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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1927
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- 1927-05-06
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- 06.05.1927
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X: 106, 7. Mai 1927. Redaktioneller Teil. für die Gesetzgebungen der Rechtsstaaten unserer Gegenwart, im Erfinder-, Kunstwerk-, Urheberrecht. Dieses billigt dem Erfinder oder Ergründe! einer Gedankengcstaltung, der ihr eine mehr oder minder cigenwcrtige Selbständigkeit verlieh, an dieser seiner Ar beitsleistung ein ausschließliches Benutzungsrecht-zu, soweit eine solche eine originale Ausprägung gesunden hat, die Möglichkeiten eines gesetzlichen Schutzes gibt. Hier geht das immaterielle Güter- rccht, in seiner kulturpolitischen Auffassung, in die nationale und internationale Prwatrechtsgesetzgcbung und auch in das Völker recht über. Gedanken sind zollfrei. Der literarischen Produktivi tät eines Werkes kann man nur gewaltsam wehren, durch Unter drückung der Freiheit der Presse, durch Prävcntivzensur. Und der Gesetzgeber hat auch keinen Maßstab für die Bedeutung und nach ihr für die individuelle Bewertung der Arbeitsleistung, die die Schöpfung eines Urhebers erreicht hat, ohne in deren Schätzungen sofort subjektiv zu werden. Es ist lediglich möglich, die äußeren kennzeichnenden Formen einer Originalität gesetzlich zu umgrenzen — so durch die Patentprüfungsvcrfahren — und dann generell dem Urheber ein Alleinrecht an der privatwirtfchastlichen Ver wertung dieser seiner originalen Arbeitsleistung zu gestatten und zu schützen und solchen Schutz auch nach seinem Tode noch auf die Erben auszudehncn. Die Ausdehnung einer derartigen Schutz frist hängt hier mit der Beurteilung des Erbrechtes überhaupt zu sammen. Das Arbeitsergebnis soll als der Bestandteil des Privat vermögens geschützt werden. Wann dieses Arbeitsergebnis im privatrechtswirtschaftlichen Sinne aushört, ist individuell überhaupt nicht zu bestimmen. Martin Luther, der größte Publizist deutscher Zunge, konnte und wollte auch nicht Honorare nehmen, wollte nicht die Reformation dreißig oder fünfzig Jahre nach seinem Tode be ginnen lassen. Seine deutsche Bibelübersetzung könnte heutzutage mit 20 Prozent vom Ladenpreise des gebundenen Exemplars noch Luthers und L-usfts Erben gehören, wenn die Jmmatcrialrcchte ewig sein sollen, wenn man auch nur aus Billigkcitsgründen den Erben jener sehr bedeutenden diluvialen Künstler eine Ausschluß- frist stellen müßt«, die Urheber urzeitlichcr Kunstwerke gewesen sind. Die Anschauung eines Gemeingutes der Menschheit an ihren immateriellen Gütern ist längst unbestritten, und aus den ange- doutetcn Gründen hat sich auch die einer generellen Lösung der Schutzfristsrage durchgesetzt. Man ist zu der Anerkennung eines ausschließlichen persönlichen privatrechtswirkschastlichcn Be nutzungsrechtes einer Schöpfung gelangt und hat es ein Menschen alter hindurch über den Tod des Urhebers hinauswachsen lassen, der sein Lebenswerk erst kurz vor seinem Tode veröffentlicht oder vollendet haben kann und der um seine Arbeitsergebnisse gebracht werden könnte, wenn Liese ihm oder seinem Vermögen durch daS Eintreten seines Todes bedingt oder befristet werden würden. Die dreißigjährige Schutzfrist ist nun, nicht nur praktisch im pri- vatrechtswirtschastlichen Sinne, sondern auch theoretisch eine Aus- gleichslösung zwischen den kulturellen Gemeinintcressen und den ökonomischen SoNdcrinteresscn. Der Matzstab, den sie nimmt, ist der der geistigen Güterschöpfung höchsten Wertes; für anderes, das keine längere Produktivität hat, daS mit seinem Urheber verstirbt, ist er ganz gleichgültig. Ein Vermögen, das nicht vorhanden ist, läßt sich auch privatrechtswirtschaftlich nicht wahren. Man darf es nicht fingieren, weil es vielleicht noch einmal ertragreich wer den würde. Mit diesem Rechte würde Amerika seinen Entdeckern gehören, die di« Entdeckung finanzierten. Und die Erben der Wikinger dürften sich mit den Spaniern und Portugiesen um den Nordpol streiten. Der Anteil des Einzelnen uNd der Anteil der Gesamtheit gleichen sich nach einem Menschenaltsr aus, dieser überwiegt jetzt, nicht nur in der Urheberschaft, die ihm von vorn herein eigen war, sondern auch in dem, das ihm durch die Fort bildung zugehört. Es ist ein Lebcnsgesctz (Väter und Söhne), daß die literarische Produktivität unterbrochen wird, daß die vollen Auswirkungen bedeutendster Einzclleistungen meist frühestens ein paar Jahrzehnte nach ihren Erscheinungsgestaltungen beginnen. (Was ausführlicher zu beevcise» sein würde, wozu hier nicht der Raum hinreicht.) Die Ausnahme und Ausgestaltung dieser kul turellen Bollwirkungen darf nicht mehr durch privatwirtschaftliche Interessen behindert werden, die nicht mehr die des persönlichen Urhebers sind. Ihre Kollision mit den kulturellen ist hier so um fangreich, daß sie sich einer Unterdrückung :der Freiheit der Presse vergleichen läßt, welcher Freiheit Milton seine in ihrer litera rischen Produktivität noch unvermindert weiterwirkende Schutz- redc hielt. Aber wenden wir uns von den idealistischen Betrachtungen den realpolitischen Reflexionen zu. Wählen wir den Standpunkt, der im Für und Wider geltend gemacht wird, daß deutsche Gegen wartsfragen eine »endgültige« Lösung der Schutzfristfrage hevbei- führen sollen, indem man die Frist um 20 Jahre tveiter verlängert, weil das das Ausland tut. Um eine Art ökonomischer Galgenfrist soll es also gehen. Die deutsche Schriftstellerschaft und Berlcger- schaft brauche sic, um sich zu erholen und zu erstarken, hier ver langt, wieder einmal, die Wirtschaft das, was ihr zukommt. Inter nationale Kulturbestrebungen, die sich zu Rechtssatzungen ver dichten, sind etwas Wertvolles, wofern auch die eine Partei der Gebende bleibt. Solange die deutsche Aufwcrtungsgesetzgebung besteht, brauchen wir uns darum nicht zu besorgen, ob man Deutschland noch für einen der ersten Rechtsstaaten hält. Dieser Ruhm ist nach dem ausländischen übereinstimmenden Urteil dahin und läßt sich nicht so bald wieder zurückgcwinnen, auch wenn man ihm die Überzeugung von der Rechtmäßigkeit einer Sache zum Opfer, ja sogar das Utilitätsprinzip zum Opfer bringen will. Deutschland kann nachgcben, und es wird um eine schöne Geste reicher sein. Dieser Kompromiß mag den Staatsmann ehren, der das »Volk der Denker und Dichter« repräsentiert. Die Auffassung dieser Bezeichnung im Auslande entbehrt nicht derjenigen Ironie, mit der das Phant-asiereich von Schiller dem Poeten überlassen wird. Das heißt, sic ist einer nur rcalpolitischen Auslegung dcs bsstehenden Urheberrechtes sehr entgegengesetzt. Ein Anteil an Gcistesgütern der Menschheit wird von dem armen deutschen Volke aufgegeben — man kann den Nachdruckvorwurs realpolitisch aus den bestehenden Schutz-fristunterschicden auch so beurteilen —, um dafür einzutauschen: was? Ein paar privatwirtschaftlichc Inter essen und die Einschränkung -der freien Verwertung seiner eigenen Geistcsgüter. Es ist der Versuch einer Stabilisierung der litera rischen Witwe. Und nicht nur der ihrer ökonomischen »Belange», die man ihr gern wünscht, sondern auch der einer freien Aus wertung und Auswirkung literarischer Produktivität zu deren rechter Zeit. Der Autor Posthumus und dessen berechtigter Ver leger haben hiervon meist nur geldtvcrtc Vorteile, die geringfügig sind, um so größeren Schaden die Allgemeinheit, wenn sie nicht einmal für Geld und gute Worte das, was sie sich zu eigen machen will, in einwandfreier Art, im richtigen und vollständigen Wort laut bekommen kann, tvcnn darüber einzelner fremder Willkür die Entscheidung zusteht, welche Werke und wie sie zu lesen sind. Wir lbswundcrn das bolschewistische Experiment, auch die Ge dankenwelt durch einen Umsturz gewaltsam zu verändern, durch das Verbot der geistigen Werte, die diesem Umsturz widerstreben. Wir glauben jedoch nicht, daß dergleichen Machtmittel einer Real politik auf die Dauer siegreich sind, geschweige -denn, daß sie es vermögen, einen privatwirtschaftlichen Wettbewerb zu unter drücken. Wenn man sagt — und man sagt es ja —, der »Klassiker« behindere den »Modernen«, Klassiker noch bei Lebzeiten zu werden, spricht man eine Binsenwahrheit aus. Man meint freilich real politisch nicht das Ringen geistiger Kräfte und den Kunstwillen, sondern bloß den Bnchladen. Man wünscht gewissermaßen eine Konzcssionsbeschränkung literarischer Produktivität. Mit künst lichen Mitteln lassen sich indessen natürliche Vorgänge auch von den geivaltsamen Realpolitikern nicht aufhalten. Allzu autokra- tische Gesetzgebungen pflegen sich in ihr Gegenteil zu verkehren, wenn sie sich aufströmenden Bewegungen widersetzen. Gerade der in einer privatrcchtswirtschaftlichen Sphäre sich behauptende Real politiker sollte sich fragen, ob cs für ihn letzten Endes gut ist, eine bestehende, auf einer Ausnahmegesetzgebung beruhende Schutzfrist zu verlängern, wenn daraus sich auch ihre Verkürzung ergeben kann, die ebenfalls in der Verschärfung ihrer Problematik liegt. Altgriechisch« Heiterkeit verknüpfte das Satyrspiel der Tragödie, die Befreiung von den Schicksalsgewalten, -indem sie als -Maß aller Dinge den Menschen zeigte — wie er ist. Was umkämpfen wir? Aristophanes, ider die atheniensischen Revuen schrieb, hätte als veu« ex msobina den erlösenden Geldbeutel hinuntersinken lassen,
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