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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.09.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-09-26
- Erscheinungsdatum
- 26.09.1917
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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225, 26, Scpiember 1917, Redaktioneller Teil, Ein rein praktischer Widerspruch wäre leicht: Herr Freyer scheint im Felde nicht das Resultat einer Statistik verfolgt zu haben, das die Feldbibliotheken jüngst veröffentlicht haben. Er hätte sonst erfahren, daß der Soldat, gerade der Soldat, sich schwer lenken läßt. Seine Nerven verlangen eine bestimmte Unterhaltungslektüre — er will durchschnittlich nichts vom Krieg wissen — er hat Sehnsucht nach der Heimat, nach ihren Freuden und ihren Eigenheiten, Das war, psychologisch gefaßt, das Resultat der Statistik, Ich will nicht untersuchen, ob der Buchhandel es tatsächlich unterlassen hat, den Soldaten zu bearbeiten und für seine Zwecke zu gewinnen. Ich will auch nicht aus die einzelnen Be» Hauptungen des Herrn Freyer eingehen, daß der Soldat oder der normale Leser sich nie den Namen des Schriftstellers merkt. Fast würde man das wünschen — sonst würden Frau Courths» Mahler und Frau Käsebier nicht von'Tausenden von Menschen verschlungen werden. Der »Neuling« merkt sich Wohl den Namen, wenn sein Geschmack getroffen ist. Aber wie gesagt, über all diese Fragen will ich mich nicht unterhalten. Nur die Grundtendenz des Artikels, sozusagen die Wege, die Herr Freyer vorschlägt, müssen vom reklame technischen und vom kulturellen Standpunkt aus nachdrücklich bekämpft werden. Der adelige märkische Freund des Herrn Freyer würde tot- sicher einen Roman mit dem Titel »Irrungen und Wirrungen« bei weitem einem Schlagwort »Märkische Adelsgeschlechter« vor ziehen; es sei denn, er wäre ein Junker alten intelligenten Schlages, der persönliches wissenschaftliches oder kulturelles Interesse für sein Adelsgeschlecht hat. Im großen und ganzen würde ein Prospekt mit dem Schlagwort »Märkische Adels- geschlechter« nicht für Fontane werben, sondern von Fontane als Romanschriftsteller abschrecken. Dieses Schlagwort wirkt wissenschaftlich, kulturhistorisch. Der Soldat draußen, sofern er Neuling, Nur-Leser ist, will Unterhaltungsstoff. Damit will ich keinesfalls sagen, daß die Gruppierung nach einem gewissen Stoffgebiet zu verwerfen wäre. Im Gegenteil: der Buchhandel hat nicht nur ein Interesse daran, sondern es ist auch eine lohnende Aufgabe, das Stoffgebiet einzelner Lite raturen zu sondern und zu gliedern. Die Barsortimenter geben seit einigen Jahren Verzeichnisse heraus, in denen die Roman literatur auch nach dem Stoffgebiet gruppiert wird. Das ist eine dankenswerte Aufgabe, deren Lösung sicher dem Publikum Nutzen bringen wird, und mit der auch dem Autor gedient ist. Es gibt Menschen, die z, B. historische Romane nicht gern lesen 7- würden sie einmal durch einen modernen Titel dazu verlockt, so verlieren sic vielleicht für längere Zeit das Interesse an der Lektüre überhaupt. Also gegen Gruppierung des Stoffgebietes ist nicht nur nichts cinzuwenden, sondern man soll den Gedanken wärmstens unterstützen. Aber die Gruppierung des Romanstoff-Gebiets darf nicht den Charakter der Wissenschaftlichkeit annehmen, wie es Herr Freyer durch sein Schlagwort »Märkische Adelsgeschlech- ter« vorschlägt. Ganz energisch muß ich die Anschauung bekämpfen, daß die Kritikim volkstümlichen Werbeblatt keine Wirkung aus» übt und fortgelassen werden soll. Das wäre ein nie gut zu machender Krebsschaden für den gesamten Buchhandel, Eine gut gewählte Kritik von zehn Zeilen kann mehr Bücherfreunde werben, als zehn, selbst von Fachleuten entworfene Prospekte, Das wird mir jeder Buchhändler bestätigen. Es kommt selbstverständlich darauf an, wie die Kritik aus gefallen ist; in erster Reihe: ob die Kritik ein Bild des Werkes, die Essenz eines Kunstwerkes oder den Inhalt einer Erzählung in so spannender Form widcrgibt, daß sie den Leser anregt und veranlaßt, das Buch zu lesen. Es kommt selbstverständlich auch auf die Zeitung an, den Klang ihres Namens oder den Namen des Kritikers, Aber darauf ist Wohl weniger Gewicht zu legen: wenn die Kritik es versteht, Interesse für das Buch wachzurufen, dann gibt'S kaum eine bessere Werbemöglichkeit als die Kritik, Herr Freyer will ja Neulinge, Laien, Halbgebildete ge winnen — ist es da nicht zu viel, wenn er von »charakteristischen Momenten in der Kunst des Schriftstellers« spricht, ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Was weiß der Laie, was will der Neuling von diesen »charakteristischen Momenten« wissen? Täuschen wir uns doch nicht: die meisten Durchschnittsleser wollen ein »interessantes« Buch, Einleitung und Kritik des Prospekts müssen also dieses Interessante und Lesenswerte unterstreichen, wenn es sich um ein Buch für das große Publi kum handelt. Durch das originelle Schlagwort soll das Publi kum angezogen werden, die Einleitung und die Kritik zu lesen. Einleitung und Kritik selbst sollen gewissermaßen das Schlag wort für das Buch sein, sollen Stimmung und Interesse für das Buch Wecken, --- Das Werbcblatt soll »das Charakteristische der Werke eines Schriftstellers unter einer entsprechenden, Werbekunst be weisenden Überschrift hervorheben«. Dieser Satz allein zeigt den falschen Weg, den Herr Freyer cinzuschlagen rät. Als Reklamefachmann mutz man das Bestreben abweisen, Prospekte zu schaffen, deren Überschrift Werbekunst beweist, Wehe dem Prospekt, dem man die Werbekunst ansieht! Dem besten, ge lungensten, wirksamsten Prospekt soll die Werbekunst nicht an gesehen werden — im Gegenteil, der Prospekt soll ohne jede Künstlichkeit und ohne jede Kunst zum Leser in seiner Sprache sprechen. Vor dem Kriege hatten wir Bestrebungen genug, die darauf hinzielten, den Romanleser sozusagen hinauszubilden. Die Be strebungen mißlangen, mutzten mißlingen, weil die Er ziehung des Geschmackes nicht eine Frage des Prospekts, sondern des Buches ist. Ich stehe also auf dem entgegengesetzten Standpunkt: Das Werbeblatt für Bücher soll möglichst viel das Buch selbst spre chen lassen, soll durch Kritiken ergänzt und vervollständigt wer den, Ein gutes Schlagwort soll nicht literarische Rubriken und charakteristische Betonungen enthalten, sondern populär wirken, zu den umworbenen Kreisen in ihrer Geschmacksrichtung sprechen. Wer die Werner und die Marlitt gern liest, wird für Ger- hart Hauptmann und Arthur Schnitzler schwer zu gewinnen sein, wenn der Prospekt ihm die sozialen Themata Gerhart Haupt- manns oder die gesellschaftlichen Finessen Arthur Schnitzlers des langen und breiten klar macht. Es wird aber vielleicht ge lingen, wenn das Schlagwort ihm die Werke Hauptmanns und Schnitzlers schmackhaft macht, wenn die Kritiken der Blätter, die er kennt, betonen, daß diese zwei Dichter das G e s e l ls ch aft s - leben der Zeit behandeln. Hier haben wir also die not wendige Rubrizierung des Stoffgebietes — dann vielleicht kann auch der Marlitt-Leser zur guten Literatur geführt werden. Alles Weitere muß dem persönlichen Geschmack, der inneren Ge schmacksrichtung und ihrer Fortbildung überlassen werden, Herr Freyer hastsich ein Verdienst damit erworben, daß er gegen die nichtssagenden, schalen Redensarten der bisherigen Buchhändler-Reklame auftritt. Aber der Weg, den er zeigt, ist meiner Meinung nach noch nicht der richtige. Der Phrasen schwulst im Buchhändler-Prospekt mutz verschwinden, aber er darf nicht durch neue Phrasen und neue Klischee-Ausdrücke ver unstaltet werden. Aus dem Geist des Buches mutz die Reklame für das Buch geschaffen werden. Es gibt keine bestimmten Normen dafür — das Buch als Produkt des Geistes mutz auch mit Geist und mit Psychologie angekündigt werden. Noch einmal: „Kalender-Reform". In Nr. 180 des »Börsenblatts« hatte der Unterzeichnete, seit länger als zwei Jahrzehnten in der Kalenderbewegung stehend, den von Herrn I. A. Fabra in Osnabrück vorgeschlagenen und durch Beispiele er läuterten »Germanischen Kalender« einer kritischen Besprechung unter zogen. Wohl nur wenige Leser werden in dieser Besprechung per sönliche Angriffe auf Herrn Fabra erblickt, sondern nur eben eine sachliche Kritik des »Systems«, das Herr Fabra zur Anwendung vor schlägt, erkannt haben. Ich halte es deshalb auch nicht für nötig, mich gegen den Vorwurf des »Persönlichen« verteidigen zu müssen, ergr-ife aber gern die Gelegenheit, noch einmal kurz auf die Sache selbst zurückzukommen, nn? so mehr, als mir von Herrn Fabra einige dan kenswerte Aufklärungen übersandt morden sind. Wir leiden unter Papierknappheit, und deshalb muß ich mich sehr kurz fassen, werde aber hoffentlich nach dem Kriege, und wenn die Presse sich wieder freier bewegen kann, ans die Sache eingehend zurückkommen. 1107
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