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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1927
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- 1927-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1927
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V478 .V; 133, 10. Juni 1927. Fertige Bücher. rionr 28. M«r /^2/.' t^^^atte nicht von /eher das Frauenleben, wenn es nur ein A wenig ungewöhnlich und einzigartig war, eine bcson- dere Anziehungskraft auf die Phantasie der Schrift steller und Dichter? Reizte und reizt es sie nicht immer wie der, die Vergangenheit imposanter oder zum mindesten in teressanter Frauengestalten im funkelnden Glanz ihrer Dar stellungskraft uns neuerdings zu vergegenwärtigen, sie vor unseren Blicken aufleben zu lassen in allen Feinheiten ihres Denkens und Fühlens, all den Lächerlichkeiten ihrer Launen, in Schmerz und Glückseligkeit, Elend und Glanz, auf den geraden und krummen Wegen ihres Daseins, in den selt samen Arabesken und Vcrschnörkelungen ihrer Lebenslinien und mit allen Abstrusitäten ihrer singulären Erscheinungen? Jedes Jahrhundert, jedes Jahrzehnt, ja in unserer schreibfreudigen Zeit fast jedes Jahr, hat seine Fraucnbücher. Und zu jedem dieser Werke, wenn es nur irgendwie taugt, Eigenart, Einfühlungsver mögen und künstlerische Gestaltungskraft aufweist, greift mit Vorliebe eine stattliche Anzahl für die Materie von vornherein interessierter Leser. Zu den vielen Büchern dieser Art hat nun auch Franz Blei Neues gestellt. Es heißt „Glanz und Elend berühmter Frauen" und ist in ansprechender Ausstattung mit zahl reichen Tafelbildern im Ernst Rowohlt Verlag zu Berlin erschienen. Nach ihm wird so mancher begieriger und rascher greifen als nach einem andren Buche dieser Gattung, denn der Zusammenklang dieses Buch titels mit dem Namen des Verfassers bietet eine besondere Lockung. Hat doch Franz Blei immer schon etwas für die Frauen übriggehabt, nicht nur in der Wirk lichkeit, im Alltag und in den Feierstunden seines Lebens, sondern auch auf seinen Pürschgängen durch die Literatur, auf seinen Ausflügen in die Kulturgeschichte der Völker, auf seinen ureigensten Himmelfahrtcn ins Dichterische. Aber ist nicht der Klang, der von seinem Namen ausgeht, verwandt mit den Klängen, die zu uns aus dem 17. und 18. Jahrhundert, aus den galanten Zeitaltern herüberklin gen? Ist nicht der Altar, an dem er das Opferfeuer seiner künstlerischen Inspiration entzündet, zumeist der Altar der Venus? Nicht Eros der bevorzugte Gott, der, sichtbar oder unsichtbar, durch sein Schaffen schreitet? Wie e« schief und ungerecht wäre, diesen feinen Essayisten und in der Formung so sublimen Schriftsteller nur als einen Eklektiker, als einen geschmäcklerischcn Literaten hinzu stellen, der aus vielen Büchern und Bibliotheken, aus den Kulturen und Literaturen der verschiedensten Völker und Zeiten sich zusammenliest und zusammenschreibt, was einzig seinem Sinn und Geist genehm ist, so wäre es auch ungerecht und einseitig, in ihm, wie das so oft geschieht, nur einen Erotiker zu sehen. Nicht zu leugnen, daß er sich vom erotisch Anmutigen und Amüsanten, vom erotischen Witz in seiner ganzen Schwingungsweite vom harmlosen Scherz bis zum zynischen Bonmot angczogen fühlt, daß er in das Amouröse an sich schon verliebt ist und daß er der Liebe Spiel und Spielarten oft und gern und künstlerisch geformt hat. Aber die Interessensphäre dieses in vielem brillierenden Menschen reicht weiter. Sein neuestes Buch legt Zeugnis dafür ab und ist vielleicht gerade darum be sonders interessierend. Unter der Wölbung eines über zwei Jahrtausende gespann ten Bogens, der sich von Theodora, der „großen babylo nischen Hure", bis auf Anette Kolb, erstreckt, die noch einem wirklichen Salon entstammt und aus die von der „in Verfall geratenden Mode des Erotismus schon kein Strahl ihres fahlen Lichtes mehr fällt", führt uns Franz Blei ein Viertelhundert Frauen vor. Selbstredend findet sich darunter allerhand amouröses Weibsvolk, galante Damen und große Kurtisanen, Königinnen der Liebe und liebende Königinnen, Schauspielerinnen der Bühne und Künstlerinnen des Lebens, Tänzerinnen auf dem Parkett und auf den Nasenspitzen der Männer: Madame Dubarry und Ninon de Lenclos, die Camargo und Lady Hamilton, Frau von HanSka und Mata Hari. Und dazwischen, versprengt, die prächtige Liselotte von der Pfalz. Auch der großen Theresia unglückliches Kind, Marie Antoinette, gewinnt Gestalt. Gleichfalls nicht über sehen sind ein paar Vertreterinnen der berühmten Salons, der wahrhaft großen und geistvollen Geselligkeit, für die Blei ein besonderes Faible hat: Madame Geoffrin und die Du Deffand. Von den literarisch Ambitiösen: Georges Sand, Mussets glückliche und unglückliche Liebe. Ganz erstaunlich aber ist, welch hohen Prozentsatz in diesem Buch die fromm veranlagten oder frommgcwordenen Frauen ausmachen und mit welcher Jntensivität sich Blei darin mit religiösen und kirchlichen Dingen beschäftigt! Der als amüsanter Erotiker Verschriene zeigt Interesse und Verständnis für das Religiöse, weiß auch Tief gründiges und blitzartig Erhellendes darüber zu sagen. Dabei wird man nicht nur durch die sprach liche Prägnanz seiner aus feinsten Beobachtungen resultierenden Gedankengänge gefangen genommen, sondern noch durch etwas anderes, das mitschwingt und verrät, daß Blei nicht allein kühl-gedanklich mit scharfsinnigem Gehirn, sondern auch seelisch an diesen Dingen Anteil nimmt.
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