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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.04.1886
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1886-04-14
- Erscheinungsdatum
- 14.04.1886
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 1973 86, 14. April 1888. Boden der realen, wirklichen Verhältnisse, wie wir dies vorstehend ausgeführt haben. Zum mindesten können wir beanspruchen, und versteht sich dies eigentlich von selbst, daß diejenigen Leute, welche über Produkte der Litteratur nach ihrem sittlichen und religiösen Gehalt zu befinden haben, auch ihrer literarischen Bildung nach mindestens dazu kompetent sind; naturgemäß müßten also die Landesregierungen erst geeignete Organe schaffen; dies läßt sich bei Centralisation durchführen, wenn, wie vorgeschlagen, die Verleger verpflichtet sind, die Prüfung der Druckschriften an amtlicher Stelle zu veranlassen. In der jetzt giltigen Form hat das Gesetz nur unnütze Weiterungen zur Folge, sowohl für die Behörden, als auch für die Kolportage buchhändler, — ohne einen auch nur einigermaßen nennenswerten Erfolg. Mit vollem Recht ist daher die Frage wohl am Platze: wer entschädigt die Kolportagebuchhändler für die vielen Mißgriffe der Behörden in dieser Hinsicht? Völlig gegenstandslos ist eine etwa später eintretende Abhilfe, wenn wir inzwischen durch die Anordnungen der Behörde erster Instanz erheblich pekuniär geschädigt sind, die Regierung aber andererseits nicht regreßpflichtig ist. Mit Vorliebe hat man auch geltend gemacht, daß der so genannte Kolportageroman an sich schon geeignet sei, vom ferneren Vertrieb im Wege der Kolportage ausgeschlossen zu werden. Es hat auch bei Beratung des Gesetzes, wie auch vordem, nicht an Heißspornen gefehlt, die mit Pauken- und Trompetenschall gegen diese Ausgeburt menschlicher Phantasie zu Felde zogen; eine Rede schlacht wurde darüber hüben und drüben geschlagen, die würdig einer besseren Sache war. Sind denn nun aber, so fragen wir, jene verpönten Romane durch das Gesetz aus der Welt geschafft? Im Grunde genommen absolut gar nicht, weil sich derartige Romane mit unsittlicher oder irreligiöser Tendenz trotz allen eifrigen Suchens wenig oder gar nicht entdecken ließen. Singt man aber in Verbindung damit das hohe Lied vom Prämienschwindel, dann muß Freund und Feind des Kolportage buchhandels zugeben, daß dieser Zweck ohne dieses Gesetz und dessen weitläufigen Apparat erreicht werden konnte; es genügte ein ein ziger Paragraph, dahin lautend: Vom Vertrieb durch die Kolportage sind sämtliche Werke mit Prämien, soweit letztere nicht dem Bereich des Buch- und Kunsthandels zugehören oder daraus hervorgingen, ausgeschlossen. Die Reichsregierung konnte versichert sein, der Kolportage buchhandel in seiner überwältigenden Majorität wäre ihr für ein solches Gesetz dankbar gewesen. Das Gesetz hat nachgerade lange genug bestanden, um von einer ehrlichen Probe desselben sprechen zu können. Wo ist der Erfolg? — Was hat es genützt? — Hat es die Erwartungen der Regierung und seiner Fürsprecher erfüllt? — Nichts von alledem! — Wie man selbst an einflußreicher Stelle den bisherigen Erfolg des Gesetzes beurteilt, beweist recht treffend der Erlaß des König!. Preußischen Ministers des Innern (äs äato 4. Dezember 1885). (Abgedruckt im Börsenblatt 1886. Nr. 19.) Vorstehender Erlaß beweist unfehlbar, daß sich H 56, Ziffer 10 der Gewerbeordnung vom 1. Juli 1883 als total unbrauchbar bewiesen und den gehegten Erwartungen nicht entfernt entsprochen hat; besonders aber räumt der Herr Minister ein, daß eine genügende Beurteilung der zur Prüfung vorge legten Druckschriften n.s.w. durch untergeordnete Organe unmöglich ist. Dahingegen hat das Gesetz zahllose Unzuträglichkeiten in seinem Gefolge gehabt, Leute in ihrem ehrlichen Erwerbszweig wochen- und monatelang lahm gelegt und pekuniär und geschäftlich ge schädigt. Die vielgeschmähten Romane, soweit solche unsittlich oder irreligiös sind, andere Schriften bedenklichen Inhalts u. a. m. werden von selbst verschwinden mit der fortschreitenden Bildung unseres Volkes. Bei Beurteilung des sittlichen Inhaltes eines Buches dürfte es indessen zu empfehlen sein, nicht allzustreng zu verfahren; denn an der Hand des jetzt bestehenden Gesetzes hätten die Behörden rc. völlig das Recht, den Vertrieb der Werke unserer unsterblichen Dichter Schiller, Goethe, Heine, kurz aller Heroen der deutschen Litteratur im Wege der Kolportage zu versagen, ganz abgesehen davon, daß da die Beurteilung einer Schrift auf ihren sitt lichen und religiösen Gehalt nach einer so dehnbaren Gesetzesfassung den untergeordneten Instanzen zugewicsen ist, es nahe liegt, daß in den maßgebenden Kreisen diese Paragraphen eine Handhabe bieten, um mißliebige Personen zu maßregeln und aufs empfindlichste in ihren materiellen Interessen zu schädigen; andererseits aber ein Strebertum begünstigen, welches, an sich aus unsittlicher Grundlage beruhend, die Sittlichkeit und Religion zum Vorwand benutzen würde, um seine eigenen egoistischen Zwecke zu fördern. Möchten es doch die Regierungsvertreter einmal über sich ge winnen, sich darüber zu unterrichten, was für Bildungsmaterial durch uns verbreitet worden ist und noch täglich verbreitet wird; mögen die Herren bei den Firmen, welche sich beim Publikum wie im deutschen Buchhandel unbedingter Hochachtung erfreuen, wie F. A. Brockhaus in Leipzig, Bibliographisches Institut in Leipzig, I. I. Weber in Leipzig, Ernst Keil Nachfolger in Leipzig, Otto Spamer in Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt vorm. Ed. Hallberger in Stuttgart, Hermann Schönlein in Stuttgart, W. Spemann in Stuttgart, Velhagen L Klasing in Bielefeld, I. H. Schorer in Berlin, Berliner Verlags- Comtoir u. a., doch einmal nach Wesen und Bedeutung der Kol portage in der Jetztzeit fragen und die Herren würden vielleicht eine andere Ansicht über die Bedeutung unseres Standes erhalten. Bevor die Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juli 1883 Gesetzes kraft erlangte, hat es nicht an Stimmen gefehlt, die eindringlich warnten, nicht in so aggressiver Weise vorzugehen; nicht minder ist in der ersten Hälfte des Jahres 1884 von Mitgliedern des Reichs tages selbst der Antrag gestellt worden, Abänderungen des Gesetzes eintrcten zu lassen; leider vergeblich. So sind denn die den Kolpor tagebuchhandel so schwer schädigenden gesetzlichen Bestimmungen bis jetzt unverändert bestehen geblieben. Nachdem nun seit Inkrafttreten des Gesetzes zwei Jahre ver gangen sind, haben doch ohne Zweifel die staatlichen Organe an der Hand praktischer Erfahrungen Gelegenheit gehabt, den Erfolg des Gesetzes zu beobachten, wie die Kolportagebuchhändler anderer seits au sich selbst erfahren mußten, zu welchen Konsequenzen die heutigen Zustände führen. Mit Recht können wir behaupten, daß dem Kolportagebuch handel noch nie zuvor eine so ernste Prüfungszeit beschiedcn war, wie die beiden letzten Jahre. Unerschöpflich und unzählig sind die Fälle, die wir anführen könnten, in denen schlagend nachgewiesen werden kann, daß das Gesetz im strengen Sinne seines Wortlautes völlig undurchführbar ist; den Beweis der Wahrheit erbringen wir dafür, indem wir uns auf den Wortlaut der an anderer Stelle er wähnten Cirkularverfügung des Königl. Preußischen Ministers des Innern vom Dezember v. I. beziehen, die klar und deutlich besagt, daß in Bezug der Handhabung des Gesetzes viel zu wünschen übrig bleibt, — wir könnten es ferner an Hunderten von Beispielen er-
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