Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1927
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- 1927-05-06
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^ 106, 7. Mai 1927. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. hätten. Die Fälle, die hier in Frage kommen, sind, so bedauerlich sie sein mögen, allzu wenig zahlreich, als das; inan aus ihre Be rücksichtigung ein allgemeines Gesetz ansbauen könnte. Hier ^ helfen, ist Sache der Allgemeinheit, und es bleibt eine Schande für ein gaiMs Volk, wenn die Nachkommen seiner großen Männer darben müssen. Im allgemeinen ist di« Frist von 30 Jahren nach dem Tode des Urhebers sicher ausreichend, damit seine Kinder voll versorgt sind, sofern sie überhaupt noch am Leben weilen. Die Enkel in einem Verlagsrecht zu schützen, liegt aber kein hin reichender Grund vor. Welcher Autor würde, vor die Frage ge stellt, ob er es vorziehe, daß seine späteren Nachkommen eine höchst wahrscheinlich geringe Einnahme aus einem Werk beziehen oder daß dieses in Hunderttausenden von Abdrucken oder doch zum mindesten in Zehntausenden der Allgemeinheit zugängig gemacht tverden soll, die Versorgung der Nachkommenschaft vorziehen? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Befürworter der verlängerten Schutzfrist die idealistische Neigung des Autors, auch nach seinem Tode Widerhall im Geist und im Herzen seiner Mitmenschen zu finden, allzu gering einschätzen. Wie schlimm liegt es auch in den gar nicht seltenen Fällen, wenn die Werke eines bedeutenden Autors bei einem untüchtigen Verlage ruhen, der nichts für sie tut oder der sie gar schlecht ediert, wie dies bei einer Originalausgabe der Fall war, die immer und immer wieder mit insgesamt 1500 mehr oder weniger schweren Fehlern -im Text -herausgebracht -wurde. Auch die Werke eines anderen Großen, die -dieser Tage frei werden, leiden unter einer durchweg nicht vorbildlichen Wiedergabe im Druck. Wie. bedenk lich muß der Umstand berühren, daß auch bei sehr hervorragenden Autoren selbst kurz vor ihrem Freiwerden die billigen Volksaus gaben überaus selten sind. Der Verleger nimmt eben sein Mono polrecht wahr, und wenn er sich überhaupt zur Herausgabe -einer Volksausgabe entschließt, so tut er -das allzu ost nur unmittelbar vor dein Freiwerden, um der dann sicher einsetzenden Konkurrenz vorweg das Feld abzugraben. Unter diesem Mangel an billigen Ausgaben, unter -der Unmöglichkeit, Werke ganz oder wenigstens teilweise ohnck langwierige und oft wenig Erfolg versprechende Verhandlungen mit den Verlegern in den für den Gebrauch der Schüler bestimmten Lesebüchern nachzudrucken, -leiden besonders die Schulen. Hier kann auch ein künstlich gebildetes -Sonderrecht, etwa -die ausnahmsweise frühzeitige Veröffentlichung aus Grund staatlicher Ermächtigung nicht Helsen; solche Verfahren werden stets schwerfällig und mehr oder weniger unwirksam sein. Wie viel leichter läßt sich aber der Kamps gegen die Schmutz- und Schundliteratur, der für -die Erziehung der Jugend so wichtig ist, führen, wenn gute Bücher oder Auszüge aus ihnen billig zur Ver fügung stehen. Das -größte wirtschaftliche Interesse, das der Autor kennt, es mag sich um Bücher, Bildwerke, Kompositionen oder Theater stücke handeln, ist, daß der Unternehmer, -der seine Werke wieder gibt, möglichst stark dasteht. Nun -ist es kein Zweifel: die Mehr heit der Kompositionen und der Romane usw. sind für den Her ausgeber oder Vervielfältiger, sofern er nur etwas wagemutig -ist, Fehlschläge, -die er riskiert um der guten Cache willen und um neben den Nieten auch einmal einen wirklichen Tresfer zu machen. Das Geschäft der Verleger ist schwer und nicht allzu ertragreich; nimmt man ihnen die Gelegenheit, Wiederbelebungs- Perioden verstorbener Autoren auszunutzeu, so schwächt man sie dadurch in einer höchst fühlbaren Weise, die -letzten Endes auf die lebenden Autoren zurücksällt. Zuzugeben ist, daß neben -den übrigen hier in Betracht kom menden Schöpfungen die Musikwerke in gewissem Umfang eine Sonderstellung einnehmen. Noten zu drucken, ist teuer, Auf führungen, insbesondere von Orchesterwerken, sind selten, die Honorare fallen hier besonders gering aus; auch ein tüchtiger Komponist kann froh sein, wenn -ihm Gelegenheit geboten wird, ein dutzendmal während seiner Lebenszeit eine von ihm verfaßte Symphonie zu hören. So dringen auch -die besten Musiker lang sam durch, ganz besonders -dann, -wenn sie wesentlich Neues -bieten. Das haben wir bei Wagner, bei Bruckner, der demnächst frei wird, erlebt. Den Musikvcrlagen wären gut« Einnahmen im Einzelfall ganz besonders zu gönnen, aber auch hier wird di« Zahl derjenigen, an denen sich der Verleger in -den zwanzig Jahren der etwa verlängerten Schutzfrist erholen kann, allzu gering sein, um Wirkungen hervorzubringen, die zu Buch schlagen. Die Angelegenheit hat auch ihre gewichtige internationale Seile, die schließlich das Gebiet der hohen Politik nicht ganz un berührt läßt. England, Frankreich, Italien haben die 50jährige Schutzfrist; druckt Deutschland nach Ablauf der 30jährigen Schutz frist ein französisches Werk nach, so kann es mit seinen Nachdrucken in den Ländern, die ebenfalls eine geringere Schutzfrist als Frank reich besitzen, -dem französischen Berlage eine unliebsame und man muß sagen unersrculiche Konkurrenz machen. Allerdings sind von 138 bedeutenderen französischen Schriftstellern der schönen Litera tur, die von 1917—1926 ln Deutschland frei wurden, nur 12 -in Deutschland verlegt worden, nur l26 Eiuzelwcrke wurden gedruckt, und von diesen wiederum lediglich 91 in französischer Sprache. Der Schaden, der dem Auslande erwuchs, war also keinesfalls groß. Österreich plant die Einführung der 50jährigen Schutzfrist. Der Verlag deutscher Bücher könnte nach Österreich -auswandern, Kompositionen können vielleicht ebensogut in England, wo sie sich einer längeren Schutzfrist erfreuen als in Deutschland, verlegt werden. Besteht nun die Grsahr einer Abwanderung -des Ver lages ins Ausland wirklich? An -sich ist der deutsche Verlag bei weitem stärker -als irgendein ausländischer. In Deutschland, der Schweiz und Österreich wurden l925 ebensoviel neue Bücher er zeugt -wie -in Italien, Frankreich -und England zus-ammengenom- mcn; wenn man die gesamte kleine Gruppe der Länder mit 30jähriger Schutzfrist zusammenrechnet, so ergibt sich 1925 elue Veröffentlichung von 78 700 Büchern, während -die soviel größere Gruppe der Länder mit 50jähriger Schutzfrist eine Zahl aufweift, die hinter dieser zurückbleibt. Schon hieraus ergibt sich, daß bis her das kürzere Schutzrccht dem deutschen Buchverlage zum min desten nicht -geschadet Hai; es ist auch nicht anzunehmen, daß der Autor den Verlag aus der Erwägung heraus wählen wird, was 30 Jahre nach seinem Tode geschieht. Hier wird der Wunsch, möglichst stark aus das eigene Volk zu wirken, hier werden per sönlich« Beziehungen aller Art maßgebend sein, nicht weit ent legene Berechnungen. Schwierig bleibt das Ablveichcn von der internationalen Rege lung immerhin. Eine Anzahl von Rechten, die freilich gegenüber der Verlängerung der Schutzfrist unbedeutend sind, können nur bei voller Angleichung an -die von der überwiegenden Mehrheit übernommenen internationalen Bestimmungen erreicht -werden. Ein« besonders -unangenehme Lage ergibt sich hinsichtlich der Radioübertra-gung, die an keine Grenzen geknüpft ist. Wie soll Frankreich sich dagegen schützen, daß eine deutsche Sendcstation die Übertragung einer französischen Oper auch nach Frankreich vornimmt, weil das Werk in Deutschland frei -ist, obwohl cs in Frankreich noch der Schutzfrist unterliegt? Wer hätte von -der verlängerten Schutzfrist einen Nachteil: die Verleger, die Neuausgaben veranstalten, die Papierfabriken, Druckereien, Buchbindereien, Farbenfabriken, Schallplattenfabri ken, die von ihnen beschäftigt werden, -die Theater, denen der ohnehin wenig gewinnbringende Betrieb erleichtert wird, -die aus übenden Künstler, Musiker, die auch in überwiegender Mehrzahl nicht auf Rosen -gebettet -sind und -die von den Abgaben frei wer den möchten, die Gelehrten, Schriftsteller und Musiker, die durch die Bearbeitung und Herausgabe freier Werke eine Tätigkeit er langen können. Wie gering sind -demgegenüber an Umfang die entgegenstehenden Interessen; in einer Zeit der schwer lastenden Arbeitslosigkeit ist diese Gegenüberstellung sehr gewichtig. Eins darf nicht unerwähnt bleiben: der Schutz des Urheber rechts sichert den Beteiligten Vorteile, die schon heute sehr >veit über das Ausmaß des allgemein üblichen hinausgehen. Aus -den meisten Gebieten gibt es einen Schutz der Gedanken arbeit überhaupt nicht. Der Kaufmann, -der heute eine beson ders gute Organisation seines Warenhauses -durchführt, kann sicher sein, daß morgen ein Konkurrent-diese uachzu-ahmen versuchen wird, ohne daß er -dagegen etwas Wirksames veranlassen kam:. Ter Anwalt, der eine geschickte Form für -die Ausarbeitung eines Fusionsvertrages findet, erfährt, daß diese morgen Allgemeingut SS3
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