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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.03.1916
- Strukturtyp
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- 1916-03-14
- Erscheinungsdatum
- 14.03.1916
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Redaktioneller Teil. ^ 61, 14. März 1916. im Vergleich zur europäischen lächerlich gering ist. Wenn Henry Walters — den der französische Autor zitiert — hier seine Samm lung von Wiegendrucken erwarb, so war das ein entschiedener Ausnahmefall, und der äußerst kenntnisreiche Sammler kaufte sie keineswegs auf Grund schön gefärbter Kataloganpreisungen, son dern vor den Werken selbst, nachdem er sie persönlich auf ihre Be deutung geprüft hatte. Wenn Herr Sehmour de Ricci glaubt, baß »gonr so kormor uns Krosse oolloetion clünennables, VN n'ent plus qu'L signor dos oböqnes«, vergißt er vor allem das große Verständnis der von ihm zitierten Sammler. Wenn Herr Seymour de Ricci bloß einen Blick in den glanz vollen Jnkunabelkatalog von I. P. Morgan tun wollte, so könnte er sofort ersehen, daß der große amerikanische Milliardär die selbe Methode eingeschlagen hat, die seit langen Jahrzehnten fest gelegt war: die Angaben der Herkunft dieser Inkunabeln offen baren ohne weiteres, daß sie nur in ganz geringen Ausnahme fällen aus dem Handel erworben worden sind. Im Titel des Morgan-Kataloges werden bereits die Bibliotheken William Morris, Richard Bennett, Bertram IV. Earl of Ashburnham als Hauptquellen seiner Sammlung bezeichnet. Morgan und fast alle anderen Sammler kauften ihre Inkunabeln teils direkt aus den Familienhäusern heraus, teils durch die großen Londoner Anti quare, teils auf den großen Londoner Versteigerungen; es sei nur auf den noch 1914 erfolgten Verkauf der Bibliothek Pembroke verwiesen, die durch Vermittlung des New Uorker Buchhändlers Smith um einen phantastischen Preis fast vollständig in den Be sitz eines amerikanischen Sammlers übergegangen ist. Das Anti quariat Olschki hat an Morgan alles in allem drei oder vier In kunabeln verkauft, während dieser selbst dem Antiquariat einen äußerst kostbaren Pergamentdruck, und zwar die 6 vnstitu - tionosviemsntisV., Mainz 1467, abtrat — gewiß ein sel tener Fall in den Annalen des Buchhandels. Wie schon ange deutet, können wir Herrn Seymour de Ricci mit Stolz dahin auf klären, daß die Inkunabeln in Europa viel zahlreichere Freunde und Pflegestätten hatten, als über dem Ozean, wo das Interesse an Seltenheiten vorherrscht, die in die Augen springen, an Bildern, Skulpturen, Porzellanen usw.; und nicht nur das Britische Mu seum, die Pariser Nationalbibliothek, die Königliche Bibliothek Berlin und die Hof- und Staatsbibliothek München übertrcffen die amerikanischen öffentlichen, wie privaten Bibliotheken durch ihre Inkunabel-Erwerbungen, sondern sogar die Biblio theken Italiens, die opferfreudig ihre Bestände zu ergänzen be müht sind, übrigens versichert Herr Seymour de Ricci selbst, daß »ciepuis 1899, et äs tous oötes, ies eruäits s'etaisnt remis L ötnckier Ics inouimvles«. Es sind also doch nicht die paar deutschen Buch händler, welche die Seltenheit und damit die Preise der Inku nabeln erhöhten, sondern die Ursache liegt in der großen Nach- frage der Privatsammler und der öffentlichen Bibliotheken. Diese große Nachfrage ist sicherlich keine augenblickliche Laune. Sie folgt aus dem intensiveren Eindringen in die historischen Wissen schaften in den letzten fünfzig Jahren, sowie aus der Erkenntnis, daß die Frühdrucke, gleich den Handschriften, nicht nur künstle rische Monumente, sondern geschichtliche und kulturelle Dokumente sind. Das ist der wahre Grund für die »Popularität«, die sich die Inkunabeln auf dem europäischen Markt erworben haben. Ein fundamentaler Irrtum des Herrn Seymour de Ricci besteht auch darin, daß er allen Inkunabeln phantastische oder, wie er sagt, »amerikanische« Preise zuschreibt. Bei Inkunabeln hängt der Preis vollkommen von der Seltenheit, von dem geschichtlichen Wert, vom Erhaltungszustand und so vielen anderen Faktoren ab, daß sich bei den Preisfestsetzungen große Abstufungen ergeben. Ihre Popularität gründet sich letzterhand auf das gesteigerte Ver ständnis und Bildungsbedürfnis und auch auf den zunehmenden Reichtum. So ist die Geschichte des Jnkunabclhandels schließ lich auch ein Kapitel Wirtschaftsgeschichte, dem eine sorgfältig« systematische und praktische Durcharbeitung zuteil werden muß, wie sie durch eine bloße »Causerie« selbstverständlich nicht erreicht wird. Eine ernsthaftere Vorbereitung hätte Herrn Seymour de Ricci gelehrt, daß die gut redigierten Kataloge von heute, die er für die amerikanischen Kunden hergcrichtet hält, der unbedingt nötigen Sorgfalt und Exaktheit entsprechen, die der moderne Sammler und Händler einfach verlangen. 279 Wir verstehen übrigens nicht recht, warum Herr Seymour de Ricci die modernen Antiquariatskataloge »amerikanisch« nennt. Wenn es seine Ansicht ist, daß die Sammler über dem Ozean genaue Beschreibungen von dem Objekt, das sie erwerben wollen, haben möchten, so gereicht das jenen wahrhaftig nur zur Ehre; sollte aber Herr Seymour de Ricci glauben, daß sich der amerikanische Sammler von der glänzenden Aufmachung der Ka taloge und von der Höhe der Preise blenden läßt, so tut er ihnen gewaltig unrecht. Wenn das Wort »muncius vult lleoipi« je im Geschäftsleben eine traurige Wahrheit darstellt, so ist gerade im Jnkunabelhandel damit gar nichts anzufangen, zumal di« sachge mäß ausgearbeiteten Kataloge den deutlichsten Ausdruck der Of fenheit zwischen Sammler und Händler bedeuten. Aber, um es noch einmal zu sagen, die Amerikaner sind ja gar keine Inkunabel- Sammler. Vielleicht kennt Herr Sehmour de Ricci solche. Wir haben nicht den Vorzug und betonen wiederholt, daß das Inter esse an ihnen eine europäische Angelegenheit ist. Sind ja doch auch alle großen zeitgenössischen Bibliographien in Europa ent standen, so die Arbeiten von Proctor in England, von Claudin und Pellechet in Frankreich, von Dziatzko, Haebler, Burger, Rcichling und anderen in Deutschland; auch Italien hat in den letzten Jahr zehnten stark an der bibliographischen Sammelarbeit mitgewirkt, wobei sich besonders die einzelnen Bibliotheksborstände auszeich neten. Auch unsere Zeitschrift, die Liblivtiiia, vermochte und ver mag wichtige Beiträge nach dieser Richtung zu liefern. Der moderne Antiquariatskatalog ist also nicht für den Ame rikaner zurechtgestutzt; es erübrigt sich jetzt nur noch, lebhaft Stel lung zu nehmen gegen die völlig grundlose Behauptung Seymour de Riccis, daß anonyme Verfasser hinter den bibliographischen Beschreibungen sich versteckten. Ein Antiquar, der die Bücher nach ihrem wahren Werte behandelt, und der auf seine Arbeit wie aus seinen guten Namen sieht, verleiht seinem Geschäft selbstverständ lich eine ganz persönliche Note und hängt von den Grundgesetzen der geschäftlichen und persönlichen Anständigkeit ab, die Kr jeden Menschen überhaupt die Richtschnur bildet, oder wenigstens bil den sollte. Ein Buch ist keine »Ware«, und im besonder« der Wiegendruck erfordert eindringliche Bearbeitung; ja er erhält ein besonderes Gepräge durch den, der ihn beschreibt und zum Ver kaufe anbietet. In allen Ländern gibt es versteckte Händler, die sich als Sammler ausgeben und die Arbeit anderer mit ihrem Namen zieren, aber mit diesen rechnet Herr Sehmour de Ricci nicht ab. Was uns betrifft, so können wir uns des Beifalls der besten Bibliographen rühmen, der unseren Katalogen seit drei Jahrzehnten zuteil geworden ist. Die Tatsache, daß unsere Be schreibungen ständig von europäischen Bibliographen zitiert wer den, genügt, um die üble Legende von der »Jagd auf den Ameri kaner« zu zerstören. Zum Schlüsse sei Herr Seymour de Ricci noch darauf auf merksam gemacht, daß es Sammlungen allerdings schon im 17. Jahrhundert gab, wie es solche im 2V. gibt, daß aber heute — und das übersieht er völlig —, in ganz anderem Sinne gesammelt wird. Heute ist der Sinn nicht darauf gestellt, möglichst viele be liebige Drucke des 15. Jahrhunderts zu Vereinen (einzelne Fälle mögen ausgenommen sein), sondern man geht heute auf das Ein zelwerk. Das 19. Jahrhundert war nach einem Ausspruch von Einest Renan monographisch; die Gelehrten sind Spezialisten ge worden, während sie vordem Enzyklopädisten waren, und so ha ben auch die Büchersammlungen den allgemeinen mit dem speziel len Charakter vertauscht. Wer sich mit der Geschichte der Medizin befaßt, sammelt medizinische Inkunabeln, der Literarhistoriker solche, die in sein Gebiet einschlagen, der Naturforscher, der Tech niker, der Kunsthistoriker usw. immer die in seine Disziplin fallen den Drucke. Der Antiquar der Gegenwart muß sich in seinen Ka talogen, noch abgesehen von bibliographischer Einzelarbeit, der kritischen Beurteilung solcher Spezialforscher und -Sammler un terwerfen. So kann sich Herr Seymour de Ricci überzeugen, wo die wahren Gründe dafür liegen, daß die Inkunabel-Kataloge ein« so durchgreifende Entwicklung und ein so hohes Niveau er reicht haben. lii.
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