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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.11.1915
- Strukturtyp
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- 1915-11-29
- Erscheinungsdatum
- 29.11.1915
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- Deutsch
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Nr. 277. Leipzig, Montag den 29, November 1915. 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Höchstpreise. Eine Weihnachs-Utopie, Recht mühselig war'L wieder gewesen, das liebe Weihuachts- geschäst, und recht kümmerlich, und seufzend schloß am Heiligen Abend der alte Petersen seine Buchhandlung, Du lieber Gott, Weihnachten und Geschäft! Warum war man dazu verdammt, das schöne Fest, den feierlichen Abschnitt des alten Jahres, mit der Pflicht, Geld zu verdienen, zu verquicken! Wenn man doch das den Warenhäusern überlassen könnte, die ja ohnedies so tun, als ob alle Tage, die irgend eine geheiligte Überlieferung aus der endlosen Folge der übrigen abhebt, nur dazu geschaffen wären, um alle Zeitungen mit großen Inseraten auszupolslern und darin das Rattenfängerlied von der billigen Gelegenheit zu pfeifen. Die hatten hinter ihren großen Spiegelscheiben gut Pfeifen, wenn sie ihren billigen Unterhosentag mit Kammermusik oder ir gend eine andere Geschmacklosigkeit in die Welt geschrieen hatten, das wurde gebraucht. Aber wer braucht denn Bücher! Der alte Petersen ging bekümmert nach Hause, feierte seinen Heiligen Abend und legte sich schlafen, um der trostlosen Wirk lichkeit zu entfliehen, der Wirklichkeit, die mit ihrem Kriegsgeschrei und ihren Kriegsnöten bleiern auf ihm lag, die mit ihren endlosen Debatten über den Nahrungs mittelwucher und über seine Bekänrpfung durch Höchstpreise Tag für Tag dasselbe brachte, Höchstpreise, Ach du lieber Himmel, für Bücher bedarf es keiner Höchstpreise, fuhr es Petersen durch den müden Kopf; verdrossen nickte er ein, und was ihm die häß liche Wirklichkeit versagte, schenkte ihm ein schöner Traum: Höchst preise für Bücher! Der Bücherwucher müsse aufhören, hatten schon lange die Zeitungen geschrieben, und stürmisch wurde es schon lange in öffentlichen Versammlungen gefordert. Überall wurde einstimmig die Resolution angenommen und der Regierung telegraphisch übermittelt, wenn die Buchhändler fortführen, dem Volke die geistige Nahrung vorzuenthalten, wären Tumulte, vielleicht sogar die Revolution unvermeidlich. Aber natürlich, die Regierung hatte wieder einmal kein Ohr für das Elend, und schamlos trieben die Herren Buchhändler die Preise in die Höhe, Das Reclambändchen kostete jetzt schon 60 «j, in Leipzig sogar schon 7» selbstverständlich, die Leip ziger Buchhändler waren ja von jeher dafür verschrieen, noch teurer alz die anderen zu sein. Alles stieg rapid Weiler, So knapp wurden die Bücher durch das künstliche Zurück halten, daß die Guttentagsche Gesetzsammlung und die Schriften von Peter Altenberg das Dreifache ihres normalen Preises er reichten, und die Berliner Jllustrirte brachte jede Woche neue Bilder der literarischen Hungersnot in Deutschland, Besonders gemein benahmen sich die Antiquare, die ja schon in Friedens zeilen nicht unbedenklich zum Wucher neigten, und die jetzt unter Ausnutzung der Notlage die ältesten Restauflagen zu hor renden Preisen auf den Markt schmuggelten. Die Bücherdieb- stähle nahmen in erschreckender Weise zu. In Berlin fand man einen Geireidehändler, der sich von seinem, knappen Kriegs gewinn ein Exemplar von Schillers »Räubern« abgedarbt hatte, betäubt in seiner Villa, und der Einbrecher hatte, unter Nichtbeachtung aller anderen Kostbarkeiten, mit seinem Buche das Weite gesucht. So ging'S wirklich nicht mehr weiter, und als eines Tages die Gerüchte umliefen, der Insel-Verlag habe seine Vorräte ver steckt und weigere sich, bis zum Frühjahr etwas davon zu ver kaufen, rottete sich das Volk auf den Straßen zusammen, ange führt von denen, die den größten Bücherhunger hatten, von den Fleischern und Apothekern, und trafen Anstalt, die Buchhand lungen zu stürmen und die Bücherwucherer auszuräuchern. Schon kamen einige Steine durch das Fenster des Herrn Peter sen geprasselt, als auf einmal das Telegramm einlief, die Regie rung habe endlich die Höchstpreise für Bücher festgesetzt und die gefährlichsten Wucherer unschädlich gemacht, Reclam, der ja immer schon mit seinen Bändchen ein Parasit am Wohlstände des Volkes gewesen war, sei verhaftet, Engelhorn sei nach Ent deckung seiner künstlich zurückgehaltenen Romanbibliothek nach der Schweiz entflohen, und nur Langewiesche sei mit einem blauen Auge davongekommen, weil er sich schnell noch ehren wörtlich verpflichtet habe, seine »Blauen Bücher« jedem zu lie fern, der 1,80 dafür bezahle. Zur genauen Verteilung und Streckung der Büchervorräte wurden Büchermarken ausgegeben und so gerecht verteilt, daß auch die Mitglieder der Gesellschaft der Bibliophilen nicht mehr davon erhielten als die anderen. Hier muß, wenn der Utopist nicht mehr weiter kann, in einer rechtschaffenen Utopie der Schläfer erwachen, sei es wie bei Bellamy, daß er sich verwundert die Augen reibt, sei es wie bei Wells, daß er eine unverschämte Frage an die Umstehen den richtet (was für einen Engländer allerdings Wohl das natür liche Erwachen sein wird). Ich kann mich zu solchen Gemein heiten nicht durchringen, dazu tut mir Herr Petersen zu leid: ich lasse ihn schlafen! Paul Alicke (nach der Idee eines bekannten Preis-Poeten). Weihnachtskotaloge 1915. Nachdem im Vorjahre die buchhändlerische Reklame für das Weih nachtsfest in größerem Stile als sonst eingesetzt und auch die Presse und die Anschlagsäulen mit in Anspruch genommen hatte, hat sich der Deutsche Vcrlcgerverein auch Heuer der Käuferwerbung für das Buch angenommen und zwei Aufsätze »Bücher ins Feld!« von Fedor von Zobeltitz und »Jetzt kauft Bücher!« von Heinrich Lhotzky in die Presse gebracht, sowie Sonderdrucke für Verleger und Sortimenter zur Ver breitung Herstellen lassen, wovon etwa 200 000 Stück abgesetzt wurden. Weiter ist auch im »Börsenblatt« auf Anregung der Redaktion die Frage, wie das Interesse am Buche in weiteren Kreisen als bisher wirksam anzuregen und wach zu erhalten sei, von verschiedenen Sei ten erörtert morden. Daß diese Erörterungen ein greifbares, neues Ergebnis nicht zutage förderten, so treffende Äußerungen sich auch da runter fanden, wird z. T. darin begründet sein, daß die Frage, nament lich auf Seiten der Schriftsteller, in viel allgemeinerem Sinne, als sic gestellt war, anfgcfaßt und beantwortet wurde, nämlich zu wenig vom Geschäftsstandpunkt des Buchhändlers aus. Im umfassendsten Sinne hat sie jedenfalls der Bremer Domprediger Jacobskötter ver standen, der das »Buchproblem — wie der Wille zum Buch, das Leben mit dem Buch, das Leben des Buches selbst zu stärken, neu zu wecken und zu befestigen ist« als ein Kulturproblem schlecht hin kennzeichnet. In kurzen, lebendigen Ausführungen verwirft 1565
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