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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.04.1916
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- 1916-04-13
- Erscheinungsdatum
- 13.04.1916
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-V 88, 13, April 1916. Redaktioneller Teil. Wesen sein, daß die anglistischen Studien in Deutschland über haupt erst im Werden begriffen waren und solche Bücher noch außerordentlich geringe Abnahme fanden. Daß meine Sonett-Studien irgendwelche Wirkungen gehabt haben, habe ich nicht bemerkt, weil niemand sich die Mühe nahm, mein philologisches Material kennen zu lernen: na türlich, wer kann denn 400 Stellen in den 40 Dichtungen Shaksperes aufsuchen? Gleich im nächsten (20.) Jahrbuch hatte ich den Beweis: der Engländer Thler zitterte meine Arbeit und entwickelte im Anschluß daran (mit einer jener unbegrenzten geistigen Möglichkeiten, wie sie im Lande des Nebels immer hei mischer geworden sind), daß die Geliebte Shaksperes, eine Mary Fttton, in den letzten Jahren des Jahrhunderts am Hofe der Elisabeth gelebt habe. Ein von mir hochgeschätzter deutscher Dozent, der mit mir auf Grund meiner neuen Forschungsmethode in Verbindung trat, legte sich dann doch in einer eigenen Arbeit auf den Grafen Southampton als Shaksperes Freund fest, so daß die Freundschafts-Sonette fünf Jahre später geschrieben sein mußten, als ich nachgewiesen hatte, zu welchem Schluß er kaum gekommen sein könnte, wenn er mein Stellen-Material gekannt hätte. Ich habe dann aus Verdruß die ganze Frage aus meinem Geiste dauernd entlassen und mich um nichts mehr gekümmert, was über die Sonette geschrieben worden ist. Wenn wir die unzweifelhaft richtige Behauptung aufstellen, daß die deutsche Wissenschaft höher steht als die jedes anderen Volkes, so liegt darin ausgesprochen, daß unsere wis senschaftliche Literatur einen Umfang, eine Fülle, eine Vielseitigkeit und vor allem einen geistigen Gehalt aufweist, die anderswo nicht erreicht sind. Woher kommt das? — Na türlich von der hervorragenden geistigen Begabung unseres Volkes, die freilich, wie bei einem andern, früher uns nahestehen den Volke, im Materialismus hätte ertränkt werden können, und daher zuallererst von dem dem Germanentum angeborenen Idealismus. Der deutsche Gelehrte ist der Sache, die er er forschte und aufklären wollte, und war sie noch so bescheiden, immer mehr hingegeben gewesen, als seinem persönlichen Erfolg oder seinem Vorteil. Nach dem ersten hat er im Eifer seines For- schens meist gar nicht gefragt, und das Honorar ist ihm neben dem Ehrgeiz, der Wissenschaft zu dienen, immer Nebensache gewesen: es sind eine Masse von Arbeiten nicht bloß Honorarlos, sondern sogar auf Kosten des Forschers veröffentlicht worden. Aber diese hohe Stufe der Wissenschaftlichkeit, das heißt: — weil Wissenschaftlichkeit Wahrheitsliebe ist — die höchste Er rungenschaft der Kultur überhaupt, hätte nicht erreicht werden können, wenn der germanische Idealismus nicht auch eine der bewegenden Kräfte des deutschen Buchhandels gewesen wäre. Wie hätte die kolossale Fülle des deutschen Büchervorrats zu stande kommen können, wenn der deutsche Verleger so einseitig gedacht hätte wie der englische! Der denkt eben: ich verlege, was mir Gewinn verspricht; Idealismus ist überhaupt Unsinn, und nun gar im Geschäft vollendete Albernheit; und die höchste Kulturstufe ist mir höchst gleichgültig, wenn sie nur durch die Verringerung meiner Einnahmen erreicht werden kann. Dem gegenüber kenne ich persönlich Fälle, wo deutsche Verleger Werke junger Schriftsteller, selbst wenn sie gegen herrschende Richtungen auftraten, aus persönlichem Interesse an der Sache selbst und ohne Rücksicht auf wahrscheinliche Verluste haben drucken lassen. Be kannt ist, daß eine stattliche Anzahl von Verlegern — die von mir genannten gehören zum großen Teil dazu — umfassende Wissenschaftsgebiete bearbeiten lassen oder wissenschaftliche Sam melwerke herausbringen, die sehr viel kosten und bei der falschen Sparsamkeit des deutschen Publikums wenig einbringen, weil sie eben in der Ehre, die solche Leistungen der Wissenschaft brin gen, die Ehre ihres Verlages sehen. Das ist Idealismus, freilich ein praktischer; aber ein anderer sollte nicht in den Tag hinaus treten, sondern im Innern der Seele leben. Natürlich wäre es Torheit, wenn ein mangelhaft fundierter Verlag sich durch solche Werke zugrunde richten wollte; Geld gehört eben dazu, und es könnte auch ein reicher Verlag nicht bestehen, wenn er aus schließlich derartige Werke herausgeben wollte, der Ausfall muß durch weniger kostspielige und gangbarere Veröffentlichungen ausgeglichen werden. Der Idealismus der deutschen Verleger besteht eben darin, daß sie um der wissenschaftlichen Ehre des Verlags willen mit einem geringen oder gar keinem Verdienst in vielen Fällen zufrieden sind. Diesen Idealismus haben du englischen Verleger nicht, und die Folge davon ist, daß die große Gebiete zusammenfossenden wissenschaftlichen Werke dort sehr viel spärlicher vertreten sind als bei uns; am relativ zahl reichsten sind sie auf literarhistorischem, historischem und sprach wissenschaftlichem Gebiete, aber die andern Wissenschaften sind außerordentlich arm an ihnen. Es gibt allerdings in England Werke von phänomenalem Umfang und einer Bedeutung, wie wir sie nicht besitzen. Ich denke vor allem an das 8ov Log-Iisli viotionar^, ein Riesenwerk, auf zehn gewaltige Quartbände berechnet von dreigespaltenen, mit kleinem Druck bedeckten Seiten, und nicht bloß auf gedrucktes, sondern auch aus handschriftliches Material ältester Zeiten gegrün det. Es ist für den Philologen ja wundervoll, wenn er vor jedem der massenhaften Beispiele die fettgedruckte Jahreszahl seiner Niederschrift liest, wenn er so eine historisch-authentischeFamilien- chronik jedes Wortes vor sich hat und erfahren kann, von wann bis wann eine heute längst abgestorbene Bedeutung gelebt hat; wenn er z. B. die interessante Entdeckung machen kann, daß die berühmte Deklamation des Schauspielers im Hamlet aus jenem alten Drama von einfältig ehrlichem, aber würdigem Stil, das nur einmal aufgeführt wurde, weil es »Kaviar fiir das Volk« war, von Shakspere in bewußt altertümelnder Sprache gehalten ist und viel fach Wörter verwendet, die zu seiner Zeit schon ver altet waren. Das ist großartig, und wir haben ihm nichts an die Seite zu stellen; es ist wahrhaftig echt deutsch, daß wir auf Staatskosten ein Lexikon der lateinischen Sprache schaffen, ehe wir ein solches Werk über die deutsche Sprache fertig be sitzen. Ein anderes hervorragendes Werk ist die kambriässs Uistorz- ok Lnglisb latoraturo. Es ist keine zusammenhängende Geschichte, sondern besteht aus kleinen Monographien der ver schiedensten Gelehrten über alle Literaturgebiete, die nach den einzelnen Literaturperioden gesondert behandelt werden. Die Bedeutung der 13 Lexikonbände besteht in der literarhistorischen Kleinsorschung über jede literarische Gattung in jeder Phase der Literaturentwicklung. — Aber — diese Werke, von denen das erste mit seinen Hunderten von Mitarbeitern Millionen kostet, fallen keinem privaten Verlage zur Last; die Mittel liefern die beiden Universitäten Oxford und Cambridge, die durch die seit Jahrhunderten üblichen Land- und Geldschenkungen ihrer vor nehmen Zöglinge unermeßlich reich geworden sind. Sie er scheinen in den beiden offiziellen Druckanstalten dieser Universi täten, der Llarenäon kross und der Oambrickgs Universitx kross. Ich denke hier, bei den umfangreichen Veröffentlichungen, selbstverständlich nicht an die Sammlungen von Einzelwerken oder Gesmntausgaben hervorragender Dichter und Schriftsteller. Das wohlverstandene materielle Interesse der englischen Verleger hat solche Sammlungen von klassischen Werken schon im 18. Jahr hundert geschaffen, und heute können wir beliebte Dichtungen in Bänden zu 1, 11/^, 2, 2s^ und 3 Schillingen je nach dem Stande unserer Finanzkraft erstehen. Der deutsche Buchhandel ist ihnen hierin verspätet nachgekommen, steht aber heute ihnen gleich hinsichtlich des Umfanges seiner Darbietungen und über ragt sie hinsichtlich ihres Wertes. Die englischen Bücher dieser Art sind meist reine Textausgaben, also billigster Herstellung, während die deutschen vielfach literarhistorische Einleitungen und öfters noch Anmerkungen haben. In manchen dieser deutschen Sammlungen zeigt sich ein Verleger- und Gelehrten-Jdealismus, den wir in den englischen durchaus vermissen. So enthält die billige alte Hempel-Bibliothek die besten Lessing- und Goethe- Ausgaben, die wir besitzen, obgleich sie in der literarischen Einzel forschung natürlich nicht mehr aktuell sind: die umfangreichen, tiefdringenden Einleitungen sowie der gelehrte sachliche und text kritische Kommentar rühren von den hervorragendsten Lessing- und Goethe-Kennern her. Ein neuestes Unternehmen dieser Art von ge wiß bedeutendem finanziellen Risiko ist das bei Eugen Diederichs erscheinende »Zeitalter der Renaissance. Quellen zur Geschichte der italienischen Kultur«; es sind Übersetzungen von historischen, philosophischen Schriften, Tagebüchern, Briefwechseln, die man 42?
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