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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.11.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-11-11
- Erscheinungsdatum
- 11.11.1920
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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vor der Auklion auf dem Boden knieend, tue ach so zahlreichen Almanachbändchen ordnend. Stargardl war — an und für sich zerstreu! — etwas durcheinander, denn unglücklicherweise war in diesen Tagen dar alle Faktotum gestorben; er, der alte Packer, allein konnte die Schlaguhr im Geschäft aufziehen und stellen. Als der Uhrmacher heibeikam, redete Slargardt den von nichts wissenden Handwerker mit den Worten an: „Ja, ja, der Mann ist tot"; mit einer Gebärde mach der Uhr zeigend, ging er achselzuckend im Zimmer aus und ab und rief dem verdutzten Uhrmacher zu: „ja, deutlicher kann ich es nicht!". Aber trotz dieses kapitalen Zwischenfalles nahm die Versteige rung doch zur rechten Zeit ihren Anfang und ihr Ende, und der Erfolg war durchaus befriedigend. Dann entsinne ich mich als Vorläufer meiner eigentlichen späteren Auktionszett einer Versteigerung in Colmar durch einen einheimischen Notar, der im Elsaßdeutsch die Auktions bedingungen vorlas und dann munter französisch zu ver steigern fortfuhr, wie ich diese zweisprachige Handhabung auch in Straßburg mehrfach erlebt habe. Einen sehr schönen Per- gamentdruck, eine frühe Ptolemäus-Ausgabe und manches andere erwarb ich damals mit Stolz, und als idealer Genuß blieb der Eindruck, den das grandiose Grünewaldsche Altar bild hinterlietz. — Auch eine i» Frankfurt stattgehable ge richtliche Nachlatzversteigerung möchte ich erinnernd streifen, die durch einen charakteristischen humoristischen Zwischen fall in meinem Gedächtnis haften geblieben ist. Wir waren alle zur Stelle, als um drei Uhr die Auktion beginnen sollte, im Hofe des Hauses; sämtliche Antiquare und was sich dazu rechnete, nur der alte Schwelm fehlte. Mit ent sprechender Verspätung erschien dann der vereidigte Beamte und führte uns drei Treppen hoch zu einer grotzen Boden kammer; das Vorlegeschloß wurde abgenommen, und in der Mitte der zu versteigernden Schätze saß der alte Schwelm, rauchend und aus listigen Augen schmunzelnd die Ankommen den begrüßend. Er allein halte es verstanden, sich den vor herigen Eintritt in das Heiligtum zu sichern. Der eigentliche systematische Besuch der Bücher- und Kunstauktionen beginnt sür mich erst mit meiner Etablierung von 1899 an. Seit dieser Zeit haben nur wenige Versteige rungen von Bedeutung stattgefunden auf den speziellen Ge bieten des Autographenhandels, der Graphik und des biblio philen Antiquariats, bei denen ich nicht zugegen gewesen wäre und für die ich nicht Aufträge zur Ausführung über- nommen Härte. Meine ersten Auktionsreisen waren nach Hol land gerichtet, einem mir bis dahin aus persönlicher Anschauung unbekannten Land, das mich mit seinen weiten stillen Flächen, den viehreichen Wiesen, von unzähligen Kanälen durchschnitten, den ebenso zahlreichen Windmühlen und den schönen Sil houetten seiner altertümlichen Städte gefangennahm durch seinen eigenartigen Reiz. In der stillen Universitätsstadt Leyden wohnte ich eine Woche hindurch der des Abends um sieben Uhr beginnenden Versteigerung bei im »Tomplum 8aI»moin--<>, dem Geschäftshause von Burgersdijk L Nier- mans, mit obligaterTee-Kredenzung, als einzigerDeutscherunter lauter holländischen Kollegen. Dann fuhr ich nach Amsterdam hinüber und wohnte beim alten Bom in einem mit Holz- dänken sehr primitiv ausgestatteten Raume einer Ridinger- Versteigerung bei, der sich dann noch eine Kupferstich-Auktion durch R. M. P. de Vries moch unter der Leitung des alten Herrn — auch jetzt wie Bom verschieden) im Hotel Krasno« Polski anschloß. Von da ging es nach Gent, wo wertvolle burgundische Miniaturen-Manuskripte und eine umfangreiche geschichtliche Bibliothek verauktioniert wurden. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Quaritch jr. kennen, den einzigen Sohn des berühmten Londoner Antiquars. Quaritch ging bei dem Auktionskampf als Sieger gegen Jacques Ro sen il) al hervor um einen Caxtondruck, der für 39 000 Francs verkauft wurde, obgleich er unvollständig war. Quaritch, eine wohlbeleibte, große Figur bildete mit seinem englischen Phlegma einen scharfen Kontrast gegen den beweglichen Münchener Antiquar. Es begannen meine jahraus, jahrein sorlgesetzten Besuche der Gutekunstschen Mai-Auktionen. Stuttgart im Mai ist reizend, die freundliche damalige Residenzstadt mit dem Pracht- vollen Königsplatz, dem weitläufigen Schloß, dem herrlichen, bis Cannstatt sich hinziehenden Park, dem allen Schloß und seinem rebengeschmückien grünen Bergkranz, stimmt das Gemüt unwillkürlich heiter, so daß die Tage dort immer den Teilnehmern zur Hälste als Erholung neben angestrengter Arbeit galten. Zu dem wurden die regelmäßig sich einfindenden Auktionsbesuchcr gute Bekannte und des Abends vereinigten sich die zusammen- passenden Gruppen meist zu geselligen Wein-Kneipereien aus den Höhenwirtschaftcn, von denen man auf das erleuchtete Stadtbild herabschaute. Während der ersten Jahre meiner Siuttgarter Besuche hielt der alte Kommerzienrat Gutekunst die Versteigerungen noch persönlich ab, dann löste ihn in der Leitung sein Nachfolger Will). Gaiser ab. Beider Bild habe ich in meinem Aufsatz »Schattenrisse deutscher Antiquare« «Bbl. 1916, Nr. 154) zu zeichnen versucht. Im Versteigerungs lokal, dem Königsbau, traf man außer den Landsleute^ Franzosen, Engländer, Amerikaner, Holländer, Schweden, Dänen. > Unter den Franzosen ragte als Senior Dan los aus Paris hervor, eine mittelgroße, schlanke Figur, trotz seiner Jahrei von elastischer Haltung mit ausdrucksvollen, äußerst beweglicheitz Gesichtszügen, mit verbindlicher Handgeste seine Kompli» entel und Aperqus begleitend. Die Herren Kennedy und Keppel aus New Jork vertraten glänzend Amerika, auch ein Neffe Morgans war des öfteren da. — Rom sandle den unendlich redseligen, kleinen Kempner, dessen sprudelnde Lebhaftigkeit und dauernde Magenverstimmung chronisch waren. Die deutschen Kollegen waren natürlich alle voll zählig da; wie manchen freundschaftlichen Abend habe ich mit ihnen verleben dürfen, und wie mancher ruht schon längst aus von allen Auktionen I — Auch die Leiter der Kupserstich- kabinette, wie die großen Sammler traf man natürlich an, den feinsinnigen Dresdner Geh.-Rat Lehrs, De. Singer, die Berliner Herren Geh.-Rat Friedländer, vr. Springer, i>r. Pauli, damals Bremen, jetzt Hamburg, Lichtwark, l)r. H. Pallmann, München, und andere, die ausländischen Kabi nette nicht zu vergessen. Alle diese Herren waren ständige Besucher der Gutekunst-Auktionen. Dramatisch bewegte Szenen gab es häufig; so erinnere ich mich eines interessanten Kampfes zwischen zwei deutschen Kupserstichkabinctten anläßlich eines kleinen Blattes, das Gaiser inner Binck, Pieta, aufgesllyrt hatte und das mit 60 aus den Auktionstisch geworfen wurde. Die Direktoren beider Kabinette hatten erkannt, daß es sich um ein sehr seltenes unbeschriebenes Blatt <wohl Altdorfers) handelte, und nach scharfem Bieten fiel es dann einem Insti tut mit 5000 zu. Solche spannende Momente waren auf den Stuttgarter Versteigerungen nicht vereinzelt. Bei der Lanna-Auklion brachte das höchstbezahlte Blatt Dürers, der heil. Hieronymus, 6. 59, 26 400 .^i, in der im Mai d. I. erfolgten Versteigerung Paul Davidsohn, durch C. G. Boerncr in Leipzig, erzielte Dürer, Adam und Eva, li. 1, 200 000 der heil. Hieronymus in der Zelle, ö. 60, 170 000 .^«. Ich führe das nur an, um zu zeigen, wie in dem Zeitraum von elf Jahren, 1909 — 1920, sich die Preise verändert haben, selbst wenn man die Valuta in Betracht zieht. — Bildete Stuttgart vor zehn bis zwanzig Jahren den Hauptanziehungspunkt für den Kupferstich- und Handzeichnungssammler, so bot außerdem sür Süddeutschland München mit den zahlreichen Heldingschen Versteigerungen, die, mehr allgemeinen Charakters, namentlich auf das Gebiet des Antiquitätenhandels hinübergrifsen, nebst den Hallcschen Farbstichauktionen, wieder andere Reize; der Besuch der Galerien, soweit man Zeit dazu fand, der Hof oper, des Restdenztheaters, der verschiedenen Bräue war bisweilen noch anziehender als die großen Aukiionssäle Helbings, obgleich es dort des Interessanten die Fülle gab. Wien kam sür mich selten an die Reihe, nicht daß es weniger zog, iw Gegenteil; der eigentümlich bestrickende Reiz dieser Stadt (alles das gilt vor dem Kriege) übte Wohl seine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, aber die Versteigerungen j waren, mit Ausnahme der Auktionen bei Wawra und Gil- ILK2
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