Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.06.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-06-19
- Erscheinungsdatum
- 19.06.1916
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19160619
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191606199
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19160619
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1916
- Monat1916-06
- Tag1916-06-19
- Monat1916-06
- Jahr1916
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
dieses Zweiges deutscher Kultur, wie ihn 1914 die Leipziger »Bugra« im Wettbewerb aller Kulturnationen zu einem wahrhaft berauschenden Flor entwickelt zeigte, durch die Stürme des un mittelbar darauf einsetzenden Weltkrieges arg zerzaust und geknickt worden ist. Es ist auch kein Zweifel, daß nach dem Kriege, selbst bei den günstigsten Friedensbedingungen, eine Zeit schwerer Not und Arbeit für alle Stände unseres Vaterlandes, vor allem aber auch für die Buchhändler einsetzen wird. Es gilt also, um mit Goethe zu sprechen, »für eine friedlichere Zukunst im stillen manches vorzubereiten«. Die Buchhändler selbst sind, wie man sieht, schon selbst rüstig dabei, den schweren Nöten der Zeit und der Zukunft mannhaft zu begegnen, und das »Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel«, das ein erfreuliches Zeichen für dieses Streben ablegt, nimmt auch gern die Vorschläge außen stehender, aber teilnehmender Ratgeber in seinen Spalten auf. So hat Pros. A. Schröer, der als Anglist besonder« Beziehun gen zum englischen Buchhandel und als Lehrer an der Kölner Handelshochschule praktische Ziele im Auge hat, dort*) «inen Artikel »Bücher als Besitz« erscheinen lassen, der unter vielem, was längst bekannt und anerkannt ist, auch manches Neu« richtig ausführt. Wie sollte es auch anders sein? Aber mit seiner Grundauffassung kann ich mich doch nicht einverstanden erklären, nicht bloß vom Standpunkte des deutschen Buchhandels aus, sondern auch von dem der deutschen Bildung und Wissenschaft, die durch die Verwirklichung der dort gegebenen Ratschläge schwer getroffen würde. Der Verfasser hält uns nämlich den englischen Buchhändler als Muster vor. »Ohne jede Sentimentalität oder außergeschäft liche Nebengedanken schätzt er die tatsächlichen literarischen Be dürfnisse ein; und maßgebend ist nicht, was nach dem Urteil der Weisen gelesen werden sollte, sondern was gelesen wird.« Diese Charakteristik des englischen Verlegers trifft zu. Er ist Geschäftsmann, weiter nichts. Daß der Buchhandel noch andere Ziele habe, als möglichst bequem möglichst viel Geld einzubringen, liegt weitab von seinem Horizont. Daher ist jenseits des Kanals die wissenschaftliche Literatur, wenn sie in Verlag genommen sein will, gezwungen, den breiten Schichten des Publikums erhebliche Konzessionen zu machen. Alles atmet dort den Duft eines feine ren oder gröberen Dilettantismus, und da der englische Ver leger mit diesem breiten Absatz rechnen und durch die größeren Auflagen seine Bücher billiger herausbrignen kann, so ist sein Ge winn natürlich größer. Vom rein kaufmännischen Standpunkte aus ist die Methode des Briten, alles dem Erfolge nach Unsichere, alles Reinwissenschaftliche, alles nicht von Autoritäten Kom mende abzulehnen, gewiß sehr empfehlenswert. Aber der vor nehme deutsche Verleger wollte mehr sein. Er wollte nicht bloß seine Tasche füllen, sondern auch die Kultur fördern. Darum gab er einen beträchtlichen Teil seines Gewinns wieder hin, um jungen Talenten die Bahn zu eröffnen, um auch weniger lukra tive Teile der Wissenschaft zum Lichte zu führen, kurz, er hul digte in seiner geschäftlichen Praxis dem Grundsatz, den Moritz Veit schon 1839 dem deutschen Buchhandel nachrühmte, »einen Teil des Gewinns, den die Muse dem häuslichen Altar beschieden, der Muse selber zu opfern«. Und dieses ideale Streben lebt auch heute noch in den vielen hervorragenden Verlagsfirmen fort, die der Stolz unseres Vaterlandes sind. Nun sollen diese Männer nmlernen: Geschäft vor allem und nichts mehr? Nicht mehr die »Weisen« sollen ihre Berater sein, sondern die Unweifen? Es war eine Genugtuung für uns Deutsche, daß Prof. Wallace seine neuentdeckten Shakespeare-Papiere, die er in seinem Vater land nicht veröffentlichen konnte, in den Schriften der Deutschen Shakespearegesellschaft 1912 veröffentlichte. Es war ein schöner Triumph, als in demselben Jahre die Pariser Akademie die von den Franzosen gefundenen Inschriften von Delos in dem griechischen Korpus der Berliner Akademie veröffentlichte. Und den Verlag und das Risiko dieser wichtigen, in der Herstellung aber sehr kostspieligen und doch nur auf einen kleinen Kreis von Gelehrten beschränkten Monumentalausgab« trug ein deutscher Verleger! Wie geht es unfern wissenschaftlichen Kollegen im Ausland, namentlich ehe sie einen berühmten Namen sich erworben *1 Börsenblatt 1915, 24. September, Nr. 222. l haben? Ein Unibersitätsfreund von mir, der später mit Erfolg ! deutsche Wissenschaft auf einem französischen Katheder lehrte, hatte als junger Mann ein großes gelehrtes Werk vollendet, j das ihm die Pforten der akademischen Tätigkeit öffnen sollte, j Die berühmte Firma Hachette übernahm auch den Verlag, aber l nur gegen Zahlung aller Druckkosten (10 000 Fr.). Das Buch z ist dann als epochemachend allenthalben anerkannt worden. Wo ! wäre dergleichen in Deutschland je vorgekommen? Spencers ! Werke haben lange Jahre nicht das Licht der Welt erblicken kön nen, bis Freunde ihm die Zahlung der Druckkosten ermöglichten. Und diese Zustände von stumpfsinnigem Mammonismus sollen für den deutschen Buchhandel vorbildlich werden? Aber, behauptet der für die englische Auffassung schwärmende Professor, es wird bei uns viel zu viel geschrieben und gedruckt. Anders in England. »Es hat nicht jeder bescheidene Provinzial schulmeister den Ehrgeiz, seine persönlichen Ansichten z. B. über Shakespeare oder über die Abstammung der Menschen oder über die englische Verfassung der Öffentlichkeit in einem selbständigen Werke vorzutragen.« Ich weiß nicht, ob der Verfasser sich selbst zu diesen »Provinzialschulmeistern« rechnet, da er ja auch über Shakespeare ein Buch veröffentlicht hat. Ich hätte aber ge wünscht, er hätte von der Provinz und dem Schulmeister über haupt nicht in diesem Tone gesprochen. Denn was diese Provinz und was dieser Schulmeister für Deutschland und seine geistige Kultur bedeutet, das weiß doch bei uns jeder. Es ist aber der englische Standpunkt, nur von den abgestempelten Autoritäten die Förderung der Wissenschaft und Künste zu erwarten. Wir Deutschen haben unsere Freude daran, nicht bloß die »maßgebenden Ansichten der Fachleute« zu hören, sondern auch unmaßgebliche Äußerungen Jüngerer zu Worte kommen zu lassen, die vielleicht morgen schon Autoritäten sein werden. Die entsetzliche Uniformität des eng lischen Denkens, die uns Deutschen beim Aufenthalt dort auf die Nerven fällt, wollen wir wahrhaftig nicht gegen unsere minder bequeme und minder einträgliche, aber geistig fruchtbarere Frei heit und Vielgestaltigkeit eintauschen. Wir danken für das »Stan dard Work«, das über Shakespeare oder über die englische Ver fassung uns di« »maßgebende« Ansicht vermitteln soll. Wir erwarten auch nicht mit dem Verfasser ein Buch für Eine Mark, »das nicht nur allen Deutschen in Eukopa und über den Meeren, sondern auch den Ausländern klarere Vorstellungen von unserem Goethe vermitteln könnte«. Denn das ist unmöglich. Wohl aber können in einzelnen Gebieten für weitere Kreise zu Einer Mark gute Übersichten, verfaßt von ernsthaften und orientierten Män nern, gegeben werden, durch welche die Errungenschaften der en geren Gelehrtenkreise in die Weite und ins Ausland getragen werden. Aber dazu braucht man kein englisches Vorbild. Wir haben in dem letzten Menschenalter ein« Fülle von derartigen Serien erhalten, die z. T. von hervorragenden Gelehrten und mit außerordentlichem Geschick bearbeitet worden sind. Und solche Bändchen, sauber gebunden, worauf der praktische Verfasser mit Recht Wert legt, kosten durchschnittlich Eine Mark! Also auf diesem Gebiete brauchen wir von den Engländern wirklich nichts mehr zu lernen. Oder soll ich noch an Reclams spottbillige Bi bliothek erinnern, deren Bändchen doch auch z. T. sehr ernsthaften wissenschaftlichen Zwecken dienen? Aber, behauptet unser Praktikus, die englischen Bücher wer den mehr gekauft und mehr gelesen. Auch hierin kann ich dem Verfasser nicht beipflichten, wenn etwa der Rat an die Verleger geknüpft wird, nur die Literatur zu pflegen, die Massenauflagen in sichere Aussicht stellt. Schon jetzt freilich geht die populäre Literatur jener Serien z. B. in unglaublichen Mengen bis in die kleinsten Dörfer und während des Krieges in die Schützengräben. Aber wie der Staat nicht all sein Geld in Scheidemünzen ausprägen darf, sondern einen großen Goldvorrat zurückhalten muß, so darf unser deutsches Buchwesen wahrlich nicht bloß die leicht verkäufliche, in Tau senden und Zehntausenden von Exemplaren absetzbare Popular- literatur verbreiten. Nein, auch die sogen, schwere Literatur (das wird vor wie nach ein Ehrenpunkt des deutschen Verlags bleiben) mutz wie bisher gleichmäßig gefördert und mit dem Gewinn der einen Sorte der Verlust der andern ausgeglichen werden.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder