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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.01.1916
- Strukturtyp
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- 1916-01-13
- Erscheinungsdatum
- 13.01.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 9, 13. Januar 1916. transportieren. Es dauerte ziemlich lange, bis die 1066 Mann an uns vorbcimarschicrt waren. Nach langer Zeit kam endlich ein anderer Polizist und sagte uns, wir möchten zum Bahnhof fahren. Droschken standen in großer Zahl bereit; unser Gepäck wurde ausgeladen, und auf schauerlichen Wegen, immer in Gefahr, umgeworfen zu werden, kamen wir nach halbstündiger Fahrt ganz zerschlagen beim Bahn hof an. Dort empfing uns unser alter Polizist und sagte, er würde bis zur Abfahrt des Zuges bei uns bleiben. Er besorgte uns Fahrkarten bis Petersburg, gab unser großes Gepäck auf und war überhaupt sehr um uns bemüht. Als unser Zug um 6 Uhr morgens vorfuhr, bemächtigte er sich unseres Handgepäcks, brachte uns zu unseren Plätzen, ordnete unsere Sachen sehr zweck mäßig und verabschiedete sich von uns allen, wie von alten Freue, den, durch kräftigen Händedruck. Die Fahrt im Schnellzug dauerte 75 Stunden. Da loir je der eine ganze Bank für uns hatten und über ein Abteil ganz allein verfügten, so reisten wir herrlich. Der Prowodnik (Schafs ner-Kellner) besorgte uns Tcewasser, und weiter brauchten wir nichts, weil wir alle notwendigen Lebensmittel mitführien. In Petersburg kamen wir mit geringer Verspätung an, konnten aber doch den Hauptzug nach Bjcioostrow nicht mehr er reichen, so daß wir um etwa 2 Stunden zu spät auf dieser eisten finnischen Station anlangten und deshalb auch gleich mit der mißtrauischen Frage empfangen wurden i »Weshalb kommen Sie so spät?« Wir gaben die nötige Erklärung, unser Handgepäck wurde untersucht, und man geleitete uns zu einem Wagen zweiter Klasse, der auf einem toten Gleise stand. Hinter uns wurde ab geschlossen — wir waren wieder einmal Gefangene. Nach einiger Zeit kam eine Art von Kellner, fragte uns, ob wir etwas wollten, und brachte uns das Bestellte nebst Teewasser. Am Nachmittag wurden wir wieder abgeholt, unsere Bagage sollte durchsucht werden. Das geschah in der Weise, daß die Koffer aus einem Tische einfach umgestülpt wurden, der Inhalt konnte jetzt bequem gemustert werden. Meine Damen wurden ins Nebenzimmer geruse» und dort von einer Frau genau durch sucht. Mich fragte man, ob ich Geld bei mir habe, ich zeigte meine ganze Barschaft, zusammen mit dem Briese des Amerika nischen Botschafters, vor. Dieser Brief hatte in den Augen des Gendarmerie-Offiziers keinen Wert, denn er sagte, eine Bestim mung, wie sie der Botschafter anführe, bestehe nicht oder doch nicht mehr, ich dürfe nur 5ÜV Rubel behalten, das übrige müsse ich dortlassen, es würde nicht konfisziert, sondern nur sequestriert, nach dem Kriege würde ich es zurllckbekommcn. Was blieb mir übrig, ich mußte ihm 3115 Rubel bar und 50 VOÜ Rubel in Wech seln übergeben. Er packte alles zusammen in einen großen Brief umschlag und schrieb meinen Namen, das Datum und den ge nauen Inhalt darauf. Eine Quittung verweigerte er mir. Unsere Sachen wurden darauf wieder eingepackt und wir in unseren! Wagen eingeschlossen. Abends um 9 Uhr sollte der Zug abgehen, und wir hofften die Reise in diesem Wagen, der sehr bequem war und lange Bänke hatte, zurücklegen zu können, statt dessen hieß es um 8 Uhr, wir müßten in einen anderen Wagen. Das war ein böser Tausch, wir kamen in einen Wagen älte sten Musters mit ganz kurzen Bänken, in dem schon etwa 20 Landsleute und einige Kinder Platz gefunden hatten. Wir muß ten sehr bescheiden sein und dursten gar keine Ansprüche machen , an Schlafen war wohl überhaupt nicht zu denken, und wir hatten zwei Nächte vor uns. Die Fenster waren weiß gestrichen, so dar. wir keinen Blick hinaus tun konnten, und die Türen wurden ver- schlossengehaltcn. In unserem Wagen nahm ein Gendarm Platz, der übrigens 5—6mal gewechselt wurde. In Tornco langten wir Sonnabend morgen um 11 Uhr nach 38slündiger Fahrt sehr ermüdet an. Hier wurden wir und unser Gepäck noch einmal sehr genau durchsucht, wobei man besonders nach schriftlichen Auf zeichnungen forschte, dann wurden wir einem deutschen Konsu- latsvertrcter aus Haparanda übergeben, der mit der ganzen Reise gesellschaft den Marsch über die Brücke des Tornco-Elf nach Schwe den hinüber antrat. Leider konnte ich mich da nicht anschließen, ich mußte auf einem unbequemen zweirädrigen Wagen, dem orts üblichen Beförderungsmittel, bei kaltem Regcnwetter in Beglei- 40 jung meiner Frau und eines finnischen Polizisten den weiten Um- i weg auf der Landstraße nach Haparanda fahren. In Schweden wurden wir sehr liebenswürdig empfangen, die Musterung auf ! dem Zoll erfolgte ohne jede Härte, an die wir bisher gewöhnt waren. Ein tiefer Seufzer der Erleichterung entrang sich unserer ! Brust, denn jetzt erst waren wir ganz frei. Die Fahrt von Haparanda nach der nächsten schwedischen ! Eisenbahnstation Karungi (etwa 26 Kilometer) legten wir im l Automobil zurück. Das war eine schreckliche Fahrt, die Straße ! ist neu, ungepflastcrt und so schmal, daß kaum zwei mäßig breite Wagen einander ausweichen können. Zu beiden Seiten der Straße ziehen sich tiefe Gräben hin. Wir überholten unzählige Vaucrn- wagen, die sibirische Butter in riesigen Mengen nach Karungi führten, wahrscheinlich für England. Zweimal blieb unser Auto !im aufgeweichten Wege stecken, aber im Nu sprangen schwedische ! Soldaten herbei und machten uns wieder flott. Wo sie so plötz- § lich herkamen, weiß ich nicht, jedenfalls hatte ich keinen vorher ^ gesehen. ! Der Bahnhof Karungi war noch unfertig, wir gingen in l ein Kaffeehaus, um uns nach der Fahrt im Regen zu erwärmen; auch das schien eben erst fertig geworden zu sein, war aber sehr sauber und machte einen freundlichen Eindruck. Am Wege lag noch überall Schnee, und wir waren froh, als wir uns endlich in unserm angenehm durchwärmten Schlafabteil zur langent behrten körperlichen und jetzt endlich auch seelischen Ruhe aus- streckcn konnten. Nordschwcdcn, das unser Zug durcheilte, ist gebirgig, hat zahlreiche große, herrlich gelegene Seen, machte aber doch jetzt, Mitte Mai, noch einen recht winterlichen Eindruck. Schnee gab cs noch genug in den Schluchten, und die Wasser flächen waren zum größten Teile noch mit Eis bedeckt. Endlich kamen wir in Stockholm an, wurden vom Deutschen Hilfsveretn freundlich empfangen und mit Tee und Butterbrot erquickt. In Stockholm erholten wir uns einen Tag und kamen am 21. Mai nachts um 2 Uhr über Trcllcborg-Saßnitz in Berlin an. Auf dem Bahnhofe wurden wir von Verwandten und meiner ältesten Tochter, die den Schwesternberuf ergriffen hat, empfangen. Die Freude des Wiedersehens will ich nicht schildern, ich war ja schon als tot gemeldet und betrauert worden, und von meiner Tochter halten wir in Sibirien nichts gehört. Jetzt endlich erfuhr ich auch, daß mein Sohn, der in Königs berg studiert hatte, bei Ausbruch des Krieges in das Heer ein- getrcten war, durch einen Sturz vom Pferde während der Aus bildung sich ernstlich beschädigt hatte, jetzt wieder in Königs berg für die Feldartillerie ausgcbildet wurde. Ehe er ins Feld rückte, durfte er uns zu unserer Freude auf drei Tage besuchen. Jetzt hat er schon an den Verfolgungskämpfen vor und hinter Brest-Litowsk tctlnchmen können. Von meinen Genossen auf der Etappe habe ich wenig mehr gehört, sie sind alle im Tomskschen Gouvernement zerstreut. Von Herrn v. S. weiß ich, daß er an seinem Bestimmungsorte, einem Dorfe etwa 300 Kilom. nördl. Tomsk, bei 42° R. Kälte ohne Frostschäden angckommen ist und dort angenehme Leute, Ver bannte aus Riga, vorgefnndcn hat, mit denen er zusammen lebt. Wo die Letten geblieben sind, konnte ich leider nicht erfahren, ebensowenig, was aus dem armen Herrn W. ans Uman gewor den ist. Die schrecklichste Zeit meines Lebens liegt hinter mir, was die Zukunft bringen wird, weiß Gott allein. Wir müssen uns in Ge duld fassen und das Beste hoffen. Kleine Mitteilungen. Errichtung einer vlämischcn Hochschule. — Das »W.T.B.« hat von zuständiger Seite ans Brüssel die Bestätigung der Nachricht erhalten, daß die Frage der Errichtung einer vlänuschcu Hochschule, die sich nach den in der belgischen Kammer gestellten Anträgen auf die For derung der Umwandlung der Universität Gent in eine vlämische ver dichtet hatte, nunmehr dank dem Vorgehen des Generalgouverncnrs einen entscheidenden Schritt vorgerückt ist. Der Generalgonvernenr hat nämlich angeordnet, daß in den Etat des Jahres 1916 die Summen eingestellt werden, die zunächst erforderlich sind, um die Umwandlung der Universität Gent in die Wege zu leiten. Weiter sollen die für die Neugestaltung des Unterrichts notwendigen organisatorischen Maß-
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