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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.03.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-03-08
- Erscheinungsdatum
- 08.03.1910
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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^ 54, 8. März 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 2949 Kaste; ich rief den Menschenverstand zu Hülfe — das half! Nun fragte ich keinen Menschen mehr, als mich selbst, so verlor sich das buntscheckige des Verlages u nahm eine bestimmte Farbe an, die oft angefochten u der öfter ein höherer poli tischer Zweck zur Last gelegt wurde. Nie habe ich mich leiten laßen, und absichtlich diente ich nur meinen Zwecken, die mir gefielen. Und so, in diesem Sinne, habe ich mich über Ihre Briefe gegen Sie ausgesprochen, offen und ehrlich, wie meine Meinung darüber ist. Die Liter. Ehe, wie die bürgerliche, hat viel ähnliches. Ein freundliches Wort, ein milder Blick, ein Druck der Hand, sind hier, wie dort, gleich wohlthuend und ermunternd! Jndeß, ist es bei mir keine Förmlichkeit gewesen, wie Sie vermuthen könnten, sondern meine ehrliche offene Ansicht; womit ich ebensowenig zurück haltend bin, wenn ich meinen Beifall versagen muß; was öfterer geschieht, als Beifall zollen! — Das erste Werk eines Autors mag Mängel haben, das schadet nicht, wenn man die Kraft erkennt, die es geschaffen hat! Das Talent das durch bricht, sich eine Bahn sucht. Ich soll Ihnen sagen, was Sie schaffen mögten? Das geht nicht an. Ihre eigene Neigung wird Ihnen das richtigste Thema bieten. Gewiß besitzen Sie Studien, Skizzen, Cartons, wie die Mahler sie ebenfalls sammeln und aus denen sie Gemählde komponieren. Sie sind so reich an Eigenen Ideen, daß es eine Sünde wäre, sie Ihnen zu bieten. Sollten Sie über das was der Literatur am dinlichsten wäre, mit sich Selbst uneinig seyn, dann rathe ich Ihnen, Gutzkow entscheiden zu laßen. Jeden Abend hockt er auf seinem Sopha und giebt seinen Gedanken Audienz die dann oft die Unverschämtheit haben, mit ihm zu Bette zu gehen, u. die ihn dann nicht schlafen laßen —, dann denkt er über allerlei Dinge nach, heckt Pläne aller Art aus und legt sie für sich u Andere zur Verfügung zurecht, so vollständig, daß nur die Hand fehlt, den Dingen Leben zu geben. Haben Sie etwas druckfertig liegen, bin ich gerne bereit es zu übernehmen; Sie werden sehen, daß ich lebhaftes Jntereße an Ihrer Zukunft genommen habe! Wenn ich von Gutzkows Herzen sprach, so deutete ich auf eine Kälte, die er zu besitzen schien; auf die Angriffe, die er öfter gegen seine Freunde richtete, die mir nicht zu sagen. — Nebenbei mißfiel mir seine Seraphine, die viel natürliche Wahr heit in sich trägt, aber auch eine solche Kälte, daß man für keinen Charakter Jntereße gewinnt, obgleich sie gut u mit sicherer Hand gezeichnet sind. Alles schien, wie ein gutes Rechenexempel; das kaid stimmt, aber die Wärme, der Sonnen schein, fehlte dem Werke. G. hat seine verdiente Anerkennung noch nicht gefunden, klagen Sie. Was klagen Sie darüber, was er! — Nennen Sie mir doch einen Schriftsteller der 27 Jahr alt, wie er am 1?l März geworden ist, schon seine volle Anerkennung gefunden hätte? Ich kenne keinen, besonders in einer Sphäre, als worin er sich bewegt, der alles scharf anfaßt, die Zahl der Feinde nicht scheut. Von einem zum andern sich wendend. Wie ging es Leßing! Also Geduld! Scheinen will es mir, daß er nicht Ursache, sich zu beklagen hat, denn eine gute Dosis Anerkennung hat er bereits ein caßiert, wer hat unter den Neuern, Unbequemen, etwa mehr? — Im Facultätswißen entscheidet oft schon ein Stückchen Arbeit, aber, großer Gott! auf seinem Felde, wo er von einem zum andern hüpft, unstät hin und her springt, da ist es schwerer. Die rothe Mütze u Kapuze, gegen den Athanasius, werden eben dort finden. Dieser Kampf kann große Folgen haben Und Gutzkow kann noch Entschiedenes darin leisten. Ich besitze von Görres ein Atheistisches Mspt, 30 Jahr alt »der Fall der Religion« — das ist ein Arsenal, aus dem man schöne Waffen gegen ihn sich hohlen kann, und damit kann u soll er bedient werden. Um Gutzkow eine beßere Polemik zu sichern, ließen wir einen Zeitungsartikel los, worin wir ihn fGörresj auf diesen alten Blumenstrauß riechen ließen — und verehrten wir ihm einige Vergißmeinnicht daraus. — Dieses Werk 104 Seiten in 4° ist eine geistvolle Arbeit, fast das Beste was Görres geschrieben hat. Im Telegr. Nr. 55 finden Sie ein Manifest gegen Mundt Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang. und seinen Anhang. Der Landfrieden ist also auch nun hier zerstört. Wie ich Ihnen andeutete, Ihre Briefe könnten der Kleinen Neid gegen ihn waffnen — ich glaube das es der Fall gewesen ist. — Wienbarg lebt hier, er hat ebenfalls seinen Dunstkreis. Es ist immer ein Mißgeschick, wenn bei dem Stande der Literatur, Leute sich der Quere kommen. G. steht frei von Gefühlen gegen W. — läßt jeden gewähren; wer ihm zu nahe käme, würde bedient. Ich aber, als unparteiischer Zeuge, stehe zwischen den Partheien, muß vermöge meiner Stellung mit Allen verkehren — ich bekomme Uebersichten des Terrains. G. ist klug, er wird wißen, was er zu thun u zu laßen u so dürfen wir der Entwicklung ruhig u mit Zuversicht entgegen sehen. Daß sein Brief liegen blieb, sagte ich ihm nicht, ich schäme mich eines solchen Bekenntnißes. Leben Sie wohl und behalten Sie mich in freundlichem Andenken! Der Ihrige Julius Campe. O die gute alte Zeit! möchte man diesem Brief gegenüber rufen, in der ein rühriger Geschäftsmann noch Zeit zu so aus- führlichen eigenhändigen Mitteilungen hatte und in der eine Zeit schrift bei einem Preise von sechs Talern für die 203 achtseitigen Nummern des Jahrgangs von allerdings dürftiger Ausstattung mit einem Absatz von 500 Exemplaren die Ansprüche des Verlegers und natürlich auch des Redakteurs erfüllte! Jungs Büchlein muß in der Tat auf den Verleger einen besonderen Eindruck gemacht haben, daß dieser sich nach so kurzer nur erst literarischer Bekannt schaft mit dem Verfasser zu solchen Konfessionen ganz persönlicher Natur bewogen sah. Das Bild Campes selbst tritt daraus in kräftigen Zügen eines zielbewußten Selfmademan hervor, und ebenso sym pathisch das Bild seines Ratgebers Gutzkow, der in dieser ersten Zeit mit dem Verleger aufs engste befreundet war. Allzulange dauerte dieser glückliche Zustand allerdings nicht. Bald war auch zwischen diesen beiden Männern, die dem Campeschen Brief zufolge so trefflich zueinander zu stimmen schienen, die heftigste Fehde entbrannt; um so wertvoller aber ist jenes Zeugnis für Gutzkow. Unter denJdeen, die derHerausgeberdes »Telegraph« nach der humo ristischen Schilderung seines Verlegers in abendlichen Erholungs stunden auf seinem Sofa ausheckte, mochte auch der Plan zu einem »Jahrbuch der Literatur« gewesen sein, das für 1839 zustande kam und Heines »Schwabenspiegel« in der von der Zensur verstümmelten Form veröffentlichte, wofür Heine bekanntlich nicht nur Campe, sondern auch Gutzkow und dessen Mitarbeiter Ludwig Wihl in völlig ungerechtfertigter Weise verantwortlich machte; denn wenn auch Gutzkow dem Verleger zur Gewinnung geeigneter Beiträge seine literarischen Verbindungen zur Verfügung stellte und viel fach die nötige Korrespondenz für ihn besorgte, blieb doch die Sorge der Herausgabe Campe allein überlassen. Ein zweiter Band dieses Jahrbuchs war geplant; Gutzkow hatte auch dieser- halb schon alle Welt in Bewegung gesetzt; war es nun die uner- qrückliche Polemik, die der erste Band zurFolge gehabt hatte, oder der unter Erwarten gebliebene Erfolg, der dem Verleger die Lust daran verdorben hatte —, kurz, der zweite Band erschien nicht, und Gutzkow kam daher denvon ihm berufenen Mitarbeitern gegenüber in eine höchst unangenehme Lage. Offenbar um Heine zu versöhnen, hatte Campe ferner Gutzkows Börnebiographie, die er zum Verlag angenommen, ungebührlich lange zurückgehalten, um Heines Schrift über Börne den Vortritt zu lassen. Dieses und anderes verursachte schon 1839 einen völligen Bruch zwischen Campe und Gutzkow, und wie der letztere in seinen Urteilen über diesen Verleger später oft genug das richtige Maß überschritten hat, so dürften sich auch von Campe über Gutzkow Urteile finden, die wesentlich anders lauten, als die Freundesworte in dem obigen Brief, der aber darum nur um so gewichtiger erscheint. Auch Gutzkows Uberreichtum an Ideen verlegerischer und literarischer Art tritt darin vorteilhaft hervor, scheint doch Campe selbst darüber Helle Bewunderung zu hegen. Der obige Brief läßt uns auch etwas hinter die Kulissen der »Telegraph«-Journalistik schauen. Gutzkow hatte dem neuen Hamburger Jahrgang seiner Zeitschrift eine besondere Geltung zu geben gewußt, indem er in der Kölner Sache, in dem Streit zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staate um die gemischten Ehen und weiterhin um den Vorrang der kirchlichen oder staatlichen Gesetze, dem Anfang des späteren Kulturkampfes, 382
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