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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.05.1927
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- 1927-05-21
- Erscheinungsdatum
- 21.05.1927
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118, 21. Mai 1927. Redaktioneller Teil. Das musikalische Werk seines großen Freundes brachte er auch späterhin noch mehrfach in Beziehung zu «der dichterischen Vor lage, und er kommt schließlich in seinem Aussatz »Das Publikum in Zeit und Raum» zu der Anschauung, daß Dantes großes Gedicht durchaus ein Produkt seiner Zeit war und daß ihm eigentlich erst durch Liszts symphonische Dichtung ein erlösender Dienst ge leistet worden «sei, indem diese Tonschöpfung die Seele des Dante- schen Gedichts in reinster Verklärung darstelle. Die leise Ableh nung gegen das große Werk des Italieners war letzten Endes bestimmt durch Wagners durchaus protestantische Weltanschauung, und er hat auch in seinen häufigen Diskussionen mit dem Grasen Gobincau diesem gegenüber (der die religiösen Instinkte den Völ kern am sichersten im Katholizismus gewährleistet sah) seinen über alles geliebten Martin Luther vertreten. -Welche Rolle Schiller, Goethe und vor allem Shake speare in Wagners Leben gespielt haben, ist dem Kenner «seiner Schriften bereits bekannt. Ein häufiger Gegenstand seiner Be trachtungen war vor allem das gegenseitige Verhältnis Goethes und Schillers, wie es sich ihm aus dem unendlich ost gelesenen Briefwechsel der beiden Dichter ergab. Mit einer ge wissen Wehmut schrieb er schon in den vereinsamten Züricher Tagen -an Liszt, wie sehr ihm dieser Briefwechsel ihr eigenes Freundschaftsverhältnis nahegebracht habe: »Er zeigte mir köst liche Früchte, die unter glücklicheren Umständen unserm Zusam menwirken entsprießen könnten». Liszt selbst las dann auf Wag ners Anregung ebenfalls den Briefwechsel und schöpfte dann später aus einer wundervollen Stelle, die er «wörtlich zitiert, den Anlaß, mit Berufung auf das Vorbild der großen Dichter ihn flehentlich um die Vollendung des Nibelungenringes zu bitten. Mit besonderer «Aufmerksamkeit beachtete Wagner, mit «welch geistvoller Selbständigkeit «Schiller seine Individualität «gegen Goethe behauptete. Von Goethe meinte er (mit Bezug auf einen Ratschlag für »Die Kraniche «des Jbykus»): »Er liebte keinen Krawall, nichts Exzessives», während er wiederum den so ganz seinem eigenen Wesen entsprechenden Ausspruch Schillers be wunderte: »Das «einzige «Verhältnis zum Publikum, «das man nicht «bereue, sei das «des -Krieges». Die stärkeren Sympathien Wagners standen unbedingt auf seiten Schillers. Schon «an «Frau Wesendonck hatte er sich im Jahre 1859 ähnlich «ausgesprochen: »Goethe hatte es schwer, sich neben dieser ungemein sympathischen Natur zu erhalten. Wie hier alles nur Erkenntniseifer ist! Man glaubt, dieser Mensch habe gar nicht existiert, «sondern immer nur nach «Geistes Licht und Wärme -ausgeschaut». Ebenfalls aus den Wssendonckbriefen wissen wir — in Übereinstimmung mit den vielfachen Stellen seiner Werke —, wie ganz besonders ihm unter Schillers Arbeiten die »Iungfr -au von Orleans» und »Don Carlos» ans Herz gewachsen waren. »Aus meinen Büchern griff ich unfern lieben Schiller heraus» (so schreibt er aus Paris im Oktober 1859), »ich -las «gestern die Jungfrau und war so musikalisch gestimmt, «daß ich namentlich das Stillschweigen Johannas, als sie öffent lich angeklagt wird, vortrefflich mit Tönen aussüllen konnte: ihre Schuld — die wunderbare!» Schon in frühester Jugend hatte diese Dichtung «den tiefsten «Eindruck auf ihn gemacht, und manch mal erzählte er in den Bayreuther Tagen seinen «Kindern, wie namenlos ihn als Knaben der ganze Schloß ergriffen habe. Als er am zweiten Akte seines Par-sifal arbeitete, trat ihm die Gestalt der Jungfrau wieder -besonders nahe, und er fand in ihr eine starke Verwandtschaft mit seinem »wissenden Toren». Eine der größten Freuden war es für «den Familienkreis, wenn Wagner selbst «Schillersche Balladen mit wunderbarem Ausdruck vorlas. Vor allem bevorzugt« er »Die Götter Griechenlands», »Die Kraniche des Jbykus«, »Der Taucher«, »Die Bürgschaft» und »Der Gang nach dem Eisen ham- m e r». Unter Goethes Werken hatte er, abgesehen von der «selbst verständlichen immer wieder geäußerten Bewunderung für den »Faust», »Werthers Leiden» und »E g m o n t» besonders gern. Als einmal im Verlauf von «drei Abenden Goethes Jugend- 644 roman vorgelesen war, meinte er: »Es ist das Werk xar exeolleocs von Goethe, das übrige ist wie ein Verkleistern der Sache. So hat sich der Dichter der Welt gegenüberzustellen». Er war stets bis zum Schluß von der Schönheit des Buches ergriffen: nur Lotte ärgerte ihn. »Sie muß wohl so sein, aber es ist unbegreif lich. Sie würde es ertragen haben, fünfzig Jahre lang Weither sich verzehren zu sehen, wäre jedes Jahr Mama -geworden und hätte ihn so als Schmachtlappen neben sich gern gehabt». Während sein Urteil über Goethes »T-asso« bemerkens- wert schwankte (den er früher einmal Mathilde Wesendonck gegen über als ein »ganz einziges Gedicht- bezeichnet«, bei einer Bay reuther Lektüre «aber gleich nach «der ersten Szene mit den Worten beiseite legte: »Alles Falsett, nicht ein wahrer Ton»), blieb er dem »Egmont« durch «sein ganzes Leben hindurch treu. Die Abwesenheit jeder Phrase und die Freude an «seinem schön mensch lichen Gehalt bestimmten ihn mehrfach zu «der Äußerung, dies sei fast «das vollendetste Werk des Dichters. Glasenapp erzählt in seiner Biographie über eine solche Egmont-Borlesung: »Namentlich wirkte die Szene mit Oranien in seinem «Vortrage .ganz erschütternd. Allerdings würde keiner sein Antlitz, den Ton seiner Stimme beschreiben können, oder die Handbewegung, mit welcher er die letzten Worte begleitete». Begreiflicherweise trat die Beschäftigung mit »F a u st« am stärksten in den Vordergrund. Eine starke Vorliebe hatte Wagner, wie uns Wolzogen in «seinen »Erinnerungen» mitteilt, für «die klassische Walpurgisnacht, die er für das »Originellste und künst lerisch Vollendetste» erklärte, was «der Dichter innerhalb «seines großen Werkes geschaffen habe, überhaupt wandte er dem zweiten Teile seine ganz besondere Aufmerksamkeit zu und bewunderte eine gewisse Bühnenmäßigkeit verschiedener großer Szenen bei diesem Werke, das doch unter einem »Vergessen der Bühne» ge schrieben sei. Der »Faust« war ihm «schlechthin das Buch, und einmal «sagte er: »Goethe konnte ruhig sterben, nachdem er dieses Lied «der Nichtigkeit der Welt und diese Verherrlichung der Liebe und des christlichen Gedankens gegeben». Später einmal, -als er wieder in hinreißender Weise das Gespräch zwischen Faust und Mephisto -vor «der Schlacht vorgelesen hatte, erklärte er, der ««Faust» sei das schönste in deutscher Sprache geschriebene Buch. Wenn Wagner in einem «seiner Briese -geschrieben hat: »Man soll durchaus immer nur mit dem Edelsten umgehen, alles übrige ist Erniedrigung und tausendfach abgeschwächte Ableitung vom Urquell», so hat er dieses Glück seines Umganges mit den Großen bis zu völligster Befriedigung bei Shakespeare ausgekostet. 1859 schrieb er an -Frau Wesendonck: »Dieses wunderbare witzige Lächeln an Shakespeare! Diese «göttliche Weltverachtung! Es ist wirklich das Höchste, wozu der Mensch aus dem Elend sich auf- schwin-gen kann». Die Shakespeare-Vorlesungen, die in den sieb ziger Jahren einen der Hauptprogrammpunkte der allabendlichen Erbauung bildeten, zählen für alle, die ihnen haben beiwohnen dürfen, zu Len unauslöschlichsten Eindrücken. »Durch keine Schil derung sestzuhalten war dabei der Blick, wenn er Shakespeare vor trug, «das bleiche, leuchtende Antlitz, über welches die erhaben strahlende -Stirn sich wölbte, der Ton der Stimme, das aus ihm quellende Leben «von Schwermut, Güte, Humor! So las er an einem Oktoberabend die Poloniusszenen aus Hamlet, an einem anderen die Jagoszene aus dem Othello zur allgemeinen Erschütterung. Ja, sagte er dann, und was hat ihm dies ein gegeben? Er hat jene italienische Novelle gelesen, und nun konnte er nicht anders als so sehen. Da zeigt es sich, wie töricht es ist anzunehmen, -daß der Dichter aus dem eigenen Leben schöpfe: eine Leidenschaft, in welcher man steckt oder -gesteckt hat, «die kann man nicht schildern». (Glasenapp Bd. VI, S. 144.) Keinem unter den «ganz großen Dichtern der Weltliteratur fühlte sich Wagner so innigst wahlverwandt wie gerade Shake speare: an ihm erkannte er das ihm selbst so vertraute geistige Schauen des Dichters, jenen inneren Drang, der -ihn wie von einem Dämon besessen erscheinen läßt. Als einmal jemand über eine bestimmte Stelle des Othello, an der Wagner die Gestalt des Mohren als ihm widerwärtig bezeichnet«, einlenkend meinte, Shakespeare «habe es wohl so gewollt, da rief er erregt: »Ach was
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