4188 100, 30. April 1927. Fertige und Künftig erscheinende Bücher. Bvrsen-latt f. d. Dtschn. Buchhandel. Die Stammeskunde deutscher Stämme! höre, man schüttelt in modern literarischen Rreisen den Ropf über ^ meine „romantische" Neigung, sich verlegerisch fast nur mir -er Ver gangenheit zu befassen, statt modernes Leben zu führen, wie ich es früher getan hätte. Darauf möchte ich öffentlich antworten. Als ich den Volkheitgedanken seit Thule verlcgerisch -urchzuführen anfing, tat ich es instinktiv unbe wußt. Jetzt wo ich nachträglich die logische Ronsequen; meines Tuns ziehe, empfinde ich etwas Lebensgesttzliches in ihm. Nämlich, ich bin aktueller wie die heutige Moderne, ich bereite die kommenden Bin dungen vor, um deren Erfassen die Moderne sich zwar bemüht, die sie aber nicht schaffen kann, weil sie zu subjektivistisch eingestellt ist. Genau wie Gogarten im Protestantismus wieder die Forderungen des Absoluten, genannt „Gott", gegenüber dem romantisch-liberalen Jesubild wieder her stellt, har das geschichtliche Erkennen wieder Raumverbindung zwischen dem Menschen und den großen Schicksalsgesetzen zu schaffen, die über das Einzel-ich hinaus die Menschheit angehen. Der „Deutsche Sagenschatz", seit einem Jahr „Stammeskunde" genannt, sucht den deutschen primitiven Menschen aus fragmentarischen Über bleibseln -es Volksglaubens für unser Erkennen zu formen, er sucht das werden der deutschen Volksseele aus dem Bauerntum, aus Landschaft und Rasse bildhaft sichtbar zu machen. «ßZ^s bedeutet eine deutliche Bewußtwerdung -es Stammesgefühls der deutschen Volksstämme mit der realen Zukunftsaufgabe, -aß sich durch dieses Sichbewußtwerden seiner Eigentümlichkeit die geistige Leistung jedes einzelnen Stammes steigert und die übergeordnete Idee einer poli tischen Gestaltung Deutschlands auf föderalistischer Grundlage im Gegensatz zu einseitiger Zentralisation in der Rcichshauptstadt sich in Wirklichkeit übersetzt. wir sind z. B. nie fähig, uns mit (Österreich zu verschmelzen, ehe nicht Deutschland in natürliche „Landschaften" (Provinzen ist ein römischer Ausdruck), die über die zufällig politischen Grenzen hinausgehen, eingeteilt ist. Der ganze jetzige Streit zwischen Hamburg und Preußen wäre hin fällig, wenn es ein Niedersachsen gäbe. Die jetzt parlamentarisch un möglichen Staaten Thüringen und Sachsen wären möglich, wenn noch ihre alten Stammesgrenzen mit dem nötigen Bauernland beständen, so -aß -er Unstrutbogen mit Erfurt zu Thüringen gehört und das alte Thur- iachsenland zwischen Elbe und Saale zu Sachsen. Diese politische Entwicklung -es künftigen Deutschlands bereitet die „Deutsche Stammeskunde" als frühe geistige Zelle vor. Jeder Sagen- band hält sich nicht an das heutige politische Gebiet, er umfaßt das Stammesgebiet. Das ist in -er Sagenliteratur etwas ganz Neues.