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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.04.1920
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- 1920-04-06
- Erscheinungsdatum
- 06.04.1920
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^ 72. 6. April 1920. Redaktioneller Teil. gegenüber dem neuen Lehrbuch, das der Herr Minister herausgeben will, keine Freiheit mehr sein? Welcher Historiker von Nus würde es wohl wagen, ein Geschichtsbuch zu schreiben, das in jeder preußischen Schule benutzt werden muß? Es gibt große Verschiedenheiten in der Geschichtsphilosophie und fast allen wissenschaftlichen Grundfragen; es gibt verschiedene Schulen unter den Forschern; es gibt konfessionelle und landschaftliche Verschiedenheiten; cs gibt Verschiedenheiten von Ideen und Idealen. Darum ist eine Verschiedenheit der Lehrbücher nötig. Denn e i n Lehrbuch für alle wird ein Zwangsbuch. (Sehr wahr!) Zoll tm etwa jetzt der Grundsatz gelten: ouius v6§ic> eius religio? Das wäre in der Tat ungeheuerlich. ES wäre aber auch nndurchsühr- ->ar. Denn die Geschichtslehrcr sind doch nun innerlich so weit erstarkt, oaß sie eine Einheitsfront bilden würden, wenn man ihnen ein von rg-endeinem noch so namhaften Historiker geschriebenes Lehrbuch auf- ^wingen wollte. (Sehr gut! rechts) Der Minister proklamiert aber auctz die Freiheit der Eltern gegen über dem Lehrbuch. Bisher prüfte die Behörde die Bücher, und cs war dann ein Zwang, die Bücher anzuschaffen. Soll nun jeder Vater eine Nachprüfung anstellen können? Eine Reibung zwischen der Mei nung des Elternhauses und dem, was die Schule lehrt, ist ganz un vermeidlich. Soll aber jetzt jeder Vater sagen können: dieses Lehr buch paßt mir nicht, das kaufe ich nicht, ich kaufe meinem Jungen ein anderes Lehrbuch, als hier vorgcschlagen wurde, — und dann kommen die Zungen mit 10 bis 12 Lehrbüchern, in denen allen etwas anderes steht, und tragen das dem Lehrer vor, und der mag dann sehen, wie er fertig wird? Soll die Freiheit der Eltern dem Lehrbuch gegenüber auch, dem neuen Lehrbuch gegenüber gelten? Wenn uns ein Lehrbuch anfgezwungm'.werden sollte, bann müßten wir in der Lat die Freiheit der Eltern von dem Lehrbilch auch in Anspruch neh men. Oder soll vor dem großen Historiker des Ministers der Vater die Segel streichen, soll nur der Vater von links jetzt ein Lehrbuch ab lehnen dürfen und später ein Vater von rechts es nicht dürfen? Nichts ist heute so umstritten wie die Geschichte. Noch hat sich in diesen verworrenen Zeiten ein klares Allgeineinurteil über das, was geschichtlich ist, nicht heraib'gcbildct. Oder haben etwa die regieren den Parteien eine gemeinsame geschichtsphilosophische Orientierung? (Sehr gut! und Heiterkeit rechts) ltzewiß, auch für uns ist die Vergangenheit wieder problematisch ge worden, (sehr richtig! rechts — Hört, hört! links) und jedes Zeitalter hat die Aufgabe, sich ein eigenes, neues Bild der Vergangenheit herzustellcn. (Sehr richtig!) Dieser Aufgabe werden wir uns nicht entziehen. Aber noch stehen wir m einem solchen Umwandlungsprozeß, in einem solchen Chaos, daß über das, was die Gegenwart an Neuorientierung bietet, eine Einheit noch nicht besteht. Der Versuch aber, diese Fermente der Umwandlung schon jetzt in die Schule zu tragen, muß alles das, was wir ruhige Bil dung im Sinne Goethes nennen, in der Schule verhindern. Wir ringen noch alle mit diesen Problemen. Noch hat sich kein klares Bild gestaltet, das unsere Fugend verstehen könnte. Feder Zwang aber ans diesem Gebiete hat genau das Gegenteil zur Folge; er wirkt da crennend, wo wir uns auf gemeinsame Ideen und Fdeale besinnen sollten. Mir ist mis dem besetzten Gebiet erzählt worden, dnß jetzt Frank reich eine große Propaganda für Privatunterricht unternimmt und in oiescn Privatschnlen die französischen Schulbücher cinsührt. Wenn man diese französischen Schulbücher liest, dann kann man sehen, was natio nalistisch und chauvinistisch ist; und in diesem Augenblick wollen wir auch für diese Gebiete ans das Gegenmittel verzichten, daß wir uns auch ans unsere Nation, ans unsere nationalen Heiligtümer und Fdeale, ans unsere.große Vergangenheit besinnen! In diesem Augen blick schlagen wir unseren deutschen Kindern in dem besetzten Gebiet sie Geschichtsbücher einfach ans den Händen! (Sehr richtig! rechts) Ich sage weiter: welche Verwirrung muß es in der Seele der Schüler erregen, wenn ihnen jetzt durch einen Ministerialerlaß mit eincmmal llargemacht wird: alles, was ihr bis jetzt in eurem Ge schichtsunterricht gehabt habt, was in euren Geschichtsbüchern stand, war falsch. Jedenfalls muß cs eine gewaltige Erschütterung in unse rer Fugend geben, die sowieso schon in ein Chaos von Empfindungen hineingcstürzt ist, wenn ihr jetzt auch die geschichtliche' Überzeugung, die sie bis jetzt gehabt hat, unsicher gemacht wird. Unsere Jugend hat gewiß nicht mehr so viel Positives, daß wir ihr das letzte Positive noch rauben sollten. Ist cs wirklich schon heute am Platze, die preußi schen Helden und Heerführer, wie der Abgeordnete König cs neulich wollte, durch Herrn Fritz Ebert zu ersetzen? (Zuruf bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei) Sic haben doch mit Herrn Bebel auch Pcrsonenkultus getrieben. Ter Augenblick zu einem solchen Urteil über den bisherigen Geschichtsunter richt und die bisher gebrauchten Lehrbücher ist denkbar unglücklich gewählt. Sollen in den Geschichtsbüchern die großen Symbole unserer Vergangenheit so beseitigt werden, wie der Minister Heine sie jetzt von den Häusern beseitigen will? Das mag hingehcu, das läßt sich ab schlagen. Aber der Versuch, diese geschichtlichen Symbole ans unserer Vergangenheit, von denen Sic auch zehren, ans unseren Herzen zu reißen, wird nicht gelingen. (Sehr richtig! rechts) Er wird einen Gegenstoß erzeugen, der Ihnen schädlich ist, denn der Versuch, durch den Geschichtsunterricht die sozialdemokratischen Ideale zu bekämpfen, ist glänzend mißglückt. Warum ist er mißglückt? Weil jeder Druck Gegendruck erregt. Uud wenn Sie nun den entgegenge setzten Versuch machen und unsere geschichtlichen Fdeale uns rauben wollen, so werden Sie die gleiche Erfahrung machen. (Zuruf bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei) — Gewiß wollen Sie das machen! Der Herr Minister will jetzt das neue Lehrbuch herausgcbcn, und Sie wollen August Bebel als Helden anfnchmcn, und Herr König will Ebert als Nationalhelden ans'iihren. Jedenfalls ist für den Herrn Minister das treibende Motiv kein methodisches — das ist nur ein künstlicher Unterbau , cs ist ein rein parteipolitisches gewesen. (Sehr richtig! rechts) Es muß zugegeben werden, daß unsere Lehrbücher der Arbeiterbe wegung nicht gerecht geworden sind, und daß sie auch vielfach die große Bewegung der Sozialdemokratie unterschätzt und mit Mitteln bekämpft haben, die die Geschichtslehrcr schon längst abgelehnt haben. (Zuruf bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei) Taktvolle Lehrer haben das längst abgestellt. Sic haben das von dem Augenblick an abgestellt, als bei Beginn des Krieges die Sozial demokratie in die nationale Einheitsfront einrnckts. Von dem Augen blick an werden Sic kaum noch einen Fall angeben können, wo die Sozialdemokratie in der Schule in taktloser Weise bekämpft worden ist. Tal'losc Lehrer aber gibt es in jeder Partei. Herr Ministerialdirektor Fahukc hat nun seine Maßnahmen ge schichtsphilosophisch unterbaut und hat angeöcutet, daß er zwar die Frage, ob große Persönlichkeiten oder die Masse das Treibende in der Geschichte sei, hier nicht lösen wolle. Er hak aber doch angeücutet. daß die materialistisch-sozialistische GeschichtSphirvsophie mehr berück sichtigt werden sollte, als es bisher geschehen ist. Nun kann inan über diese Geschichtsphilosophic denken wie man will. Ich möchte besonders die Arbeiten von Herrn Trocltsch darüber den Herren Sozialdemo kraten zur Lektüre empfehlen. Daran aber kann g-'r kein Zweifel sein: für unsere Geschichtserziehung können wir dreierlei nicht entbehren: 1. die Hcldenverehrung — ich gebe zu, daß wir den Begriff Helden nach mancher Richtung erweitern müssen, 2. den Zusammenhang mit unse rer nationalen Vergangenheit und 3. die großen in der Geschichte sich auSwirkendcn Ideen. Diese drei Grundpfeiler des Geschichtsunter richts werden wir uns nicht zertrümmern lassen. Die mechanische Ge schichtsauffassung, die die Gesetze der Mechanik, die Naturgesetze auf die Geschichte übertragen will, ist für die GeschichtSerzichung un fruchtbar und unmöglich. Auch die Sozialdemokratie hat ja im Gegen satz zu ihren Theorien Ideen und Ideale in der Geschichte anerkannt, sie ist glücklicherweise in diesem Falle inkonsequent gewesen. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) - Jawohl, ich möchte auch hier auf die Arbeiten von Trocltsch ver weisen. Unser Geschichtsunterricht soll erziehen, er soll begeistern, und wenn der Nus: Zurück zu Fichte! hier erhoben worden ist — und die Sozialdemokraten rühmen sich ja auch mit Fichte in einem ge schichtsphilosophischen Zusammenhang zu stehen —, so glaube ich, daß wir in einem Rückgang auf die Fdeen von Fichte und Kant und Hegel und auf die großen Männer der Freiheitskriege uns wohl ans einem ge meinsamen Boden finden können. Allerdings glaube ich, daß das Ge schichtsbuch dann doch anders anssehen wird als das Geschichtsbuch, das uns Herr Hacks heute im Umriß gezeichnet hat. Das allerding-:- möchten wir ablehncn. (Bravo! bei der Deutschen Volkspartei) Vizepräsident I)r. v. Kries: Die Besprechung ist ge schlossen. * Zu einer persönlichen ykemcrkung hat daS Wort der Abgeordnete Hacks. Hacks, Abgeordneter (Soz.-Dem ): Um das Entstehen von Le genden zu verhüten, möchte ich ans einige Punkte Hinweisen. Zunächst wurden so Anspielungen gemacht, als ob ich (Glocke des Präsidenten) Vizepräsident Vr. v. Kries (den Redner unterbrechend): Herr Abgeordneter, das ist keine persönliche Bemerkung, das ist sach lich. Zur Sache darf ich Sie nicht sprechen lassen. 309
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