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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1927
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- 1927-05-06
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- 06.05.1927
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sh? 10k, 7. Mai 1927. Redaktioneller Teil. sei hier aas ein Gutachten von Professor Or. Ernst Heymann-Berlin verwiesen, ganz überwiegend diese Auffassung als falsch bezeichnet. Unter den absoluten Rechten habe ewigen Charakter wohl das Eigentum, nicht aber das Urheberrecht, der Ausdruck »geistiges Eigentum- sei irreführend, sofern man das Erzeugnis geistiger Arbeit mit dem allgemeinen Eigentum gleichstelle. Das Urheber recht ist hcrausgewachsen aus Privilegien, es stellte ursprünglich lediglich die Verleihung eines Monopols an bestimmte Drucker für die Veröffentlichung von Werken dar, es war zeitlich in den langen Jahrhunderten seines Bestehens fast stets begrenzt. Preußen führte mit seinem Gesetz von 1837 die 30jährige Schutzfrist ein, und der Deutsche Bund folgte ihn, im Jahre 1845, indem er die gleiche Zeitdauer annahm. Seit über 100 Jahren kann in der gesäurten Kulturwclt kein öffentlicher Rechtsakt von Bedeutung erwähnt werden, der sich auf der Anerkennung einer ewigen Dauer des Urheberrechts aufbaut. Unter diesen Um ständen ist die Ausdehnung der Frist von 30 auf 50 Jahre keine Rechtsfrage, deren Lösung durch die Annäherung an den grundsätzlich gebotenen Ewigkeitsschutz bedingt wäre, sie bleibt vielmehr eine reine Angelegenheit der Zweckmäßigkeit, bei deren Prüfung kulturelle und wirtschaftliche Zusammenhänge vorherr schen. Kulturell ist zu betonen, daß die Allgemeinheit einen An spruch auf eine möglichst wohlfeile Versorgung mit den großen Werken des Geistes hat, das entspricht dein Gebote der Zweck mäßigkeit im Interesse der Bildung, es ist aber auch hinsichtlich der Autoren ethisch begründet, denn wer immer in Schrift, in Bild und in Tönen etwas Besonderes zu bieten hat, der tut es nicht nur aus dem eigenen Ich heraus, sondern darüber wirkt in ihm der große allmächtige Krilturzusainmcnhang, dem sich kein ein zelner, und mag er noch so bedeutend sein, in seiner Schöpsung zu entziehen vermag. Beethoven wäre nicht, was er ist, wenn ihm nicht Mozart und Bach vorausgegangen wären. Auch Goethe hat der Anregungen so unendlich viele aus der Vergangenheit er fahren, hier seien nur die Namen Herder und Lessing genannt. Die Allgemeinheit nimmt in der freien Benutzung des Werkes das wieder an sich, was ihr zum Teil zu eigen gehört. Das Inter esse der Allgemeinheit wird durch den Urheberschutz nach zwei Richtungen belastet, einmal tritt durch das Autorcnhonorar eine verschiedene, immer aber beträchtlich« Erhöhung der Verkaufs preise ein, auf der andern Seite werden wichtige Erscheinungen, die einem einzelnen Verleger anvertraut sind, oft nicht in dem Umfange verbreitet, wie es beim freien Wettbewerb der Fall wäre. Das liegt zunächst an den Preisen. Reuters Werke kosteten, so lange sie geschützt >varen, 60 Mark, eine Volksausgabe 26 Mark, heute kostet das vollständige Werk 22.50 Mark, die Volksaus gabe 9 Mark. Grillparzers Werke wurden während der Schutz frist mit 26 Mark abgesetzt, heute mit 5 Mark. Für Gottfried Keller stellen sich die entsprechenden Zahlen auf 38 und 15 Mark, für Gustav Freyt-ags Roman »Soll und Haben» auf 12 und 4 Mark. Dabei sind nicht die billigen Ausgaben, z. B. Reclam, für die heutigen Preise zugrunde gelegt, sondern gute Veröffentlichun gen, die an Ausstattung sich mit den Originalausgaben durchaus vergleichen lassen. Nach dem Freiwerden verhundertfachte sich vielfach -der Ab satz -der Werke; von Freytags Schriften sollen nach dem Freiwerden Millionen an Exemplaren verkauft worden sein. Keller ist nach dem Erlöschen der Schutzfrist von 61 Verlegern in 200 000 Gesamt ausgaben und nahezu 2 Millionen Einzelbänden, Storni von 60 Verlegern in ebenfalls nahezu 200 MO Gesamtausgaben und etwa 3 Millionen Einzelwerken abgesetzt worden. Feuerbachs und Spitzwegs Bilder sind in großem Umfange überhaupt erst an die Massen gelangt, als beide frei waren (1911 und 1916), heute finden sich diese Werke allerorten. Kulturell und wirtschaftlich ist es von größter Bedeutung, daß der Moment des Freiwerdens in ein« Zeit fällt, wo die Wiederbelebung der recht häufig schon der Vergessenheit an- heimgefallencn Urheber zum Nutzen ihrer Werke und ihres Nach ruhms, zum Nutzen aber auch der Wirtschaft mit Aussicht auf Erfolg wieder in Angriff genommen werden kann. F. Th. Bischer, der seit sieben Jahren frei ist, war in weiten Kreisen unbekannt geworden; seitdem die Schutzfrist ablief, ist sein ausgezeichneter Roman »Auch Einer» in 150 000 Exemplaren verkauft worden. Von Brachvogel, dem Verfasser des »Friedemann Bach-, sollen in seinem ganzen Leben und 30 Jahre nach seinen: Tode nur 25 000 Bücher verkauft worden sein, seit dem Freiwerden wurden in neun Jahren 200 OM Bücher abgesetzt. Luise von Franoois, deren Namen kaum noch ein Literarhistoriker nannte, wurde nach dem Freiwerden im Jahr« 1924 36mal gedruckt. Hätten wir die 50jährige Schutzfrist, so wären heute Bauernfeld, Bcrihold Auer bach, Frciligrath, Geibel, Gutzkow, Holte! noch nicht frei; wieviel Wertvolles aus den Schriften der Genannten wäre dann ver mutlich sür -die Dauer der Vergessenheit überliefert, denn bei allen erwähnten Autoren ist es sehr zweifelhaft, ob sie ein längeres Ver- borgensein Überstunden hätten. Aber auch bei Größeren kommt einem die Sorge an, was aus ihren Werken oder zum mindesten aus Teilen -davon bei verlängerter -Schutzfrist werden soll. Wil helm Raabes Schutzfrist erlischt 1941, soll sie nun wirklich bis 1961 ausgedehnt werden? Heinrich Heine wäre bei der 50jährigen Schutzfrist bis 1907 -ein Monopol seines Verlegers gewesen, Schopenhauer bis 1911. Bon den Autoren wird solchen Gedankcngängcn gegenüber- gehalten, die Kultur und die Allgemeinheit haben das denkbar -größte Interesse -daran, daß die Autoren sich -so gesichert wie möglich, so frei von wirtschaftlichen Nöten wie denkbar zur volle» Kraft ihres geistigen Schaffens entwickeln können; dazu soll die Verlängerung -der Schutzfrist beitragen. Damit dies zitträfe, müßt« der Verleger in der Lage fein, bei -der 50jährigen Schutzfrist bessere Honorare als -heute zu zahlen. Er könnte dies tun, wenn er voraussetzen -dürste, daß ihm die -neu hinzukommenden zwanzig Jahre nach dem Tode des Autors, also in einer sür die Regel weit entlegenen Zeit, einen wesentlichen Nutzen bringen würden. Das wäre aber nach den Erfahrungen, die tatsächlich gemacht wor den sind, kaum tunlich. Von den Werken, die heute in deutscher Sprache erscheinen, fällt ein Drittel auf Rechtswissenschaft, Staats und Sozialwisfenschaft, Theologie, Erziehung und Schule. Bon diesen Werken kommt bei der Schnelligkeit, mit der -wissenschaftliche und Schulbücher naturgemäß veralten, kaum ein Autor für die verlängerte Schutzfrist in Frage. Aber auch in der schönen Litera tur liegt es nicht viel anders. 1925 erhielten in Deutschland von Erben -der Autoren, die ungefähr 25 Jahre tot sind, also noch geschützt werden, solvcit sie den fast allgemein üblichen Tantieme vertrag abgeschlossen hatten, eine Auszahlung seitens -der Verleger von mehr als 300 Mark jährlich 18, davon mehr als 1000 Mark nur neun. Für die sehr wenigen Autoren, di« gegen Pausch quantum das Verlagsrecht sortgegebcn haben, fehlen Angaben. Die Statistik ergibt, was ohnehin einleuchtet, daß die Aussicht auch nur auf eine bedingte Unsterblichkeit für unsere Dichter und Schriftsteller sehr gering und viel zu gering ist, als daß ein vor sichtig kalkulierender Verleger sich durch sic zu größeren als den üblichen Zahlungen veranlaßt sehen würde. Bei den Musikeim und bildenden Künstlern liegt es ähnlich. Aber die Freunde -der -verlängerten Schutzfrist führen noch -etwas anderes ins Feld. Die Wiederbelebung der Toten, das Hinauswcrfen von z. B. Millionen Exemplaren des Freytagschen Romans »Soll und Haben» zerstöre den lebenden Urhebern den Markt. Für Konfirmations- und Wcihimchtsgeschenke iverde eine billige Ausgabe von »Soll und Haben« gekauft, nicht aber ein Roman oder ein Gedichtband von einem Lebenden, der infolge der naturgemäß viel geringeren Auflage wesentlich teurer sei. Die sehr starken Auflagen, die z. B. Thomas Mann und Stefan Zweig mit ihren Werken gerade in der Zeit des Nachdrucks Freytagfcher Werke erzielt haben, betvcisen die nicht völlige Stichhaltigkeit einer solchen Ansicht. Im übrigen darf man doch zu dem -deutschen Volke -das Vertrauen haben, daß es sich in Massenausgaben Wert loses nicht aufdrängen lassen wird, und die Bemerkung eines heu tigen Schriftstellers, es sei tief bedauerlich, wenn Freytags »Soll und Haben», ein veraltetes Buch, in so großen Mengen an die deutschen Leser kommt, wird sicher gewichtige Gegner finden. Auf verwandtem Gebiet bewegt sich die -durchaus beachtbare Klage, daß Nachkommen großer Künstler Not litten; hier wird aus die Kinder Robert Schumanns verwiesen und aus di« Erben Richard Wagners, die in der Inflation ihr Vermögen verloren
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