Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1927
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1927-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1927
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19270409
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192704098
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19270409
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1927
- Monat1927-04
- Tag1927-04-09
- Monat1927-04
- Jahr1927
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Ni 84, 8. April 1927. Redaktioneller Teil. Fast jede Zeile der Erklärung des Aktionsausschusses fordert zur Berichtigung und zum Widerspruch heraus, die beide sicher noch kommen werden. Entkleidet man die Erklärung alles Bei werks, so bleibt, außer dem Verstopfungsmotiv, als Kern das Bestreben der Sezessionisten, die Ausdehnung der Schutzfrist auch aus die Verlagsverträge zu erstrecken. Das Bestreben ist erklär lich, aber meines Erachtens aussichtslos, wie ich zuletzt im Börsen blatt Nr. 68 kurz dargetan habe. Aber unbekümmert jagen die Sezessionisten ihrem Trugbild nach, rücksichtslos alles andere, auch die Einheit des Buchhandels, opfernd. 6. April 1927. R. V. Der Einfluß des Buches auf die Charakterbildung von Kind und Jugend. Von Frieda Magnus - Unzer. Charakter ist gerichteter Wille, in welchem Gefühls- und Tempcra- mentssaiten Mitschwingen, bei seiner Betrachtung aber nicht mass gebend sein dürfen. Die Charakteranlage ist angeboren und wird entwickelt durch die das Kind umgebenden Menschen und die Ereig nisse in Natur und Leben. Das Leben fliesst, das Wort der Menschen verklingt, aber es gibt zwei Gewalten, die sie festhalten: das Bild und das Buch. Zum 'fließenden Leben kann ein Kind schwerer Stel lung nehmen als zum gebannten Bild. Das Gespräch hastet schwerer in seinem Sinn als oft wiederholte Geschichten und Gedichte. Deshalb bilden ein Bild und ein oft gelesenes Buch den Kindcscharakter nach haltig und tief. Es ist wichtig, wie das Bild und das Buch dein Kinde entgegengcbracht werden. Nimmt der Vater am Sonntag mit teilnehmendem Ernst an den kleinen Geschichten, die seinem Kinde im Laufe der Woche vorgelcsen worden sind, teil, lässt sie sich wicöererzählcn und besieht die Bilder mit dem Kinde zusammen, so wächst eine Ach tung vor dein geistigen Inhalt eines Buches in dem Kinde ans, und cs dämmert ihm früh der Begriff, daH hier lebendiges Gestalten waltet, das Leben bewahrt und ansströmt. Halb unbewusst bildet sich Charakter und Wille des Kindes an oft gesehenen Bildern. In der Geschichte Robert Reiniks von Hans Lustig reicht der kleine Zunge dem Schornsteinfeger furchtlos die Hand, und die anderen Kinder auf dein Bilde sehen es bewundernd mit an. Sogleich bekommt der kleine Beschauer denselben Ausdruck der An erkennung und des Mutes, und bei einer Begegnung mit dem Schorn steinfeger hat der Erzieher es nur nötig, zu sagen: »Was der Hans Lustig konnte, das kannst Du auch«. Dann wird das Kind sich nicht lumpen lassen, und gesunder Ehrgeiz und Mut wirken zusammen, um die Scheu vor dem schwarzen Mann endgültig zu überwinden. - Die Ehrfurchtlosigkeit des bösen Friederich im Struwwelpeter gegen Tiere und Menschen macht auf Kinder einen grossen Eindruck und hält sie wohl von Tierquälereien und Roheiten zurück. — In den »Sprechenden Tieren« ist es immer wieder eine Freude für jedes Kind, wenn der aufgeblasene Herr Hahn in den Sumpf fällt, nnd wenn cs selbst in einem neuen Anzug so recht stolz dahergcht, weiss es gleich, was der Erwachsene meint, wenu er ihm zürnst: »Denk' an den Herrn Hahn!«, und es blickt bescheiden zu Boden und denkt an den Stein. Ans den Märchen hört das Kind wohl die tiefen Grnudtöne des Lebens heraus. Es empfindet deutlich, dass cs die schönste Form der Treue ist, wenn im Märchen vom Frosch könig und dem Eisernen Heinrich der alte Diener auf den Zuruf des Königs: »Heinrich, der Wagen bricht!« antwortet: »Nein, Herr, der Wagen nicht, cs ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in grossen Schmerzen, als Ihr in dem Brunnen fasst, als Ihr eine Frctschc wast«. Märchen befriedigen alle kindlichen Ansprüche so restlos, weil sie immer gerecht sind uuö das Gute belohnt wird. Alle guten Charakteranlagen werden durch sie nach der positiven Seite hin gehoben und in sich sicherer. Ebenso sind Fabeln von ausserordent licher Wirkung: das Bild zu der Fabel vom »Fuchs und Kranich«, das die Enttäuschung des Fuchses zeigt, dass er den schönen Bissen, den ihm der Kranich vorsetzt, nicht geniesten kann, weil die Flasche, in der er sich befindet, für sein Maul zu eng ist, erfüllt jedes Kind mit tiefer Genugtuung, denn da sieht es den Mistgünstigen bestraft. Es ist sehr findig, wenn man es nach Erzählung von Fabeln dazu anffordcrt, die Parallele auf das menschliche Leben zu ziehen, und seine Unterscheidung von Gut nnd Böse ist noch nicht durch psycho- logischcs Verständnis oder Mitleid gebrochen. — Die ganz gemeinen Charaktere von Max und Moritz werden von Kindern richtig erkannt! 400 und wirken trotz der Sensationsfreudc abstoßend. Der Lebenscrnst dieser Satire wird voll gewürdigt, wie der Künstler ihn gemeint hat, wenn er nicht durch leichtfertige Roden Erwachsener abgeflacht und umgekehrt wird. In seiner Stellung zum Buch spiegelt das Wesen des Kindes die Lebensauffassung der Eltern wider. Kann sich der Geist des Hauses nicht über Nahrungssorgen, Nachbarklatsch, Mordgcschichten aus der Zeitung und Flugblättertendenzen erheben, so geht das Kind entweder ganz darin auf und unter und sucht sich seichte kleine Ge schichten in Büchern und Schundheftcn, die seine Gedanken fortsetzcn, oder ist es tiefer veranlagt, so steht es still und fremd seitab. Da kann ein Bild einfachster Art, das über den Tag hinausweist, oder die Erzählung einer alten Nachbarin aus Lebenserfahrung oder bibli scher Geschichte dem Charakter des Kindes Richtung geben, sodass es nach geistiger Nahrung suchen geht. Findet ein solches Kind den Robinson oder ein Sagenbuch, so wird jeder Zug des Helden, für den das Kind aufgeschlossen ist, in ihm zu leben beginnen. Die kleinen Kinderspiele gewinnen an Ausdauer und Ersinderlust, wenn all die Mühen und Proben nacherlcbt werden, die Robinson durchgemacht hat. Durch die Heldensagen kommt auch in den Sinn des Kindes etwas Heroisches. Es verbeisst einen Schmerz, es geht allein durch einen dunklen Garten, es fühlt sich als Beschützer der kleinen Geschwister und verteidigt sie, denn es weiss nun, was Heldentum ist. Gar zu gern hören aber kleine Kinder von dem Leben anderer Kinder, vor allem von außergewöhnlichen Ereignissen, von Feuer- und Wassers gefahr und glücklicher Errettung, wobei Opfermut und Geistesgegen wart bei Retter und Geretteten zusammenwirkcn. Bei dem nächsten Gewitterregen träumt sich das Kind dann eine Geschichte, in welcher es Heldentaten vollführt. In Wirklichkeit wird seine Tat vielleicht nur darin bestehen, dass es eine kleine Katze ins trockene Haus trägt oder der entfernten Mutter einen Regenschirm nachbringt. Aber der Begriff retten und sorgen zn müssen ist doch von der Geschichte aus gegangen. Nach dem zehnten Jahr entwickeln sich erst die männlichen und weiblichen Charakterzüge. Die Mädchen wenden sich immer mehr den Familiengeschichten zu, sie suchen nach immer neuen Vergleichspunkten zwischen dem eigenen Leben und dem Ergehen anderer Menschen: da ist es von grossem Wert, wenn die Familiengeschichten in einer fest- umrissenen Geschichts- und Kulturpcriode spielen, sodass die Menschen ans wahrer Zeit hervorgcwachsen und ihre Daseinsberechtigung und ihre Schicksale als Ergebnisse der Zeit und der eigenen Taten klar da- stchen. Das Lesen der Mädchen ist unbewusst von dem Wunsche dik tiert, sich auf die unbekannte Zukunft vorznbereitcn und in sie ein zudringen. Sie ahmen die Menschen und Kinder, denen cs in den Geschichten gut geht nnd die durch ihr Wesen die Liebe und Anerken nung ihrer Umgebung erwerben, nach. Es kommt vor, dass man sich eine Veränderung im Wesen des Mädchens nicht erklären kann, bis man zufällig das Buch anfschlägt, in dem es liest. Dann erkennt man, dass z. B. »Mütterchens Hilfstruppen« den Einfluss gehabt haben, dass das träumerische, unfreundliche Kind plötzlich mit Hand anlegt, bereitwillig kleine Besorgungen macht und freundlich.mit den Ge schwistern spielt. — Gesund anfwachsendc Kinder sind kaum in der Ge fahr, dass ihnen der Inhalt eines Buches etwas schadet, sie holen sich meistens das Positive, das Fördernde aus dem Inhalt heraus, solange derselbe so ist, dass Gut gut und Böse böse genannt wird. Jüngere Kinder haben zu unklaren und schwierigen Geschehnissen noch gar keine Neigung. Die Jungen gehen bis zum 14. Jahr ganz in Aben- tenergeschichten auf, sei es, dass die Helden Soldaten, Techniker, Cow boys oder Indianer sind. Auch in diesen Geschichten siegen immer die Guten, und das ist dem Jungen nach aller Spannung eine Be friedigung, und er versucht, seinen erwählten Helden an Kühnheit und Gewandtheit in seinen Spielen nachzueifern, verachtet die Lüge und zeigt sich sogar hier und da zu Opfern bereit. Neue Erkenntnisse vermitteln dem Kinde die Tiergeschichten. In alle spielt der Kampf ums Dasein herein, und die Gewalt der Men schen über das Leben dieser in ihrem Bereich so daseinsberechtigten Geschöpfe scheint fast wie eine Macht, die vor Recht geht. Wenn der edle Passgänger in der Thompsonschen Geschichte solange von den Menschen gehetzt wird, bis er, um sich nicht gefangen zu geben, in den Abgrund springt, so ist hier das Heldentum auf seiten des Besiegten. Es bedeutet die tiefsten Erschütterungen der Kindcsseelc, wenn sie das Edle besiegt sieht, und fast alle Kinder haben eine gewisse Scheu vor der Erzählung von Siegfrieds Tod und vor der Leidensgeschichte Jesu. Erst die Gewöhnung an die Ungerechtigkeit des irdischen Lebens stumpft die Empfindsamkeit allmählich ab.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder