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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.01.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-01-28
- Erscheinungsdatum
- 28.01.1910
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- Deutsch
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22, 28. Januar 1910. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1189 den Senat zu ersuchen, an zuständiger Stelle dahin zu wirken, daß zum Zwecke eines besseren Schutzes der Jugend die Bestimmungen der §§ 184 und 184a. und b des Strafgesetzbuches und §§ 56,' ' und 42a der Reichsgewerbe ordnung ergänzt und entsprechend erweitert werden. Und dann noch ein Antrag des Herrn Wolfhagen: Die Bürgerschaf' beschließt und ersucht den Senat um feine Mitgenehmigung, daß folgendes Gesetz erlassen werde: Schriften und Bildwerke dürfen in Schaufenstern oder sonstigen Auslagen an öffentlichen Straßen nicht derart ausgelegt werden, daß sie in sittlicher Beziehung Ärgernis zu geben geeignet sind. Eine Schrift oder ein Bildwerk kann nicht wegen seines politischen und religiösen Charakters als unter diese Be stimmung fallend angesehen werden. Zuwiderhandlungen werden mit einer Geldbuße bis zu 60 ^ oder mit Haftstrafe bis zu 14 Tagen bestraft. In der allgemeinen Beratung erteile ich nunmehr das Wort Herrn Di-. Philippi. Or. Philippi: Meine sehr geehrten Herren! Auf unsere Stellung zu den Zielen der Antragsteller brauche ich nicht ein zugehen. Die ganze Bürgerschaft hat sich, als dieser Gegenstand zum erstenmal verhandelt wurde, mit diesen Zielen einverstanden erklärt, indem sie darein willigte, einen Ausschuß niederzusetzen, der auf Mittel sinnen solle, um den Schäden entgegenzutreten, die bei unserer Jugend durch schlechte Literatur angerichtet werden. Wir haben es jetzt nur mit den Mitteln zu tun, die uns der. Ausschuß vorschlägt. Wir — ich spreche für den überwiegen den Teil meiner Fraktionsgenossen — haben niemals verkannt, daß die dem Ausschuß gestellte Aufgabe eine sehr schwierige war und radikal überhaupt nicht zu lösen ist; daß es sich nur darum handeln konnte, einige Mittel vorzuschlagen, die nützlich sein könnten, um einigermaßen dem Einfluß der schlechten Literatur entgegenzuarbeiten. Aber trotz dieser nur beschränkten Erwartung, die wir hegten, sind wir enttäuscht über die Vorschläge des Aus schusses. Wir können uns, um es kurz zu sagen, deshalb nicht zustimmig erklären, weil der Ausschuß sich viel zu sehr mit Mitteln polizeilicher Repression zu beschäftigen hat und viel zu wenig mit der allerdings mühsamen, aber besseren und dankbareren positiven Gegenarbeit gegen den Einfluß der schlechten Literatur. Daß die Arbeiten des Ausschusses diesen Weg genommen haben, wundert uns, denn eins der Ausschußmitglieder wenigstens hatte sich in der ersten Verhandlung durchaus in unserem Sinne ausgesprochen. Es hatte Herr Krause in der ersten Beratung gesagt, der Herr Präsident wird gestatten, daß ich wenige Worte verlese: »Die Polizeibehörde kann in dieser Frage auch recht wenig tun. Wenn wir die schlechte Literatur wirklich aus der Welt verbannen wollen, dann kann das nicht dadurch geschehen, das hat sie an unzähligen Beispielen erwiesen. Wir werden vor allen Dingen die Schundliteratur nicht durch die Polizei fort bringen können. Das können wir nur selbst«. M. H.! Wir bedauern sehr, daß der Ausschuß sich nicht dieser durchaus richtigen und sehr sympathischen Worte des Herrn Krause mehr erinnert hat; dann würden wir brauchbarere Vor- So wie die Sache gelaufen ist, hat man es augenscheinlich verabsäumt, sich zunächst einen klaren Begriff von dem Umfange, der Wirkungsart und der Ausdehnung der unserer Jugend drohenden schädlichen Einflüsse zu verschaffen, man hat sich durch die Darstellung einiger krassen Fälle zur Entrüstung Hinreißen lassen und hat im Zorn zur Keule der polizeilichen Repression gegriffen, worüber man den Sinn für die dankbare positive Gegenarbeit verloren hat. Wir vermissen in dem Ausschußberichte vor allen Dingen irgendwelche Belege dafür, daß es sich hier um eine sittliche Verwilderung unserer Jugend handelt, die in den letzten Jahren rasch und erheblich gewachsen wäre; wir ver missen ferner Belege dafür, daß die Schäden, die tatsächlich be stehen, überwiegend im Zusammenhang mit dem Einfluß der üblen Literatur stehen. Was in der Einleitung, in seinem allge meinen Teil des Ausschußberichts gebracht wird, das besagt nichts dafür, und die einzelnen Fälle, die uns hier insbesondere auch von Herrn Pape in mündlicher Rede vorgetragen sind, können nicht ohne weiteres verallgemeinert werden; wenn z. B. ein einzelner Junge, dessen Phantasie durch Räubergeschichten über reizt ist, seinen Eltern entläuft, um selbst Räuber zu werden, so kann man dem entgegenhalten, daß auch durch gute Literatur Schade entsteht. So ist es mehrfach vorgekommen, daß Knaben entlaufen sind, um Robinson zu werden, und ich halte den Robinson doch für ein sehr gutes Buch (Zuruf). Jedenfalls sind die Kinder auch dadurch zu Schaden gekommen, eine üble Wirkung ist das doch immer. Nun, m. H., um eine allgemeine Übersicht zu ermöglichen, habe ich die Statistik des Reichsjustizamtes zu Rate gezogen, und ich kann, ohneZahlen zu nennen, die ja nicht imGedächtnis bleiben und die jedermann Nachsehen kann, wenn er Interesse dafür hat, das Folgende mitteilen: Die Statistik geht bis zum Schlüsse des Jahres 1907 — weiter ist sie noch nicht bearbeitet. — Nach ihr hat in dem Jahrzehnt von 1898 bis 1907 die Kriminalität der Jugendlichen also der Personen im Alter von 12 bis 18Jahren — in ganz Deutschland nicht zugenommen, und sie hat auch nicht in sehr erheblichem Unterschiede geschwankt. Im Jahre 1907 ist sie eine Kleinigkeit geringer gewesen, als im Jahre 1898. Uber die Kriminalität der Jugendlichen in Hamburg gibt es eine separate Aufstellung leider nicht, aber die allge meine Kriminalität ist in unserer Stadt in diesem Jahrzehnt, 1898 bis 1907, ebenfalls nicht gewachsen. Sie schwankt im ganzen Jahrzehnt hindurch um die Zahl von 1500 auf 100 000 (oder von 150 auf 10 000, um nachher vergleichen zu können), und ist im Jahre 1907: 146. Schon diese wenigen Zahlen, meine ich, er geben, daß wir es mit einem Schaden, der in den letzten Jahren stark angewachsen wäre, nicht zu tun haben, womit natürlich nicht geleugnet werden soll, daß ein Schaden, ein sehr erheblicher, bedauerlicher Schaden an sich besteht. Dann ergibt die Statistik, wenn Sie sie weiter betrachten, noch einen sehr bemerkenswerten Umstand: die Kriminalität von 146 zu 10 000 in unserer Stadt ist im Verhältnis zu der Kriminalität anderer Bezirke, und be sonders auch der ländlichen Bezirke, keine sehr große. (Sehr rich tig!) Wenn z. B. aus dem flachen Lande, z. B. in Bayern — flaches Land ist ja allerdings in Bayern nicht, sondern es ist ge birgiges Land —, wenn man aber von den stadtlosen Bezirken Bayerns die Kriminalität nachschlägt, dann sind da eine große Anzahl Bezirke, wie Aibling, Regen und idyllisch gelegene Gegen den, wie Berchtesgaden, vorhanden, die eine Kriminalität von 200 und bedeutend mehr haben. Woher kommt dieser Unter schied? (vr. Blunck: Alles von der schlechten Lektüre!) Die Be völkerung dieses Landes wird doch nicht durch schlechte Lektüre verführt, die ihr in Schaufenstern angeboten wird. Die Jugend dieser Gegenden entbehrt auch nicht einer eindringlichen Kontrolle abseiten der katholischen Geistlichkeit, die besonders auf verbotene Bücher und verbotene Gedanken zu achten pflegt. Also, woher kommt die starke Kriminalität in diesen ländlichen Bezirken gegen über der Großstadt, wo die Versuchung doch viel größer ist und verdorbene Elemente zusammenströmen? Ich glaube nicht, daß jemand einen anderen Grund wird finden können, als den Unter schied in dem Bildungsniveau in unserer Stadt und dem Bil dungsniveau der Landbevölkerung der von mir genannten Gegen den. Daraus schließe ich, daß der erste Vorkämpfer gegen den Einfluß der schlechten Lektüre und gegen die Verwilderung der Sitten nicht die Polizei ist, die sie auch dort haben, sondern unsere Schullehrer und jeder, der sich um die Bildung der Be völkerung bemüht! (Sehr richtig!) Und ich sage das, um dar zutun, daß wir uns hier mehr zu beschäftigen haben mit Maß regeln, die dazu dienen, die Bildung und die Erziehung unserer Jugend zu heben, als mit polizeilichen Repressalien. Ich will das besonders geltend machen, damit nicht später Herrn vi-. Wolff- son und mir gesagt werden kann: Sie kennen diese Verhältnisse nicht, Sie wohnen in Harvestehude, Sie wissen nicht, wie es im Hammbrook und den Gängevierteln zugeht; da kann man nicht mit geistigen Waffen kämpfen, da muß man, wie Herr Pape sagt: »Jäten«. Wir sprechen nicht aus der Theorie heraus, sondern wir sprechen aus der Erfahrung, daß es gerade die Erziehung, die Bildung ist, die dem verderblichen Einfluß mit Erfolg entgegen wirkt; nicht polizeiliche Maßregeln, und deshalb ist es sehr be dauerlich nach unserer Ansicht, daß der Ausschuß in seinem Be richt sich mit der positiven Gegenarbeit gegen den üblen Einfluß, 155
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