47!<8 vsq-nbl-tt f. d. Mchn. Buchh»»b-l. FertigeBucher. 168, 19. Juli 1917. Ein Buch, -as mehr Beachtung und Verwendung verdiente! Oer Vogel Tolidan Neun Novellen von (Grote'sche Sammlung Band VII, 326 Seiten. 8". Geh. 3 M. Geb. 4 M. SO Pf. Vossische Zeitung vom I. VH. II: Welch ein lauteres, tiefes, schönes Buch lft dies: „Der Vogel Tollban" von Heinrich Wolfgang Seidel, das, 1913 lm Berlage von Grote in Berlin erschienen und über dem großen Krieg in Vergessenheit geraten ist! Es ist die norddeutsche Landschast Theodor StormS, in der diese neun Erzählungen sich abspielen, es ist dieselbe durchsichtige kühle Lust über ihnen, dieselbe Art des Traumes tritt in sie ein, und ähnlich lebt Heiterkeit und Versonnenheit In schöner Gestalt hier wie dort. Heinrich Wotsgang Seidel hat tn der Tat den Vogel Tolidan singen hören, er muh als Kind ein Träumer gewesen sein gleich jenem liebe» Knaben Engelmann, von dem er uns allerhand rührende Dinge erzählt, und wird als Jüngling jenem Heinrich Flamgard geglichen haben, besten wunderbare Heimkehr er uns in der ersten Geschichte so herzergreisend ausmalt. Der Traum ist der Inhalt aller dieser Erzählungen, dennoch niemals so ausschließlich, daß er nicht, von ferne betrachtet, in eine heitere Erscheinung überginge, und doch immer ties genug, daß man ihn auch in der sremdesten Figur zu gewahren vermag. Ein Wechselspiel von Traum und Erwachen wird hier gezeigt, und der Leser fühlt die Freude des Dichters an den schönen Übergängen, Verwandlungen und Verzauberungen. Da« Köstlichste dieses Buche« ist wohl dieser freundliche Blick, dies stille Lächeln, das den Dingen ihr« Schwere sortnimnit, da« sie tn den Simmel aushebt, zu Luftspiegelungen macht, bls sie vergehen und nur ein leiser Abglanz, in verstreuten süßen Farben dahinschwinden wie der Gesang eins« Märchenvogels. Und dennoch ist da nicht ewa weniger Leben als im Wirklichen, und wenn Brigitte durch die Landschaft geht und dem alten Elsbeerenbaum zunickt, wenn die Ballspielerin, phantastisch gekleidet, durch die dunkle Gaste läuft, wenn Engelmann im Botanischen Garten seine große Geburtstagsgeschichte für das schöne Mädchen dichtet, wenn Pastor Qualih tn die Tiese des Hauses zu der toien Frau niedersteigt: immer ist da Gestalt, atmend, wesenhast, voller lebendiger, ja nicht selten voller göttlicher Kräfte. Es schweben und locken diese Traumbilder wie schöne Falter von vergehenden Farben, sie ersütlen mit einem sanften Entzücken, einer Freude am Wunderbaren, einem schmerzlichen Gesühl entgleitender holder Schallen und sie flößen dem Ttachträumenden viel Herz, liche Liebe sür den Dichter ein. Eine friedliche Gartenlandschast ruht unter den Abendsternen; wenn wir vom Buche ausschaucn, hängt Tlebel lies, aber der süße Dust der Akazien und des Holunders läßt nicht ab, da« Herz zu betören, daß es an den ewigen Frühling weiterglaube und fröhlich sei. Felix Braun. G. Grote'sche Verlagsbuchhandlung in Berlin