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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.08.1917
- Strukturtyp
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- 1917-08-21
- Erscheinungsdatum
- 21.08.1917
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 194, 21. August 1917. Aber wir müsse» mehr als bisher den Anschluß an das moderne Leben finden, soll unsere Literatur nicht verkümmern. Unsere Romane müssen im wahren Sinne des Wortes Spiegel bilder unserer Zeit werden, sollen sie ihre hohe Ausgabe er füllen, sollen sie dem Leser nicht nur ein paar Stunden Zeit vertreib bringen — sollen sie ihm Lebenswerte mitgeben, wie sie unsere Zeit braucht. Und da nach dem Kriege mehr als jemals das Wirtschaftsleben alle Existenzen, ob reich oder arm, ob mehr oder wenig gebildet, in seinen Bann nehmen und das Denken der Masse beherrschen wird, so wird sich die Roman literatur, will sie ein Spiegelbild der Zeit sein, mehr und in timer mit ihm befassen müssen als bisher. Und Autoren und Verleger erst recht, wollen sie Erfolg haben. 2. Roman und Technik. Man kann nicht behaupten, datz der Roman die Technik links liegen gelassen hat. Es hat eine Zeit gegeben, in der gerade das Gegenteil der Fall war, in der technische Romane geradezu Bombenerfolge auswiesen. Das war im klassischen Zeitalter der Technik, da viele Tausende das Zeug in sich fühlten, eine große Erfindung im Handumdrehen zu machen, da man noch eine schnelle Erlösung aus all den Unzulänglich keiten des Lebens durch die technischen Fortschritte erwartete. Der Hauptvertreter dieser Richtung war damals Jules Verne, aber auch in neuerer Zeit waren derartige Romane noch von großem Erfolg gekrönt, wie Kellermanns Tunnel. Die Zeit ging vorüber — das mit den großen Erfindungen war doch nicht so einfach, wie es anfangs schien, und die Er lösung der Welt durch den technischen Fortschritt nahm nicht den erwünschten schnellen Verlauf. So kam man, einzelne Fälle ausgenommen, mehr und mehr von diesem Genre ab. Aber damals hatten Jules Vernes Romane Erfolg, nicht nur literarischen und buchhändlerischen, sondern auch einen nicht zu verkennenden im idealen Sinne. Sie begeisterten viele Tau sende junge Leute für die Technik, trugen ihren Teil dazu bei, daß die Entwicklung schnelle Fortschritte machte. Freilich kam nicht alles so, wie Verne es schilderte — manches blieb ganz aus — dafür wurde auch wieder einzelnes weit überholt. Auch die begeisterten Jünger der Technik fanden, als sie in das prak tische Leben eintraten, nicht alles so, wie es ihnen die Phantasie vorgaukelte. Statt spielender Bewältigung der Naturkräfte hieß es Stück für Stück langsam und mühselig vorwärtsstreben, und dem einzelnen war nur selten beschieden, mehr als ein kleines Teilchen zu der großen Erfindung beizutragen. Das Interesse flaute ab, und heute kommt die Technik in den Romanen nur wenig zu Wort, wird recht stiefmütterlich behandelt, und was doch kommt, ist zumeist schief gesehen. Der Mann der Technik spielt meistens als glücklicher oder unglücklicher Erfinder eine Rolle. Der erste schüttelt die großen Erfindungen nur so aus den Ärmeln und verdient Millionen — denn Millionen ziehen immer —, der andere dagegen wird um den Lohn seines Wirkens betrogen oder geht zugrunde, weil ihn niemand versteht. Das alte Schema, nur immer wieder neu aufgeputzt. Von dem Ingenieur, der in stillem Wirken das Seine dazu beiträgt und beigetragen hat, daß unsere deutsche Gesamt technik auf so hoher Stufe steht, von seinen Leiden und Freuden ist fast nie die Rede. Dagegen wird alles künstlerische Streben weit über Gebühr behandelt, und bei den jungen Leuten, die vor der Berufswahl stehen, und noch mehr deren Angehörigen wird der Eindruck hervorgerufen, daß nur der Künstler eine Bedeutung habe. Die Folge ist ein übermäßiger Andrang zu künstlerischen Berufen auch von Unberufenen, die dem wirklich begabten Künstler das Leben noch mehr erschweren, als es ohnehin ist. Auch darum handelt es sich nicht, daß fortwährend neue Dinge erfunden werden, sondern mehr noch darum, daß unsere technischen Fortschritte auch wirklich der Allgemeinheit zugute kommen, datz es möglichst viele Menschen gibt, die sie anwenden, damit die Gesamtwirtschaft gedeiht. Wirtschaftlichkeit und — die Haupttriebkraft in jedem Roman, die Liebe, sind durchaus keine Gegensätze. Dauerndes 990 Liebesglück bedingt gute wirtschaftliche Verhältnisse — gutes wirtschaftliches Vorwärtskommen ist aber nur möglich, wenn alle Chancen der Gegenwart ausgenütz! werden. Wer eigen sinnig auf einer veralteten Wirtschaftsweise stehen bleibt, leidet unbedingt früher oder später Schiffbruch. Die Gegenüberstellung der wirtschaftlich arbeitenden und daher glücklich werdenden Familie und dem Gegenstück ist ein nie versagendes Thema, das in tausenderlei Formen mit den Fortschritten der Technik in Verbindung gebracht werden kann. Statt dessen ist die alte primitive, aber malerische Werk stätte noch immer das Lieblingsdild des Dichters — der Unter gang des rückständigen Meisters, der zähe am Althergebrachten hält und keinen Schritt vorwärts geht, wird sehr wirkungs voll, aber unwahr ausgeschmückt. Er wird zum bewunderten Helden, den die finsteren Mächte der Neuzeit verschlingen. Manchmal kehrt der Roman, wenn er sich in Überzivili sation erschöpft hat, zur Mutter Erde zurück — dann wird die Scholle wieder poetisch — aber wohlverstanden, die alte Art, den Boden zu beackern. Nur möglichst primitiv! ist die Parole. Mutz denn das sein? Die schwere Kriegszeit hat uns gezeigt, was es bedeutet, auf deutscher Erde viel, so viel zu ernten als irgend möglich. Dies zu erreichen lehrt die moderne Technik. Aber viele, allzu viele von unseren Landwirten haben es noch nicht be griffen. Wir ernten weitaus nicht so viel, als wir könnten, wenn jeder, soweit es nur geht, den technischen Fortschritt aus- nlltzen würde, und da der Widerstand groß ist, muß es immer und immer wieder gesagt werden: nützet die Hilfsmittel der Zeit! Tausendfältig sind die Anregungen, die der Roman, ohne im Prinzip ein »technischer« zu sein, geben könnte. Es wird auch in den meisten Werken viel überflüssiges von den handeln den Personen gesprochen, viele längst veraltete und langweilige Dinge vom Verfasser erzählt — so müßte auch Platz genug vor- Händen sein, da und dort von dem zu sprechen, was die Technik an Gutem zu bieten vermag. 3. Roman und Naturwissenschaft. Zwar fällt die Wissenschaft nicht unmittelbar unter die Rubrik »Wirtschaftsleben«, da aber Technik angewandte Wissen schaft bedeutet und man nicht wissen kann, was von den rein theoretischen Erkenntnissen einmal praktische Form annimmt, so kann man auch daran nicht Vorbeigehen. Auch in bezug auf die Naturwissenschaften mutz sestgestellt werden, datz ihre Forschungsergebnisse recht wenig von den Romanschriftstellern verwendet werden, obwohl hierbei eigent lich die Verhältnisse viel günstiger liegen. Der Technik haftet immerhin in manchen Kreisen das Odium der Arbeit an — der Stoff ist recht spröde, und es ist sehr schwer, ihm eine schmackhafte Form zu geben. Dagegen gilt die theoretische Forschung immerhin als reine Geistesarbeit, wenn sie auch lange noch nicht so hoch eingeschätzt wird, wie Künstlerarbeit. Dazu kommt noch, daß der Stoff im allgemeinen gar kein starres Gerippe bildet — denn alles ist im Fluß, die wenigsten Forschungsergebnisse sind Positiver Natur — liegen unverrückbar fest. Der Phantasie ist viel freier Spielraum gelassen. Man kann weit über die tatsächlichen Er gebnisse hinauseilen, ohne deshalb direkt gegen die strenge Wissenschaft zu verstoßen, weil ja auch der Gelehrte sich vielfach mit Hhpothesen begnügen muß. Gewiß ist auch der wissenschaftliche Roman schon dage wesen, aber die meisten Vertreter machen dabei von der Frei heit der Phantasie einen zu weitgehenden Gebrauch und schaden der Wissenschaft mehr, als sie nützen. Aber auch nicht ausgesprochen naturwissenschaftliche Ro mane versündigen sich oft genug gegen den Geist der Wissen schaft. Zum Teil in passiver Weise, indem die handelnden Per sonen, wissenschaftlich genommen, noch im Mittelalter stehen, während die Handlung in unserer Zeit spielt, oder aber die Helden des Romans zeigen in ihrem Reden und Handeln, daß sie die wissenschaftlichen Lehren nicht begriffen haben und naturwissenschaftlich die schlechteste Note verdienen.
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