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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.01.1910
- Strukturtyp
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- 1910-01-28
- Erscheinungsdatum
- 28.01.1910
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 22, 28. Januar 1910. (Or. Wolffson) den Buchhandel, der in geschlossenen Läden betrieben wird, von jeder Fessel frei zu lassen. Und nun sollen wir, die Freie und Hansestadt Hamburg, (Heiterkeit) diese reichsgesetzlichen Be stimmungen dahin ergänzen resp. korrigieren, daß wir nun auch dem Buchhandel, also gerade dem Gewerbebetrieb, der vor allem der Kultur und der Förderung des Menschen auf geistigem Ge biete dient, ebenfalls Fesseln anlegen, Fesseln, von denen ihn die Reichsgesetzgebung befreit hat! Ich muß nun noch einige Worte — ich werde mich mög- lichst kurz fassen — über die uns weiter vorliegenden Anträge sagen. Uber den Philippischen Antrag habe ich mich schon ge äußert; nach meinen Anschauungen stimme ich demselben selbst verständlich zu. 1),-. Popert und Genossen haben einen Antrag gestellt, der offenbar für den Fall der Ablehnung des Ausschuß antrages gestellt sein soll. (v,-. Popert: Als Amendement ist er gedacht!) Das ist nicht möglich. Sie haben als Berichterstatter selbst erklärt, daß der Ausschußantrag aufrecht erhalten werden soll. Soll der Ausschußantrag zurückgezogen werden? (Zuruf.) Dann handelt es sich offenbar um einen Antrag, der von den Herren für den Fall der Ablehnung der Ausschußanträge gestellt ist. Uber diesen Antrag habe ich folgendes zu bemerken. Der Antrag ist natürlich, wenn der Ausschußantrag gesetzlich unzulässig ist, ebenso unzulässig. Der Antrag bringt ferner auch in bezug auf das materielle Recht, worauf es mir vor allem ankommt, keine Abweichung von dem Ausschußantrage. Alles, wogegen ich mich bisher gewendet habe, bleibt auch bei dem Anträge, den die Herren vr. Popert und Genossen gestellt haben, bestehen. Der Antrag hat nur eine Abweichung, — vielleicht einen Vorzug, — daß er an stelle der Polizeibeamten einen bürgerschaftlichen Ausschuß setzt, daß nämlich der Polizei beamte erst in Wirksamkeit treten soll, wenn der Ausschuß die Frage der Unsittlichkeit bejaht hat. M. H.! Erstens, (wofür ich mich allerdings von meinem Standpunkte aus nicht interessiere) nimmt dieses Amendement dem ganzen Gesetz seine Bedeutung. Ein Polizeigesetz kann nur wirken, wenn es prompt arbeitet. Wenn der Polizeibeamte den Ausschuß zusammenruft, und der Ausschuß das Buch erst lesen muß, (Ruf: Kaufen!) — kaufen muß er es natürlich, um es zu lesen — und es soll dann erst be schlossen werden, ob es verboten werden soll, so hat das Gesetz gar keinen Sinn. Nebenbei bemerkt, wissen wir auch nicht, wie der Ausschuß zusammengesetzt sein wird. Einer Bürgerschaft, die diese Anträge annimmt, traue ich auch zu, daß sie den Ausschuß in ganz bedenklicherweise zusammensetzt. (Große Heiterkeit.) Der Ausschuß wird möglicher Weise aus Erzphilistern bestehen, die manches sittliche Buch für unsittlich erklären und die Phantasie des Kindes immer als in Gefahr befindlich betrachten. — Aber das schlimmste in dem Ausschußantrage ist — und da begreife ich wieder nicht, daß so viele Mitglieder des Ausschusses einen solchen Antrag stellen —, daß er mit unseren Verfassungs- und Verwal tungsgrundsätzen absolut aufräumt. (Heiterkeit.) Wie kommen denn die Antragsteller dazu, zu beantragen, daß ein Außschuß, der in der Verwaltung tätig sein soll, der zur Aufrechterhaltung eines Teils der Straßenordnung gebildet wird, von der Bürgerschaft gewählt werden soll? Kann man sich überhaupt etwas staats rechtlich Merkwürdigeres denken, als einen von der Bürgerschaft gewählten Ausschuß, der § 62 a. der Straßenordnung durchzu führen hat? Ein solcher Antrag ist aus staatsrechtlichen Grund sätzen absolut unannehmbar. Nun ein Wort über den vr. Knauerschen Antrag, über den ich mich am meisten geärgert habe. (Heiterkeit.) Herr vr. Knauer und seine Freunde beantragen die Zurückverweifung an einen zu verstärkenden Ausschuß. Wollen die Herren damit sagen, daß sie von diesem Ausschuß erwarten, daß er besser for mulierte gesetzliche Bestimmungen vorschlägt? Dann könnte man darüber sprechen, ob der Antrag angenommen werden soll! Aber ich glaube, die Herren vr. Knauer und seine Freunde sollten der Überzeugung sein, daß, wenn die Herren, die hinein deputiert werden, auch noch so große Lichter sind, ihnen diese Aufgabe niemals gelingen wird. Man kann eine derartige Krank- heit nicht durch Gesetzesparagraphen heilen; sie muß durch die Bestrebungen der Eltern, vor allem der Lehrer und Lehrerinnen, die zur Ausbildung der Jugend bestimmt sind, geheilt werden. (Sehr richtig!) Mit Gesetzesbestimmungen werden Sie nichts erreichen! Nun hat man mir aber erzählt, daß die Antragsteller etwas anderes wollen, daß sie wünschen, daß der Ausschuß von neuem die rechtliche Zulässigkeit der Anträge prüft. Unter den Antrag stellern befinden sich viele vortreffliche Juristen; im Ausschuß be fand sich nur ein einziger Jurist. Warum sind denn die Antrag steller nicht in der Lage, heute schon zu erklären, ob nach ihrer Ansicht der Ausschußantrog gesetzlich zulässig ist oder nicht? Die Ausschußzimmerluft kann doch die Abgabe dieser Erklärung nicht leichter machen. Diese Erklärung können sie uns selbst geben; wir brauchen sie nicht vom verstärkten Ausschuß zu erwarten. — Aber die Hauptsache ist: Wer diese Anträge nicht will, dem kann es gänzlich gleichgültig bleiben, ob sie noch Reichsrecht zulässig sind oder nicht. Was nützt es, wenn der Ausschuß berichtet: Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß dieAnträge rechtlich zulässig sind«, und wir dann sagen — hoffentlich mit großer Mehrheit —: »Es ist sehr erfreulich, daß wir die Macht haben; aber von der Macht wollen wir keinen Gebrauch machen; denn die Anträge wollen wir unter keinen Umständen zum Beschluß erheben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Antragsteller wirklich bereit sein sollten, einen Gewerbebetrieb, den das Reichsrecht freigelassen hat, in Fesseln zu legen. Daher habe ich die Hoffnung, daß Herr vr. Knauer und seine Freunde den Antrag zurückziehen werden, oder daß mindestens die Bürgerschaft den Antrag ablehnen wird. Der Ausschuß, meine sehr geehrten Herren, hat zweifellos die Absicht gehabt, die Schäden zu bessern. Ich erkenne angesichts des Inhalts des Berichts vollständig an, daß die Vorschläge des Ausschusses einem warmen Interesse für die Jugend entspringen. Aber der Ausschuß hat darin gefehlt, daß er, indem er die, die Seele des Kindes vergiftenden Machwerke treffen wollte, einen Schlag gegen die Literatur, die für gereifte Menschen geschrieben ist, geführt hat; er hat darin gefehlt, daß er, den modernen An schauungen und der heutigen Rechtslage zuwider, die Beschränkung eines freien Gewerbebetriebes vorschlägt; er hat darin gefehlt, daß er einen Kampf, der nur mit den Waffen des Geistes ge führt werden kann, mit einem Polizeigesetz und mit Polizeistrafen führen will, und daß überdies die Formulierung des von ihm beantragten Gesetzes derart ist, daß der Willkür Tür und Tor geöffnet wird. Wenn die Bürgerschaft diese Anträge annehmen würde, so würde sie mit die Grundsätze, die sie bisher hoch ge halten hat, verleugnen. Ich habe die dringende Hoffnung, daß die Bürgerschaft sich nicht selbst untreu werden, und daß sie daher die von mir bekämpften Anträge ablehnen wird. (Bravo!) Pape. Meine sehr geehrten Herren! Die Meinungen der Juristen müssen doch auch auseinandergehen. Wenigstens habe ich von den rechtsgelehrten Mitgliedern meiner Fraktion die vielen formalen juristischen Bedenken gegen unsere Anträge nicht gehört, wenigstens nicht gegen den Prinzipalantrag, den wir gestellt haben. Ich habe ganz besonders die anwesenden Juristen in unserer Fraktion gefragt, ob die Sache juristische Bedenken hätte, (Heiterkeit und Unruhe) und keiner hat darauf juristische Bedenken geäußert. (Zuruf.) Herr vr. Wolffson hat vieles gegen das ausgeführt, was wir beantragt haben. Ich kann ihm — ich glaube das aussprechen zu dürfen — in allen diesen spintisierenden und kari kierenden Jrrgängen, die er meiner Auffassung nach betreten hat, indem er auf die wissenschaftliche Literatur, auf Schillers »Räuber« und auf Lessings »Emilia Galotti« exemplifizierte, nicht folgen. Herr Doktor, daran denkt ja kein Mensch! Das halte ich für eine bewußte und absichtliche Karikierung, die Sie aus der Sache ge macht haben. Sie sprechen von Kautschukbestimmungen! Ja, welche Bestimmung auf diesem Gebiete wäre nicht kautschukartig? Oder wollen Sie mir sagen, daß der Begriff »unzüchtig» in der Rechtsprechung ein- für allemal feststände? Diesen Paragraphen von der Unzüchtigkeit haben Sie uns verlesen, aber die Urteile der verschiedenen gerichtlichen Instanzen gehen darüber weit aus einander. (Sehr richtig!) Das, was sittlich und unsittlich ist, in unseren Anträgen weiter auszuführen, zu definieren und Bei spiele anzuführen, scheint mir gänzlich überflüssige Arbeit zu sein, denn so konkret, daß gar keine Zweifel in der Anwendung solcher gesetzlichen Bestimmungen möglich wären, läßt sich das ja garnicht Herr vr. Wolffson sagt ferner: in eine Straßenordnung gehört nur hinein, was sich auf der Straße abspielt. Ja, ich glaube aber doch, daß in der hamburgischen Straßenordnung Be-
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