Publikum ein Be dürfnis erwecken und es dann befriedigen. Auf welche Weise? Im nachfolgenden seien einige uns gerade einfallende Ratschläge gegeben: Verkaufsverfahren, die bisher beim Absatz von Geschäftsbüchern angewandt wurden, sind eine glänzende Ausnahme; denn diese Bücher werden verkauft, indem man in dem voraussichtlichen Käufer die Überzeugung eriveckt, daß cs in sciuer Ausbildung oder in seiuer ge schäftlichen Ausrüstung eine Lücke gibt, die das betreffende Buch im stande ist auszufüllen. In nur einem oder zwei Fällen ist heutzutage Kultur in der gleichen, rationellen Weise verkauft worden wie Geschäftskenntnisse. Werden Sie jemals müde bei der Unterhaltung in Ihrem Freundes kreis? Worüber wird da gesprochen? Angenommen, Sie leben in einer von den Vorstädten. Nachdem Sie über Ihre Kinder und die neu hinzugezogenen Leute Ihrer Vorstadt gesprochen haben, nachdem Sic sich darüber unterrichteten, wieviel Geld Herr Soundso verdient hat, wie ein wichtiges Golfspiel ausgegangcn ist, was für ein neues Auto Sie sich kaufen könnten, wie die Eisenbahntarife und die Lebens haltungskosten steigen, welche neuen Theaterstücke aufgeführt würden, was es in der Welt Neues gibt, welche Skandalgeschichten mit Frauen zimmern passiert sind, wo es auf Abendgesellschaften besonders unter haltend war, welche Veränderungen der Fahrplan erhalten hat — was bleibt dann noch übrig? Das ist verschieden in den verschiedenen Ge meinden, aber deshalb wird es nicht mehr oder bedeutender. Gehen Sie die soziale Stufenleiter hinauf und hinunter, und Sie werden finden, daß nur die Menschen wechseln, aber Leute, die Wichtigeres denken oder reden als die geschilderte Sorte, werden Sie schwerlich finden. Angenommen, daß sich noch viel mehr Verleger dem Beispiel von einigen wenigen anschlössen, kulturelle Werte auf dem Wege des Ver- sandgcschäfts zu verkaufen, um auf diese Weise in der Lage zu sein, die Ergebnisse genau kontrollieren zu können. Angenommen, diese 1112 Instanzen verkauften Lesestoff als eine Macht im Leben eines Staates, als eine Macht in kultureller Beziehung und als Mittel zur Er weiterung der Kenntnisse und des Horizontes der Einwohner dieses Landes. Wie gut unterrichtet erscheinen heute die meisten Menschen, wenn sie mit einer pathetischen Handbewegung über die schwierigsten Probleme urteilen und sie mit der Miene des geistigen Urhebers ab tun! Angenommen, die Verleger griffen hier ein, indem sie ver suchten, eine Bresche in die äußerst bequeme Gewohnheit zu schlagen, daß immer andere für uns denken sollen; angenommen, es würde einmal modern werden, wirklich etwas zu wissen, anstatt nur zu raten, und wirklich etwas von wertvollen Dingen zu wessen, anstatt seine Kenntnisse in oberflächlichen, an sich bedeutungslosen Gegenständen zu erschöpfen; ist es möglich, daß das Volk, als Masse betrachtet, sich dann so leicht hin- und herschieben ließe, wie es leider heute noch der Fall ist? Oder, um nochmals auf diese Möglichkeit zurückzukommen: an genommen, die Verleger verkauften die Möglichkeit eines lustig bren nenden Feuers, eines bequemen Klubsessels, einer schmackhaften Pfeife, einer abgeblendetcn Lampe — und eine Novelle von Stevenson. An genommen, man brächte die Schriften von Dickens anläßlich besonderer Feiertage wieder heraus mit ihrer Fröhlichkeit und ihren packenden, anheimelnden Schilderungen englischer Postkutschen und »Inns«, und zwar an Stelle der letzthin erschienenen neuesten Bücher mit ihrem Appell an die Geschlechter. Warum find die Verleger immer der Meinung, daß neue Bücher, gleichgültig wie schlecht sie sind, dazu bestimmt fein müssen, früher erschienene, trotzdem diese ausgezeichnet waren, zu verdrängen? Wenn ein Buch gut und wahr und wertvoll ist, warum hört man, nachdem 5000 Exemplare abgesetzt wurden, mit seiner Propagierung auf, trotz dem man auf diese Weise vielleicht noch 50 000 Leser gewinnen könnte? Wenn Sie heutzutage in eine Buchhandlung gehen und das von Ihnen gewünschte Buch nennen, so erhalten Sie ivahrschcinlich einen Blick des Verständnisses von dem Verkäufer, denn die Buchhändler rangieren hoch in puncto Bildung und Intelligenz. Aber fast immer kommt der Verkäufer mit Ihrem Buch zurück und sagt: »Wünschen Sie sonst noch etwas?« Nach der praktischen Erfahrung liegt die Frage nahe: warum sollte der Käufer nicht auch noch Interesse für andere ähnliche Bücher haben? Gnte Bücher über lesenswerte und wertvolle Gegenstände werden ständig geschrieben; die Verleger erzählen uns aber, daß sie sich nicht verkaufen. Wie sollten sie das auch? Niemand hört ein Sterbens wörtchen von ihnen, bis ein Freund sie zufällig erwähnt oder bis man eine Buchbesprechung liest, die wirklich etwas zu sagen hat — solche sind aber nur selten, da in immer steigendem Maße die Wasch zettel der Verleger benutzt werden. Das Einkäufen eines Buches ist für die meisten Menschen eine gewisse Mühe und Anstrengung. Warum können die Buchhändler das nicht erleichtern? Warum bieten sich die Buchhändler den guten Kunden nicht an, ihnen monatlich ein gutes Buch zu übersenden? Gefällt einem das Buch nicht, so kann es ohne weiteres zurückgesandt werden. Die Buchhandlungen, die vor allem im Versandgeschäst arbeiten, haben im Lause der Zeit feststellen können, daß verhältnis mäßig wenige der zur Ansicht versandten Bücher zurttckgeschickt wurden. Die Empfänger behielten sie und bezahlten sie auch. Angenommen, die Verkäufer und Verkäuferinnen der Buchhand lungen — meistens hochintelligente und gebildete Menschen — studier ten die Art ihrer Kunden und klassifizierten jeden Heroinkommenden nach ihren so gebildeten Ansichten. Nachdem die Wünsche des Kunden befriedigt wurden, wäre zu erwägen, ob die Verkäufer nicht jene Ver fahren anwenden sollten, die ihre Kollegen in den besten Spezial geschäften anwendcn, die Imvelen, Pelze und andere Luxuswaren ver kaufen. Ein Manu geht z. B. in ein solches Geschäft mit der Absicht, seine Uhr zur Reparatur zu bringen oder an seinem Pelzmantel einen kleinen Schaden ausbessern zu lassen, und verläßt den Laden mit einem Brillantring für seine Frau oder einem Pelzkragen für seine Tochter. Der Unterschied besteht darin, daß Bücher im Sinne von Notwendig keiten verkauft werden. Das sind sie ohne Zweifel; doch sollte man sie wie Luxusware verkaufen, d. h. mit einer gewissen Überredung. In den Bücherregalen irgendeiner Stadt der Vereinigten Staaten sind genug gesunder Menschenverstand und genügend Material vor handen, um die Gefahr des Radikalismus ein für allemal zu bannen. Leider sind sic noch immer ein Geheimnis der Verleger geblieben. Seltsam genug muh es erscheinen, daß auch die Verleger von Zeit schriften und Tageszeitungen im großen ganzen genau so rückständig sind. Einige Ausnahmen gibt es; man kann sie aber an den Fingern beider Hände zählen, ohne die Daumen dabei zu berücksichtigen. Die
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