Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.04.1927
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1927-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1927
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19270430
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192704307
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19270430
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1927
- Monat1927-04
- Tag1927-04-30
- Monat1927-04
- Jahr1927
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
X- lOO. 30. Aprll 1927. Redaktioneller Tell. mit ihm auseinandevzusetzen, um zurückzufinden zu den verschütte ten Quellen metaphysischer Wahrheit, die einen ganz anderen Be- wußtseinszustand erfordert als den uns geläufigen, nämlich den Glauben an di« Wirklichkeit der Bilder. Das Erosproblem, heute von geschäftigen Aposteln mißdeutet zum Zwecke einer Verführung zum falschen Lebertskultus, läßt sich nur aus der Erkenntnis der antiken Lebenskulte lösen und in seiner letzten Tiefe erfassen, um alsdann für das irrend« Suchen einer ahnungsvollen Menschheit zum über alles Nebulöse hinausragenden Sinn zu werden; ein Buch also, das zum Zukunftsweiser berufen, ist wie alle die vor genannten. Dies ist die Auswahl vom Standpunkt nicht eines Literar historikers, sondern eines Philosophen, dem nichts ferner liegt als die Welt des Materialismus, der aber ebenso fest daran glaubt, daß Deutschland als erstes unter allen Völkern diese Widcrwelt des Geistes am ehesten überwinden und von sich stoßen wird, um ganz dem Geist zu dienen. Kennwort: »Der Autor ist mir der liebste, in dem ich meine Welt wieder- sinde . . . .« (Weither.) Herbert Brion, Frciberg (Sachsen). 1. Immer mann: Ober Hof. 2. Heine: Gedichte. 3. Schopenhauer: Die Welt als Wille und Vor stellung. 4. Mommsen: Römische Geschichte. 5. Hebbel:Dram«n,mitAuswahlausdenTage- büchern. 6. Nietzsche: Zarathustra. 7. Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. 8. C. F. Me yer: N o v« l len. 9. Hauptmann: Dramen (Versunken« Glocke, Die Weber, Hanneles Himmelfahrt). 10. Spitteler: Olympischer Frühling. 11. Stefan George: Der siebente Ring. 12. Löns: Mein braunes Buch. Begründung. Di« deutsch« Literatur der drei letzten Menschenalter wendet sich an die Gebildeten und verlangt ihr Urteil. Der Kritiker ist dem Bergmann zu vergleichen, der das edle Metall von dem min der wertvollen und dem tauben Gestein zu trennen hat. Der Kritiker kann dabei natürlich nicht aus sich heraus. Seine Kennt nis wie sein Werturteil sind subjektiv. Er hat sich seine geistige Welt gebaut, die seinem individuellen Gesetz Rechnung trägt. Das gilt von dem in Frage stehenden Zeitabschnitt in besonderer Weise, denn gerade er hat den allmählichen Zerfall jeder geistigen Norm gebracht. Me gestellt« Aufgabe verlangt eine Antwort auf die Frage, ob sich trotzdem in der gebildeten Welt allgemein Wert volles findet, geometrisch gesprochen, ob jene geistigen Einzelkreise, die aus dieser Entwicklung hervorgegangen sind, «in gemeinsames Gebiet überdecken, das entweder allen angrhört, oder doch wenig stens allen angehören sollt«. Zum Beispiel könnten einzelne über legene Geister in großer Universalität viele Einzelströmungen auf ihre Person 'vereinigen. Tatsächlich ist Friedrich Nietzsche, schon als der Mann, der das Prinzip des Individualismus auf den Schild erhoben hat, der Repräsentant 'des zu untersuchenden Zeit abschnittes. Unter den genannten Autoren sind Hebbel, Spitteler, Bismarck und Löns als Geistesverwandt« anzusprechen. Daneben verdient jedoch noch sine große Zahl mittlerer Begabungen ge hört zu werden, die sich nicht auf «ine Formel bringen lassen. Darum steht in der angegebenen Liste manches Buch als primus ivtor pures; beispielsweise Jmmermann für Otto Ludwig, für Gottfried Keller und Storni. So vertritt auch -Der siebente Ring» den Kreis der Blätter für die Kunst. Nach der einleitenden Betrachtung über den vorliegenden Stoff ist zu untersuchen, nach welchen Gesichtspunkten eine Haus bücherei aufzubauen ist. Die Anregung, die von diesen Büchern ausgehen soll, muß möglichst vielseitig sein. Wer sich auf ein« Ge schmacksrichtung festlegt, der hat nach der kleinsten Wandlung soo keine Freude mehr an seinen eigenen Büchern. Auch darf die Bücherei nicht nur schwere geistige Kost enthalten. Denn sie wird in Stunden der Ermüdung und Krankheit in Anspruch genommen. Und doch müssen die Bücher so gehaltvoll sein, daß sie durch wiederholte Lektüre nichts in ihrem Wert einbüßen. Auch sollten sie sich zu gemeinsamem Lesen eignen. Allen diesen Anforde rungen genügen sie, wenn sie nach zwei Gesichtspunkten ausge wählt sind. 1. Ein Buch muß sich lesen und verstehen lassen; es muß sich seines künstlerischen Materials, der Sprache, in vollendeter Weise bedienen. Denn davon hängt der Kontakt zwischen Autor und Leser ab. 2. Der gedankliche Gehalt muß sich mit der stilistischen Form zu jener geheimnisvollen Einheit verbinden, die ein wahres Kunst werk stets aufweist. Die Trennung in Form und Inhalt hat immer etwas Gequältes. Und das Kunstwerk ist das größte, vor dem wir an dies« Trennung nicht mehr denken. Doch hin und wieder drängt sie sich auf. Hier sollen zwei Grenztypen, zwischen denen sich die genannten Bücher bewegen, angegeben werden. Einmal Hebbel, bei dem der Gehalt die künstlerische Form über ragt, und dann George, bei dem wiederum die Form überbetont ist. Künstlerisch am vollendetsten ist Karl Spitteler in seinem -Olympischen Frühling». Zu diesen beiden Gesichtspunkten, Form und Gehalt, kommt als dritter der historische. Er liegt schon darin, daß, während wir auswählen, wir ein« ganz bestimmte Zeit an uns vorüber ziehen lassen. Auch wenn es sich nicht um -Gedanken und Er innerungen» handelt, lesen 'wir in einem Buch etwas über Wesen und Schicksal, über den »Dämon- und die -Tyche» des Verfassers. So wird dem Historiker Mommsen der Vorwurf gemacht, daß er zuviel von seinem Liberalismus in die »römische Geschichte» hinein gesehen hat. Der künstlerische Wert steigt darum, weil der Mensch Mommsen nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen geschrieben hat. Und darum ist seine Art der objektiven Art Rankes vorzuziehen. Es soll hier nicht an literarhistorische Kennt nisse appelliert werden, also etwa daß Gerhart Hauptmanns Dramen dem Naturalismus angehören. Vielmehr soll der Leser bei Hauptmanns Würdigung den spontanen Eindruck, den eine solche Geisteshaltung macht, nicht außer acht lassen, wie er ebenso den religiösen Grundzug im Wesen C. F. Meyers auf sich wirken lassen wird. Der unmittelbare Eindruck von der Persönlichkeit ist es also, 'der hier eine Rolle spielt, der z. B. verbietet, etwa Anthologien oder literarhistorische Werke unter di« 12 Bücher auf zunehmen, denn Anthologien bieten einen Mischmasch, und Literar historiker sind Autoren zweiter Hand. Was sollen nun diese aus dem breiten Fluß geistiger Produk tion herausgehobenen Individualitäten den Gebildeten leisten? Sie sollen geistig« Tradition schaffen, die Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft verknüpft. Und unter »gebildet- sind diejenigen gemeint, die in einer lebendigen geistigen Tradition drinstehen. Neben dieser historischen wäre noch eine literarische und philosophische Definition für Bildung möglich. Man kann von einem Organ für dichterische Gestaltung und dichterischen Geist sprechen und man kann mit Paul de Lagarde sagen, Bildung be sitzen heißt: »Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden». Dickst Fähigkeit ist selten, aber sie ist der Sauerteig im Geistes leben eines Volkes. Sie findet sich vom beschränktesten bis zum allgemeinsten Gebiet geistiger Betätigung. Prinzipiell sollten sich all«, die über sie verfügen, aus einer gemeinsamen Basis treffen können. Und zwar ist es hauptsächlich der Dichter, her alle Ge bildeten als Zuhörer um sich sammeln darf. Historiker und Philo soph wenden sich schon an speziellere Kreise. Bringen doch mapche Beruf« eine ahistorische Einstellung von ihrer Arbeit her mit, z. B. Juristen und Ingenieure. Andrerseits haben die Frauen selten Freude an der philosophischen Abstraktion. Und doch kommt es gerade darauf an, alle, die am gemeinsamen Geistesleben des Volkes teil haben, zu erfassen. Es entscheidet über den Wert oder Unwert der getroffenen Buchauswahl, wie weit sie in di« Nähe dieser Herzkammer des deutschen Geistes gelangt ist, tatsächlich aber in einem idealen Sinn.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder