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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.02.1920
- Strukturtyp
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- Band
- 1920-02-23
- Erscheinungsdatum
- 23.02.1920
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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«Sri»»»!-« >, d. T'ILn NuLb-.ridU. Redaktioneller Teil. .di° 44, 33. Februar 1920. Der drohende Umsturz der Rechtschreibung. Von Robert Voigtländer. Nachdruck gestattet?) Durch die Zeitungen gehen seit einiger Zeit kurze Nachrichten über eine von einem berufenen Vorausschutz dem Reichs» schulausschuß empfohlene Änderung der nach den Regelun gen von 1880 und 1901 jetzt gebräuchlichen Rechtschreibung. Daß die Änderung ein Umsturz werden soll, erfuhr die Öffentlichkeit kürzlich im »Berliner Lokalanzeiger« (Nr. 63 v. 4. Febr.) durch ein Mitglied des Vorausschusses, den Wirkl. Geh. Oberbaurat vr. Sarrazin, den Vorsitzenden des Allg. Deutschen Sprach vereins. Da der Inhalt dieser Mitteilungen nach meinen Wahr- nehmungen noch lange nicht ihrer Bedeutung entsprechend be achtet worden ist, so wiederhole ich hier das Wesentliche. Es heißt da: „Da wäre zunächst die Bestimmung zu nennen, daß der i-Laut stets durch einfaches i zu bezeichnen ist: Brif, Libe, blib, trib, Akademi, Manir, Barbir, alle Zeitwörter auf -iren, wie studi- ren, regiren usf. Sodann die Vorschrift, wonach das bisherige Dehnungs-h überall zu beseitigen ist (womit übrigens 1901 schon der Anfang gemacht wurde); ebenso das h nach r und !, sodaß man schreibt: Stal, Zal, zämen, änlich, järlich, faren, nären, seien, ir, irig, Möre, wol, onc, Stnl, füren, Gebären usw.; ebenso Katarr, Nabarber, Rinozeros, Katedrale, Katete, Teater usf. Wei terhin soll die Verdoppelung der Selbstlaute grundsätzlich weg fallen und nur in dem einen oder anderen Ausnahmefall bestehen bleiben, wenn sie zur Unterscheidung von gleichlautenden Wör tern aus Zweckmässigkeitsgründen als unbedingt notwendig er kannt werden sollte. Mit gleichem Vorbehalt soll statt ai nur ei geschrieben werden. Der k-Laut wird nur durch k, der z-Laut nur durch z bezeichnet, also Akazien, Razion, Paztent, Karakter, Kolera. Statt ck wird kk geschrieben (wie die anderen Mitlaut verdoppelungen), sodaß das bisherige Regelchen für die Silben trennung (Hak-ke) entfällt. Für die drei Laute ks, cks, chs tritt überall der Buchstabe x ein. Wie Hexe, so schreibt man Eidexe, Gewäxe, Klex (jetzt Klecks), Dax, Wax usw. Auch die drei f< Laute <f, PH, v) werden, wo sie wie f gesprochen werden, nur mit f geschrieben: fäterlich, Fater, Feilchen, ferzeihen, Forteil, Fogel, Fotograft, Fosfor usw., sodaß der Buchstabe v in deut schen Wörtern wegfällt und je nach der Aussprache durch f oder w ersetzt wird. „War im äußeren Schriftbild zunächst am ungewohntesten anmuten dürfte, ist die vorgeschlagene Beseitigung der Groß buchstaben bei den Dingwörtern. Sie sollen im wesentlichen nur bcibehalten werden im Satzanfang uüd bei Personen-, Orts und Ländernamen, vielleicht noch in wenigen bestimmten Aus- nahmesällen. Nun ist bekanntlich das menschliche Auge ungemein anpassungsfähig und wird sich auch an das so geänderte Schrift bild bald gewöhnen. Wer beruflich gehalten ist, Grimms Deut sches Wörterbuch oft zu benutzen, der weiß, wie schnell ihm die Kleinschreibung der Dingwörter zur Gewohnheit geworden ist. Und mit Recht wurde im Fachausschuß betont, daß wir die vorzunehmende Neuordnung ja weniger für uns Lebende machen als vielmehr für alle Geschlechter der Zukunft, die von unfern Gewohnheiten nichts aus die Welt mitbrlngen und die Klein schreibung der Dingwörter von vornherein vorsinden. „Damit wären die wesentlichsten Änderungen der neuen Rechtschreibung gegen die bisherige erschöpft. „Und nun möchte ich zum Schluß den Lesern noch eine »klas sische« Probe in der geplanten neuen Rechtschreibung als »Kost probe« vorführen, aus der sie sich überzeugen mögen, ob die ausgesprochene Befürchtung Grund hat, daß wir unsere Lieb- lingsdichter und -schriftsteller demnächst kaum noch würden ver stehen können. Ich wähle das uns allen bekannte Selbstgespräch aus dem 4. Aufzug von Schillers »Wilhelm Tell«: ') Um an unserem Telle zu einer umfassenden Verbreitung dieses Mahnrufs belzutragen, werben wir davon Sonberabdrllcke Herstellen lassen, die wir Interessenten zum Preise von AI Psg. für das Stück zur Verfügung stellen. Red. 178 »Durch dis« hole gösse muß er kommen, es sürt kein andrer weg nach Kllßnacht — HIr sollend' ich's. — Dt gclegenhett ist günstig. Dort der Holunderstrauch verbirgt mich lm, son dort herab kann in mein pseil erlangen, des iveges enge weret den sersolger». Mach' deine rcchnung mit dem Himmel, sogt, fort mußt du, deine ur ist abgelaufen. Ich lebte still und harmlos — das geschoß war aus des waldeS tire nur gerichtet, meine gedanken waren rein son mord. — D u hast aus meinem sriden mich heraus gcschrckkt, in gärend drachcngist hast du di milch der frommen denkart mir serwandelt, zum ungeheuren hast du mich gewönt. — Wer sich des.lindes Haupt zum zile setzte, der kann auch tressen in das Herz des seinds.« Wer sich die Dichtung, fügt Herr Geheimrat Sarrazin hinzu, in dieser Form acht Tage laug täglich ein- oder zweimal laut vorlese, der werde darin am neunten Tage nichts Ungewohntes mehr empfinden. Nun, mir ist es beim Lesen und Wiederlesen dieser Umkleidung eines den meisten Deutschen teuren Kunstwerks mit einem ausgeklügelten Papierdeutsch zumute, als ob Schiller noch im Grabe und mit ihm die deutsche Sprache geohrfeigt werde. Glaubt man im Ernst, derart mit dem Schatz deutschen Schrifttums, mit Poesie und Prosa, mit Toten und Lebenden umspringen zu können? Liest man die zu diesem Zweck ersonnenen Regeln, so mögen sie auf den ersten Blick als leidliche Vereinfachung erscheinen. Man meint offenbar, folgerichtige Richtlinien aufstellen zu können; man will sie lautgemäß etnrlchten. (Schreibe, wie du sprichst!) Bei ein wenig Tiefergehen stoßen wir aber sofort aus Unmöglichkeiten. So würde zur Folgerichtigkeit vor allem gehören, daß man s durch sch ersetzt, wo man es so sch-pricht. Und das geschieht mit Ausnahme von Niedersachsen in ganz Deutschland. Wir sch-taunen, sch-tolpern, sch-türzen usw. Es handelt es sich um eine mächtig große Gruppe von hochdeutschen Wörtern; außerdem noch um solche, die man beim bequemen, launigen oder landsmännischen Sprechen gern gebraucht, z. B. Fürscht, Minischter, Durschi, Wurscht, ischt, die also ebenfalls ihr Bürgerrecht im Volksmunde, auch dem gebildeten, haben und es behaupten werden. Wer folgerichtig lautgerecht schreiben will, mutz dem folgen und käme dann zu Neuerungen wie dieser: Es schtrümt das folk, es schtürzcn sich die jungen dem schtaub der schtadt im Übermut entschprungen, ob dlrn, ob bub — frei, frei der schule hast, nicht schtokk, nicht schiel» hemmt die verhaltne kraft. Also entweder, ihr Herren Reformer, gesteht, daß man nicht »ganze Arbeit« machen kann, wie ihr verheißt, oder schpringt auch über schtokk und schlein. Ein drittes gibt's nicht. Aber der Klippen gibt's noch mehr. Auch der Hochdeutsche spricht: »Geh wech« (oder weck) I Dagegen: »Weg hast du aller wegen«. Das g vertritt eben mehrere Laute; wer aufs Laut- mäßige aus ist, müßte mindestens noch ein gedämpftes Schrist-k schaffen, womit er nicht viel kegenltbe finden dürfte. Der Sachse wird noch lange seinen Kampf mit dem »Weichen« p und t, dem »harten« b und d, mit g und k fortsetzen. Was muß hecaus- gommen, wenn man dem sächsischen Schulkinde aufgibt, laut- gemäß zu schreiben I Und so reihum in den deutschen Gauen. Das Hochdeutsch, das die Schriftsprache wiedergeben soll, wird durchaus nicht überall gleich ausgesprochen. Der Ostpreuße spricht, auch wenn er hoch deutsch zu reden meint, Ostbreiße, Kenigsbarch; der Schwabe Kuchentaik (a-i leicht getrennt betont; dagegen scharf Fisch teich), Geischt, Ascht; dem Berliner hat Jott den Verstand je leben; am Rhein wachse de Trauwe an de Rewe. Das alles ist noch keine Mundart oder streift nur daran. Aber die Schule, um derentwillen angeblich dieser Pedantenlärm erhoben wird, besuchen in Masse Kinder, die nur Mundart kennen. Wer da lautgemätzes Schrifthochdeuisch aufpfropfen will, kommt unfehlbar in die Brüche. Es ist nicht anders: Schriftdeutsch ist eine Sache für sich; man mutz viel lesen, damit die Wort bilder sich einprägen; man lernt es mehr mit dem Auge als
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