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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.04.1919
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- 1919-04-14
- Erscheinungsdatum
- 14.04.1919
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. X: 73, 14. April >919 lungen, gemeinsame Ausnutzung verlegerischer Vorzugsangebotc, gemeinsame Werbetätigkeit, gegenseitiger Austausch und gemein same Verwertung von Lagerresten: das wären kurze Hinweise auf die viclgestalteten Aufgaben. Was hier niedergelegt ist, sind zunächstGe- danken; sie in praktisch durchführbare Vor schläge auszuarbeiten, ist Aufgabe der beruf lichen Organisationen;, daß aber diese Vor schläge zur Tat werden, dazu sollte ein jeder von uns Hand anlc gen. Friedrich von Bodenstedt. Zu seinem 100. Geburtstage, 22. April 1010. Von Adolf Bartels. Ein soeben von mir gekauftes Exemplar der »Lieder des Mirza-Schaffst. Mit einem Prolog von Friedrich von Baden stedt« (N. v. Deckers Verlag, Berlin) trägt die Bezeichnung: Hundertsechsundsechzigste Auflage, 265. bis 267. Tausend. Bis Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hatte die Gedichtsammlung löll Auflagen erlebt — sie ist also, trotzdem daß Bodenstedt in den letzten Jahrzehnten für die Öffentlichkeit sehr zurückgetreten, immer noch weiter gegangen, ein Beweis, daß ein einmal erfolgreiches Werk nicht so leicht umzubringen ist. Die »Lieder des Mirza Schaffst« erschiene» zuerst <wie zwar die Literaturhistoriker wissen, aber dem großen Publikum nicht bekannt ist) in Badenstedts Reisewerk »Tausend und ein Tag im Orient« (1849/50), dann 1851 einzeln, und die Mystie fiknlion, als ob die Lieder von dem armenischen Mollah Mirza Schaffst, Lehrer der orientalischen Sprachen an der muselmän nischen Schule zu Tiflis, mit dem Bodenstedt sich befreundet hatte, stammten, ist wenigstens eine Zcitlang aufrecht erhalten worden. Jedenfalls begründeten sie einen großen Dichtcrruhm, der sich bis zum Tode des Dichters im ganzen unangefochten er halten hat. Friedrich Bodenstedt war Riedersachse, am 22. April 1819 zu Peine in .Hannover geboren, und R. M. Meyer führt seine dichterische Art auf sein Niedersachsentum zurück: »Die Nieder sachsen haben an sich schon etwas von jener breiten Würde und vornehmen Beschaulichkeit, die der Orient so hoch schätzt, und die der süddeutschen Gemütlichkeit so fern liegen wie der preu ßischen Steifheit — denn Steifheit und Würde sind zweierlei!« Ich halte diese Meyersche Anschauung für Unsinn: Bodenstedt macht keinen ausgeprägt niedersächsischen Eindruck, hat auch gar nicht die breite Würde und vornehme Beschaulichkeit, die dem Niedersachsentum zugeschrieben wird, sondern nur eine bestimmte heitere Verständigkeit, die sich bei Deutschen aller Stämme findet. So wäre er zum Kaufmann, wofür er zu nächst bestimmt war, nicht ungeeignet gewesen, aber er hatte auch eine seltene Begabung für die Erlernung von Sprachen, und die führte ihn zunächst autodidaktischen Studien und dann der Universität zu. Sie war es auch Wohl, die in ihm den Wunsch, fremde Länder und Völker kennen zu lernen, rege machte. Im Jahre 1840 wurde er Erzieher im Hause der Fürstin Galitzin zu Moskau und hatte, da er es drei Jahre lang blieb, aus reichende Gelegenheit, russische Sprache, Volkstum und auch die russische Literatur kennen zu lernen. Bereits im Jahre 1843 erfolgte seine erste literarische Veröffentlichung »Kaslow, Puschkin und Lermontow«, Gedichte dieser Dichter aus dem Rus sischen übersetzt. 1845 gab er dann »Die poetische Ukraine«, eine Sammlung klcinrussischer Volkslieder heraus. Inzwischen war er durch den General Nerthard, Statthalter der kaukasischen Pro vinz, von Moskau nach Tiflis gekommen und in dieser Stadt Lehrer an einem pädagogischen Institut und dann am Gym nasium geworden. Hier warf er sich nun auf das Studium der Völker des Kaukasus und auf das der orientalischen Sprachen, bei dem ihn sein Freund Mirza Schaffst unterstützte. Da er nicht russischer Untertan werden wollte, gab er seine Stellung am Gymnasium von Tiflis jedoch bald wieder auf und reiste im Winter 1846/47 über die Krim, Kleinasien, die Türkei und die Jonischen Inseln nach Deutschland zurück, wo er zunächst in München seinen Wohnsitz nahm. 1848 erschien dann sein 260 Buch »Die Völker des Kaukasus und ihre Freiheitskämpfe gegen die Russen« und 1849/50, wie schon erwähnt, das Rcisewcrk »Tausend und ein Tag im Orient« mit den »Liedern des Mirza Schaffh«. Merkwürdigerweise habe ich, da das Werk in unserer Mcldorser Schülcrbibliolhck war, den Reisenden zugleich mit dem Dichter Bodenstedt kennen gelernt, und ich möchte sehr dafür eintreten, daß, wenn Bodenstcdts Werke (1923) frei wer den, man auch die Veröffentlichung in der alten Form wieder- bringcn möge — die Lieder gewinnen sehr in der Umrahmung des Reisewerkes, das R. M. Meher mit einigem Recht als ethnographisch-historischen Roman bezeichnet. Daß dann erst die Einzelausgabe der Lieder Badenstedts Ruhm schuf, ist aber auch recht wohl begreiflich. Die Restaurationsperiode der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ist von den Politikern und ihren literarischen Nachläufern immer sehr schlechtgemacht worden, aber es ist kein Zweifel, daß sie im ganzen eine Periode des Lebens behagens gewesen ist. Robert Prutz, der Demokrat, spricht über treibend voit »dumpfer Schwüle der Genußsucht«, die alle edleren Keime Unseres Lebens für geraume Zeit erstickt habe, aber er sieht sich dann doch genötigt zuzugeben, daß der »Ge nuß bei Mirza Schaffh selbst so maßvoll und edel, in solcher echten poetischen Schönheit ausgetreten sei, daß jedes ästhetische wie sittliche Bedenken dadurch beseitigt ward«, und wir Spä teren haben eben in den »Liedern des Mirza Schaffh« die ty pische Gedichtsammlung der Zeit erkannt. Das deutsche Bürger tum, die Bourgeoisie, wie man vielleicht auch sagen darf, er rang gerade damals trotz des Scheiterns der 1848er Bewegung durch den großen Aufschwung der Industrie die herrschende Stellung im deutschen Leben, und die »Lieder des Mirza Schaffh« wurden so etwas wie ihr Leibbuch. So tritt denn eben auch Prutz für sie ein: »Ist Mirza Schaffh erhaben in seiner bacchischen Heiterkeit und seinem ungestörten Gleichmut, der darum doch nichts weniger als Gleichgültigkeit gegen das Gemeine und Niedrige ist, so ist er nicht minder erhaben, wo er den Heuchlern die Larve vom Gesicht reißt und sie in ihrer erbärmlichen Nacktheit, zitternd vor Scham und Groll, darstellt; berauscht uns der süße Dust der Rosenblätter, die er seiner Geliebten in den Busen streut, so entzücken uns nicht minder die Pfeile, die er gegen die Feinde der Wahrheit und der Schönheit sendet, und auch diese Pfeile sind noch mit Rosen umwunden. Denn wie sehr er die Lüge verabscheut und wie verhaßt ihm das Volk der Pharisäer und Schriftgelehrten ist, so ist und bleibt Duldung doch sein oberstes Gesetz, und selbst die bitterste Rache, die er an seinen Feinden nimmt, löst sich zuletzt doch immer in ein versöhnendes Gelächter auf ... . Die Gedichte des Mirza Schaffh' sind eins von den Büchern, die man als .weltliche Bibel' bezeichnen darf; in diesen Trink- und Liebesliedern, diesen Epigrammen und Sprüchen, einem armenischen Mollah in den Mund gelegt, ist mehr christliche Duldung und wahre Frömmigkeit, als in all den Buß- und Beichtpsalmen, mit denen unsere neuen Lämmleinsbrüder sich selbst und die Poesie abmartern«. Da steckt die ganze Weltan schauung der Bourgeoisie der Zeit, der die auch vorhandene fromme und neuromantische Richtung unangenehm war, die sich aber, sehr grob über sie absprechend, im ganzen durch sie wenig anfechten ließ. Fleißige Arbeit und Lebensbehagcn, das waren die Ideale der Zeit, die die späteren Ausartungen des Kapitalismus ini ganzen noch nicht aufwies und daher in den munteren »Liedern des Mirza Schaffh« wirklich so etwas wie ihre »weltliche Bibel« fand. Wir Jüngeren haben dann in den achtziger Sturm- und Drang-Jahren, als sozialgesinnte Gegner der Bourgeoisie, diese weltliche Bibel ganz gehörig her- gencmmen, und noch in meiner »Deutschen Dichtung der Ge genwart« spreche ich von ihrer lyrischen und geistigen Armselig keit. Auch wundere ich mich dort, daß man die Lieder einnial für echtorientalische Poesie halten konnte, da doch beispielsweise der Einfluß Heines in einigen Gedichten ganz augenscheinlich sei. Das ist Wohl richtig (obgleich man nicht übersehen soll, daß Heine wieder von Hafis — in der Übersetzung Joseph von Hammers — beeinflußt und also eine gemeinschaftliche Quelle da ist), und überhaupt ist manches, wie z. B. das berühmte-
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