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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.11.1920
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- 1920-11-20
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- 20.11.1920
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X- 262, 2V. November 1S2V. Redaktioneller Teil. als werbend wirksam erschien, denn es bestand für ihn kein Anlaß, jene Kritiker, die sich zur abfälligen Beurteilung eines geschenkten Buches berufen fühlten, höher einzuschätzen als die andern, die auch das Gute in demselben Buche sahen und aner kannten. Er brauchte weder als Mensch noch als Kaufmann allzu geneigt zu sein, sich von fremden Leuten das eigene Urteil, das ihn zur Verlagsübernahme bestimmt, berechtigt hatte, kor rigieren zu lassen, und, wenn er ihnen nachgäbe, das von ihm mit Opfern verwirklichte Unternehmen nachträglich als ge scheitert zu betrachten. Er hatte vielmehr das gute Recht und, gegenüber seinem Autor, auch die verdammte Pflicht und Schul digkeit, den Erfolg des Werkes durchzusetzen, und kein Bedenken konnte stark genug sein, ihn daran zu hindern, die guten Be sprechungen als Hilfe zu nützen. Die verschiedene Bewertung fast jedes Buches forderte ihn geradezu heraus, mittels der gün stigen Besprechungen die mißgünstigen Beurteiler zu bekämpfen, wenn er es nicht vorzog, von vornherein eine einheitliche, na- türlich günstige Presse zu inspirieren. Das geschah mittels des Waschzettels, der bei sachlicher Abfassung doch eine suggestive Beeinflussung des Rezensenten bezweckt. Daß dieser Brauch bis heut« noch ohne viel Bedenken und ohne energischen öffent lichen Widerspruch in Geltung bleiben konnte, ist auch ein Be weis für die zweifelhafte Legitimität der literarischen Krittler, denen man damit nicht nur zutraut, daß sie für eine derartige Be- lehrung nicht unempfindlich sind, sondern denen man damit auch das Lesen und Durchdenken des Buches zu ersparen sich unter fängt. Man darf freilich diese Absichten nicht so sehr den Ver legern Vorwersen, denen gewiß in vielen Fällen jede Böswillig keit fernliegt, sondern die eben nur aus einer durch die tat sächlichen Verhältnisse in der literarischen Kritik gebotenen Vor sicht so handeln. Man kann ihnen also kaum einen Vorwurf daraus machen, daß sie die Vorsicht für nötig halten und dem entsprechend Verfahren, aber man muß doch fragen, ob sie irgend etwas getan haben, uin sich dieser Pflicht zur Vorsicht zu ent heben. Es ist hier einzuschalten, daß das Kapitel von der lite rarischen Kritik auch eine Angelegenheit der Schriftstellcrschaft ist, denn die Autoren sind — ideell— viel schiverer und dunkler von den herrschenden Mißständen und Rückständigkeiten betroffen als die Verleger. Aber auch von dieser Seite hat man sich noch nicht von gelegentlichen wohlmeinenden Besserungswünschen zu praktischen Ratschlägen und Handlungen aufgeschwungen, die sich in diesem Kreise — unter Kollegen — doch viel eher verwirklichen lassen müßten, als wenn die Anregungen von den Verlegern ausgehen, bei denen man ja doch gleich egoistisch-geschäftliche Beweggründe vermuten würde. Solche a priori-Verdächtigungen dürfen nicht von dem Wunsche zurückschrecken lassen, daß endlich unsere Presse der literarischen Kritik erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden möge, ihr einen größeren Spiel-, Arbeitsraum in ihren Spalten bereitstelle und Kräfte heranziehe, di« willig und fähig sind, zwischen Buchhandel und Publikum ihre kritische Aufgabe an dem neuen, — nicht nur dem neuesten — Schrifttum als red liche, kenntnisreiche und verantwortungsbewußte Vermittler zu erfüllen. Die künftige Zeit wird in uns diesen Wunsch noch verstärken und ihn allgemeiner werden lassen, denn auch im Buchwesen wird viel überflüssiger und schädlicher Ballast verschwinden nrüssen, um für gute, gediegene Erzeugnisse eine weitere kulturelle Wirkung, eine größere volkswirtschaftliche Nutzbarkeit erzielen zu können. Die Überproduktion wird abgcbaut werden müssen, und wenn schon die literarische Kritik nichts zur vorherigen Unterdrückung minderwertiger Druckwerke bcizutragen vermag, so wird sie als nachträgliches Korrekturorgan doch bessernd in die literarische Marktentwicklung eingreifen können. So, wie sie jetzt ar beitet und wirkt, ist sie selbst ein überflüssiger Faktor, ein parasitisches Gewächs, oft ein Unkraut. Die Wandlung in ihrer Leistungsfähigkeit, in ihrer Willensrichtung wird sich freilich nicht plötzlich vollziehen können, denn es fehlt an den neuen Kräften, die den Mut zu anderen Methoden und die Energie zu deren Durchführung hätten, an Kritikern, die den neuen An fang brächten, um zu geänderten, gesteigerten Zielen zu führen, an Rezensenten, die Vorbilder werden und bieten könnten. Die Nachahmer würden sich von selbst entstellen. Diese Neuerer in der literarischen Kritik muß man herbeiwünschen, selbst wenn man ihnen für den Anfang — nur für den Anfang natürlich - das Wort zurufen möchte, das Fontane einst der Freien Bühne als Geleitspruch widmete: »Wage zu irren!» Wenn Peter Hille einmal sagt, daß die echten Dichter nur eine Leidenschaft des Wortes kennen, so wäre von den neuen Kri tikern zu fordern, daß sie vor allem von der Leidenschaft der Wahrheit erfüllt sind. Das würde uns anfangs als ein Ver zicht auf eine kritische Voraussetzung erscheinen, nämlich als «in Verzicht auf die Parteinehmung, als eine Opferung dogmatischer Grundsätze. Aber gerade auf die Kritiker muß das Gebot von Otto zur Linde zutrcfscn: »Du sollst dir kein Dogma machen. Nicht dir selbst. Und erst recht nicht deinen Mitmenschen. Sogar das Dogma von der Dogmcnlostgkeit will ich nicht gelten lassen. Es führt zum Bösen, dieses auch . . . jedes Dogma ist eine Hemmung». Für wen ist es mehr eine Hemmung, als für den literarischen Kritiker, der täglich neue Anlässe nützen muß, an den immer neue Erscheinungen um ein Urteil appellieren! Er muß die geniale Gabe der Einfühlungsfähigkeit haben und das Talent, durch Einfühlung wissend und werbend zu werden. Damit ist mehr verlangt, als gesagt wird - und doch sind dadurch dem künftigen Kritiker Grenzen gesetzt. Grenzen seinem Selbstvertrauen und Grenzen der Erwartung, die wir auf ihn richten. Denn indem wir ihn »zum Werten« ermächtigen, muß uns und ihm bewußt sein, daß ihm dazu noch manches lange in den Anfang seiner neuen Tätigkeit hinein mangeln wird. Es fehlt ihm (sind das ist die Schuld und die natürliche Folge des bisherigen Kritikerwesens) die notwendige, wurzelhafte Tra dition der Kenntnisse und der Urteilskraft. Er wird aus den alten Methoden der literarischen Kritik eine geschickte Technik der Berichterstattung und der Berichtaufmachung übernehmen können, aber es wäre gefährlich, wenn er diese überlieferten Kunstkniffe jetzt gleich zur Wertprägung verwenden würde. Er wird sich, solange er nicht aus eigener Erkenntnis und Erfahrung in diese größere, verantwortungsvollere Aufgabe hinüberreift, damit bescheiden müssen, Werte nicht abzumessen, sondern Werte zu schildern, darzustellen, festzustellem Nicht die Wcrt- entscheidung, sondern die Wertbestimmung wird die erste Aufgabe sein, sie aber wird von selbst eine neue Entwicklung literatur kritischer Betätigung begründen. Die künftigen Kritiker dürfen keine Ähnlichkeit mehr haben mit einem Schulmeister, der aus einem Katheder sitzt, mit roter Tinte Korrekturen ausführt und Zensuren austeilt; dazu gehörte nur eine Dosis Anmaßung und gerade daran fehlte es den alten Rezensenten (oder was sich so nennt) nicht zu sehr. Es ist schwieriger und verdienstlicher (verdienstlicher, weil notwendiger gerade in dem so verworrenen Gebiete der moder nen Literatur), Artunterschiede festzustellen und zu schildern, statt Wertunterschiede zu zensurieren. Aber auch der Buchhandel hat ein starkes Interesse an einer solchen Umformung, Läuterung der kritischen Zwecke und Mittel. Die Verleger werden statt der skrupclhaftcn Hoffnung auf empfehlende Rezensionen zu einem gewissen Vertrauen in die kritische Leistung genesen, die dann stets auf nur Tatsäch lichem beruhen kann und die, wenn sie nur einen Artunterschied (eine Eigenart) des Verlagswerkes feststellt, diesem einen stär keren Werbereiz vermittelt, als wenn sie mit Tönen übertrie benen Lobes neben etlichen Käuferinteressen eine Saat des Miß trauens gerade in den gebildeten Kreisen auskeimen läßt, die in der Gegenwart schon fast jedes tiefere Wirken einer ausschweifenden Auchkrittk überwuchert. Das Beste, was heute schon eine Be sprechung dein Buche, seinem Autor und seinem Verleger zu leisten vermag, ist eine sachliche Darlegung seiner Eigenart, und würde diese Leistung — Sitte, einwandfreie und offene Gepflogen heit werden, so dürfte die literarische Kritik auch für den guten, soliden, kulturfördernden Verlag (und um diesen kann es sich ja nur handeln) eine Quelle der Befruchtung und ein Antrieb 1397
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