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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.05.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1916-05-08
- Erscheinungsdatum
- 08.05.1916
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- Deutsch
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^ 105, 8. Mai 1916. Redaktioneller Teil. Unsere Bücherei setzt sich aus verschiedenen Stiftungen, grö ßeren und kleineren, zusammen. Sie hat den Vorteil, daß sie sehr vielseitig ist und nicht nur verwöhnte Leser zufriedenstellt, sondern auch das Massenfutter gibt, dessen Aufschrift noch immer Phantasie und Liebe heißt. Diese beiden menschlichen Spiralen zu veredeln, wird stets die vornehmste Aufgabe der Menschen bleiben, die sich die Geburt und den Vertrieb des Buches zur Lebensaufgabe wählten. So viele Köpfe, so viele Wege und Ziele. Wir wollen uns versagen, eine Statistik der am meisten aus der Bücherei verliehenen Bücher zu geben. Sie würde, wie jede Zahlenaufnahme zur Feststellung geistiger Wertmesser, falsch sein. Um aber einigen Anhalt für die kommende Reichsbuchwoch« zu geben, seien einige Namen der am meisten gelesenen (nicht verlangten) guten Schriftsteller angeführt: Hermann Hesse, Lienhard, Geißler, Zahn, Sohnrey, Felicitas Rose, Speckmann, Seeliger (Das sterbende Dorf), Otto Soyka, Erdmann Graeser (Lemckes sel. Wwe.). Bei diesen Schriftstellern konnte nach Em pfehlung durch den Buchwart Zufriedenheit des Lesers festge stellt werden. Viel verlangt und gelesen wurden Schlicht, Hoeckec, Fed. v. Zobeltitz, Grabein, Wolzogen, Thoma, Zapp, Marg. Böhme und andere. Nach Dahn, Freytag, Ganghofer, Wilh. Busch wurde viel gefragt. Sie sind nicht vertreten und harren noch der freundlichen Stifter. Kriminalromane oder, besser gesagt, Ver- brechergeschichten könnte man zu Hunderten ausleihen, doch sind die Leser selten von ihrem Inhalt befriedigt, da sie schon sehr routiniert sind. Geschichtliche Romane und Reisebeschreibungen werden gern gelesen. Dumas, Marryat, Gerstäcker machen noch immer das Rennen. Für ernste und inhaltlich schwere Bücher haben wir wenig Freunde, die meisten wollen lustige Geschichten zum Lachen, besonders Witze, Anekdoten, Schwänke, Rüdigkeiten. Trotz großer Mühe war selten ein Klassiker anzubringen. Eine kleine Ausstellung von Bismarckbüchern zu seinem Geburtstage fand keinen Anklang. Von Ausländern, die wir in kleiner An zahl in der Bücherei haben, um auch über die Literatur unserer Feinde zu unterrichten, wurden Zola, Maupassant, Prevost und Gorkis bevorzugt. Tolstoj fand fast keine Leser. Durch den Papiermangel ist die kostenfreie Lieferung von Zeitungen für Soldatenheime etwas eingeschränkt worden, je doch haben wir außer den Berliner wichtigen Blättern auch die politisch maßgebenden des Reichs. Die Zeitschriften, die wir von den Verlegern überwiesen bekommen, sind sehr begehrt. Mancher Kamerad, dessen Lieblingsheft nicht pünktlich eingetroffen ist, zieht betrübt ab. Hier wird ein guter späterer Abonnentenstamm mit geringer Werbeausgabe geschaffen. Schwierig ist es, die ungelernten Hilfskräfte zur richtigen Mitarbeit heranzuziehen. Zunächst mutz di« heilige Achtung vor dem Buche geschaffen werden, müssen Hinweise auf die Art der Verlage, auf die Deutung von Titeln gegeben werden. Neben den täglichen Arbeiten, unter denen die Erhaltung der Sauber keit bei einem so grohen und viel benutzten Raum nicht die kleinste ist, müssen die schadhaften Bücher ausgebessert werden. In drei Monaten wurden 475 Lesekarten ausgestellt. Be rücksichtigt man den Abgang der Mannschaften, die ins Feld rückten oder entlassen wurden, so kann man etwa folgende Zahlen gelten lassen: Benutzung der Bücherei vor Ausgabe der Lesekarten etwa 5 7«, im ersten Monat nachdem etwa 10 7», dann steigend bis etwa 20 7» der jeweilig im Lager anwesenden Mannschaften. Vorausgesagt wurde von den Kameraden die Schließung des Leseraums fünf Tage nach Eröffnung, sobald der Reiz der Neu heit verflogen sei. Geht man, ohne durch die Gewohnheit sinnlich verhärtet zu sein, vom Lager, in dem das Bataillon untergebracht ist, in das, wo die Kriegsgefangenen liegen, so hat man die Em pfindung, die deutsche Grenze zu überschreiten. Eine Tafel zeigt die Grenze an. In ihrer Nähe befindet sich die russische Lese halle, die gleichzeitig als Kirche dient und in der auch sonst die Kunst gepflegt wird, soweit es die vorgeschriebene Ordnung zu- lüßt. Sie ist, im nordischen Stil erbaut, schon äußerlich ein Ge gensatz zum Bataillonsleseraum. Aus Holz gefertigt, hat sic außen und innen wertvolle Schnitzereien. Die Türen, die Bänke, die Bekleidungen der Wände zeigen künstlerisch wertvolle Ar beiten, die, von den Russen gemacht, dem deutschen Kunstgewerde Vorbild und Anregung geben können. Der Schreiber dieses Aufsatzes sah die Pracht und den Prunk russischer Kathedralen, staunte über den Reichtum an Gold, Edelsteinen und über die Glasfenster mit ihren kostbaren Malereien, was meist in krassem Gegensatz zu der Kleidung der Andächtigen stand. Die Lese halle wirkt wie eine alte märkische Dorfkirche, wenn sie nicht russisch wäre und man nicht echt russische Gestalten darin fände. Die Lesenden sind in ihre Bücher vertieft wie Betende. Man hat den Eindruck, daß die Kraft der Muttersprache und die Macht des Gemüts sie für kurze Zeit ihre Gefangenschaft vergessen, ihre Sehnsucht nach der Heimat, ihren Frauen und ihren Kin dern schwinden läßt. Deutsche, folgt dem kürzlich in den Zei tungen veröffentlichten Aufruf zur Stiftung von Büchern für unsere im Feindesland befindlichen Brüder und gebt, gebt! Wer je im Ausland, abgeschnitten vom deutschen Leben, gewesen ist, weiß, was ein deutsches Buch bedeutet. Die Bücherei, di« von einem deutschen Unteroffizier mit Un terstützung eines russischen Gefangenen, der im Zivilberuf Rechts anwalt ist, geleitet wird, ist bisher nicht groß, aber sauber aufge stellt, sorgfältig katalogisiert und geordnet. Ein kriegsgefangener Buchbinder hat eine kleine Werkstatt für Einbände eingerichtet, die dem Fachmann Achtung einflößen, über die Beliebtheit einiger Werke wurden bemerkenswerte Angaben aus der Sta tistik gemacht. Es wurden gelesen: Tolstoj, Sonntag (eine reli gionsphilosophische Abhandlung) 389mal, nachgelassene Schrif ten etwa 200mal, Gorkij, Mutter 300mal, Memoiren Katha rinas 154mal. Dostojewski und Andrejew gehörten zu den am meisten gelesenen Schriftstellern. Aus den südrusstschen Siedelungen, in die der Schreiber durch Vermittlung einer Rigaer Firma vor dem Kriege viele Tausend Bände deutscher Bücher gelangen und die eine deutsch schweizerische Verlagsbuchhandlung jährlich bereisen ließ, sind eine Anzahl Kriegsgefangener, die deutsch sprechen und lesen. Die Bücherei hat einige deutsche Bände für sie. Es wäre eine für das Deutschtum wichtige Aufgabe, diesen Kolonisten durch Stiftung deutscher Bücher die Werke unserer Edelsten und Tiefsten zu- gängig zu machen. An einem klaren Dezemberabend mit wolkenlosem Himmel sah ich von dem etwas höher gelegenen Bataillonslager auf das schneebedeckte Gefangenenlager. Ich vergaß den Krieg, meine eigene Lage und träumte von Rußland, von der Newa, ihren Dampfern, den Hellen Nächten, der Insel, den Zigeunern und den deutschen Kollegen und Freunden. Sie waren die Pioniere für deutsches Wesen und Denken, und sie klagten mir in den letzten Jahren oft, daß sie der Zeit folgen und immer mehr französische und englische Bücher zum Nachteil deutscher verkaufen müßten. Im übrigen Auslände, in fast ganz Europa, fand ich es ähnlich. Nicht nur aus geschäftlichen Gründen nahm ich dieses Sinken deutschen Einflusses mit Betrübnis wahr. Trotzdem hatten die deutschen Buchhändler das Geschäft in Händen, und in den Aus lagen stellten sie deutsche Erzeugnisse in den Vordergrund. Im Wirtshaus beim deutschen Wirt sagte mir mancher, das deutsche Buch wäre mehr als ein Handelsgegcnstand. Es wird auch nach dem Siege siegen. Jacques Jolowicz. Aber Lesestoff und die Einrichtung von Kompagnie-Bibliotheken. Es ist eine erfreuliche und nicht hoch genug zu schätzende Tatsache, daß sich das Lesebedürfnis der Soldaten in diesem Weltkriege gehoben hat. Selbst der einfache Mann, der früher in seinem bürgerlichen Berufe selten oder nie ein Buch in die Hand genommen Hot, greift in dienstfreien Stunden, selbst in vorderster Linie, zur Lektüre. Nicht immer natürlich läßt sich dar Lesebedürfnis befriedigen, so ist z. B. im Bewegungskriege wenig oder gar keine Gelegenheit, ja oft nicht einmal Zeit zum Lesen vorhanden, da jede freie Minute zur Ruhe oder Instandsetzung der Ausrüstungsgegenstände verwendet werden muß. Anders im Stellungskampfe. In den Schützengräben, die jetzt nach Möglichkeit 551
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