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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.07.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1917-07-04
- Erscheinungsdatum
- 04.07.1917
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. ^ 153, 4. Juli 1917. Wie vorauszusehen war. halte der eigentliche Sortiments» kunsthandel zunächst am schwersten zu leiden. Man braucht nur an die großen Handlungen in Berlin. München. Dresden, kurz in den Städten zu denken, in denen der Fremdenverkehr sehr in die Wagschale fällt. Für sie war es in der Tat am schlimmsten. Man muß dringestanden haben in einem solchen Kunstladen, vor dem früh bei Eröffnung schon die ame rikanischen Ladies, die zappeligen Engländerinnen, die Fran zosen und die sich meist so interessant gebärdenden Russen war teten, um sich die Schätze des deutschen Kunsthandels vorlegen zu lassen. Man mutz in der Erinnerung an die ungeheuren Stöße von Braunschen Kohledrucken, von Hanfstaenglschen Gra vüren der Sixtina oder von Hofmanns Christus im Tempel und anderen Schlagern des Kunsthandels schwelgen können, um nur einigermaßen zu ermessen, welch ungeheurer Verlust gerade die Kunsthandlungen treffen mußte, deren Kundschaft mit einem Male wie weggeblasen war. Noch vor einigen Wochen sagte mir der Sohn eines der ältesten Dresdner Kunsthändler, daß es hart, sehr hart gewesen sei. sich darein zu finden. Der Mann hat recht, denn gerade er hatte ja den Vorzug gehabt, die ganze internationale Korona, die sich während der Sommermonate durch Dresdens Straßen und Galerien wälzte, zur Kundschaft zu haben. Daß der Verlust schwer, sehr schwer war, kann auch der größte Optimist nicht leugnen. Aber man hat sich geholfen. Aus der Sixtina und des alten Heinrich Hofmann vielbegehrten biblischen Malereien wurden Bilder des Krieges, wurden Heer führer. Schutz- und Trutzlieder und Aussprüche großer Männer. Wo früher alte Stiche hingen und französische Schabkunstblätter, da grüßt jetzt Hindenburgs siegstrahlendes Antlitz hernieder. Bis über das zweite Kriegsweihnachten hinweg hielt das Ge schäft an, das man sozusagen dem Kriege verdankte. Täglich waren neue Serien von Heerführerbildnissen erschienen; mit einer eisernen Energie und Verlegerlust war man dabei, die Kon junktur. man verzeihe das Fremdwort, auszunutzen. Und sie ließ sich ausnutzen, wenn man es nur richiig verstand. Aber der Jubel über die glanzvollen Taten unserer Heerführer konnte natürlich nicht ewig anhalten, denn sie konnten nicht fortgesetzt solche Wunderdinge vollbringen, wie anfangs geschehen. Zudem, der Krieg dauerte lange, sehr lange. Und der Mensch ist bekannt lich ein Gewohnheitstier. Er gewöhnt sich sogar an den Krieg. Vielleicht wird es hier und da einen geben, der in heiliger Entrüstung die Feder in die Tinte taucht und erklärt, daß diese Behauptung eine Perfidie sei. Aber ich werde ihn zu beruhigen wissen. Kurz, das Geschäft mit den Kriegsbildern mutzte Nach lassen — und eines Tages aus und vorbei sein. Zur Ehre des deutschen Kunsthandels sei es gesagt, bedauert hat es keiner. Vielleicht einige Verleger, die allzu stürmisch vorgegangen waren und mit ihren verlegerischen Geniestreichen Hindenburg Kon kurrenz machen wollten. Aber mit dem Abflauen des Inter esses für die Darstellungen des Krieges, für die Postkarten, die Haßgesänge und all die schönen Sachen, aus denen eine mehr oder minder große patriotische Begeisterung flammen sollte, stellte sich ja etwas viel Schöneres ein. Man bekam wieder Sinn für andere Dinge. Schon die großen Kunstausstellungen, die sich im Sommer 1915 mit einigem Bangen an die Öffentlich keit wagten, waren Beweis genug, daß die menschliche Seele im tiefsten Grunde nach Frieden lechzte. Wohl hatte fast jede ihre Abteilung mit Kriegsbildern, ja, es wurden sogar eigene Kriegsbilderausstellungen geschaffen; aber wer genau hinsah, merkte, daß es mit einem gewissen Widerstreben geschah. Lang, sam, aber doch merklich mutzte sich der Kunsthandel wieder umstellen und sich neue Existenzmöglichkeilen zu schaffen suchen. Da war aber guter Rat teuer. Die großen Verleger hielten naturgemäß sehr zurück. Das Wort Novität, das ein witziger Reisender eine Zeitlang ohne des großen Feldherrn Geneh migung mit Hindenburg übersetzt hatte, war eben doch ein an derer Begriff geworden als ehedem. Woher sollte man jetzt die Novitäten nehmen, und woher den Mut. solche zu bringen! Aber auch hier half die göttliche Vorsehung. Man war ja Gott Lob und Dank gar nicht mehr so novitätenhungrig wie ehedem. Man mutzte nicht unbedingt die neuesten Blätter vom Pariser Salon 782 haben oder die neuesten Schlager aus der Oxfordstreet. Ja. man besann sich sogar, daß die alte gute deutsche Kunst doch auch noch da war, und daß sich vielleicht damit etwas ansangen ließ. Nicht umsonst hatten viele der Führer der Kunst wissenschaft, die sonst in friedlichen Zeiten ihren Ehrgeiz darein setzten, die deutsche Kunst als minderwertig zu erklären, in stillen Stunden oder auch in patriotischen Versammlungen er kannt, daß sie eigentlich Unrecht hatten. Auch die deutsche Tages presse und nicht zuletzt die Kunstzeitschristen waren mit einem Male des Lobes voll, über all das, was die deutsche Kunst aller Zeilen Großes und Herrliches geleistet hat. Wozu war man denn ein Deutscher? Wozu hatte man eben mit erhebendem Stolze der Grllndungsversammlung irgendeines neuen natio nalen Vereins beigewohnt? So war zum Heile des deutschen Kunsthandels eine neue Konjunktur geschaffen. Man machte in deutscher Kunst! Von der Postkarte des alten guten Spitzweg an bis hinauf zu seinen mit sabelhaften Preisen ausgewogenen Originalen. Es wurden sogar Kunsthandlungen gegründet. Man könnte das für einen Scherz Hallen, aber es ist so. In Stuttgart, in Breslau, in Hamburg sind dasllr Beweise zu finden — richtiggehende Kunsthandlungen. Und während des Krieges gegründet. Da konnte es also doch nicht schlecht stehen um die Kunst. Freilich sei gleich das eine bemerkt: daß diese Grün dungen weniger dem eigentlichen Kunstsorlimcnt galten. Dieses stand, wenigstens zum Teil, nach wie vor unter dem Druck des Geldbeutels, der bekanntlich auch auf das Gemüt drückt. All mählich wurde es indes auch hier besser. Das Weihnachts geschäft 1918 soll sogar ausgezeichnet gewesen sein. Die Nach frage nach guten und teuren Blättern hob sich wieder. Der Wunsch, sich durch die Kunst, durch einen schönen Wandschmuck, durch das Gefühl eines neuen Besitzes über die Traurigkeit des Daseins hinwegzusetzen, wurde stärker und nahm greifbare Form an. Selbst in der mit am schwersten getroffenen deutschen Stadt Hamburg war der Kunstumsatz bedeutend. Freilich, die unend lich große Menge der Berufszweige war um einen neuen und sehr wichtigen vermehrt, den man vor dem Kriege nicht gekannt hatte, den Kriegsgewinner. Aus der beneidenswerten Klasse der Heereslieferanten hervorgegangen, war der Kriegsgewinner wohl die erfreulichste Erscheinung für den schwergeschädigtcn Kunsthandel. War es denn zu verwundern, daß ein reich ge wordener Butlerhändler oder Granatenfabrikant oder Konser venonkel das dringende Bedürfnis empfand, sein sauer erwor benes Geld auch in den edlen Dingen der Kunst anzulegen? Nein, ganz gewiß nicht, besonders nicht im Hinblick auf die Kriegsgewinnsteuer. Und so ist es denn ganz gut gegangen, und nicht zuletzt sind es diese neubackenen Reichen gewesen, die dem Kunsthandel für die vielen und furchtbaren Verluste einigen Ersatz brachten. Die Resonanz des Gcldkastens mehrt die Besitz- sreude. So war es eine gute Fügung, daß dem Kunsthandel wenigstens auf diese Weise eine neue Hoffnung erblühte. Selbst verständlich meinen wir hier nicht nur den Kunsthandel im engen und strengen Begriffe des Bilderladens, der treu und gewissen haft alle acht Tage neue Kabinettgravüren oder Wennerberg- Bilder in das Schaufenster hängt. Der Begriff Kunsthandel hat ja schon längst eine andere, wesentlich weitere Form ange nommen. Man bekommt von manchen unserer großstädtischen Kunsthandlungen, wenn man es haben will, seine ganze Aus stattung ins Haus geliefert. Vor allem das Kunstgewerbe, das doch sehr stark in den Kunsthandel eingedrungen ist, oder besser gesagt, sehr willig von diesem ausgenommen wurde, ist ein gewichtiger Faktor. Hand in Hand mit der hohen Kunst blieb ihm die segensreiche Aufgabe, das neue Heim des Kriegs gewinners würdig zu schmücken. Das Kunsthandwerk, die Gra phik, die hohe Kunst selbst, sie wirkten zusammen, um hier ihre neue, aus Tod und Verderben geborenen Werte zu schassen. Auch das Andenken an die gefallenen Helden konnte bei aller damit verbundenen Tragik von der geschäftlichen Ausnutzung nicht unberührt bleiben. Besonders die Gedenkblätter wurden zu einem vielbegehrten Verkaufsobjekt. Leider sind gerade sie zum Teil sehr schlecht weggekommen und bilden ein trübes Kapitel in der Geschichte der Kriegskunst. Der elendeste Kitsch
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