Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.03.1921
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1921-03-23
- Erscheinungsdatum
- 23.03.1921
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19210323
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192103232
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19210323
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1921
- Monat1921-03
- Tag1921-03-23
- Monat1921-03
- Jahr1921
-
3226
-
3227
-
3228
-
3229
-
3230
-
3231
-
3232
-
3233
-
3234
-
3235
-
3236
-
3237
-
3238
-
3239
-
3240
-
373
-
374
-
375
-
376
-
-
-
-
- Titel
- Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.03.1921
- Autor
- No.
- [51] - 373
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
M «9, 23. März >921. Redaktioneller Teil. ganz in die Betrachtung der wundervollen Deckengemälde ver sunken im Hintergründe, um die Handlung vor einem Reben« altar nicht zu stören, und freute mich über das schöne Orgelwerk und die geschmackvolle Art, wie der Organist die Register mischte. Doch was war das? Jetzt erklang dort oben der Eingangzchoral nur den -Meistersingern«, dazwischen das zärtliche Liebeswcrben des Ritters Siolzing, ein Paar Takte aus Sachsens Wahnmono log, und als nun gar, wenn auch in langsamem Tempo, der lebensprühende Tanz der Lehrbuben: »Johannistag, Blumen und Bänder soviel man mag- ertönte, da war ich mit ein paar Sätzen über die Treppe ans der Empore. Der Mönch ans der Orgelbank hatte die Anwesenheit nicht bemerkt, aber als ich dann des Nurnbcrgcrs Verslein hinter ihm murmelte: Dem Vogel, der heut sang. Dem Waid der Schnabel hold gewachsen, Macht er den Meistern bang, Gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen, da fuhr der also Ertappte mit glühend rotem Gesicht herum und ging dann aus dem Johannistag in ein Choralthema über. »Damit hatte ich nicht gerechnet — —«, meinte er nachher schmunzelnd, als wir allein in der Kirche waren und er sich, ein großer Wagnerfreund, als ein Bieistcr im Vortrag von Stellen aus dem »Tristan« und »Parsival- zeigte. nis, Zwangsarbeit und andere schöne Dinge denken kann. Dann ein Kopfschiitleln des Soldaten: »üroscbs«, man erhält den Pah mit dem Vermeil zurück. Ein Herr aus Karthaus bei Danzig erzählt von den entsetzlich hohen Preisen im Korridvr.tz Ein Pfund Rindfleisch 90 ein Paar Schuhe 2000 -Ä. Auf rneinc Frage, ob denn allein die Mißwirtschaft in Polen nnd der Krieg , an dem niedrigen Valutastande der polnischen Mark schuld sei i-- man handelte sic in Danzig im Februar mit 6 deutschen Pfen nigen auf der Straße —, meint er augcuzwinkcrnd: »Bei uns haben jetzt zu viele Leute eigene Druckereien-. ^ - Kiel hat, seitdem die Marine so stark verringert ist, eben falls viel verloren. Der landschaftlich so schöne Hasen macht ' einen trostlosen Eindruck, wenn man ihn von früher her kennt. Natürlich macht sich auch der Rückgang im Buchhandel etwas be merkbar. Aber in den Kreisen der Marincsoldatcn, in denen ich auf Wunsch des Kommandos spreche, herrscht froher Geist, Diszi plin und Bildungsbedürfnis. »Unsere Leute können, wenn ihre zwölf Jahre herum sind, sich die Kenntnisse eines Primaners an geeignet haben, falls sie strebsam sind«, sagt mir «in Offizier, »Ge legenheit dazu wird ihnen durch die Bildungsarbeit geboten. Wir wollen die Leute heraushabcn aus dem Chantautcafo und dem ,Aufklärungskientopp'-. Der Buchhandel wird gut daran tun, diesem Bildungsstreben unter den aktiven und entlassenen Soldaten entgegcnzukommen. In L. war ein Vortrag angesetzt, den ich im Saale des Sortimentskollegen N. R. hielt und der für uns beide erfolgreich war. Der Koffer wulde des Morgens beim flackernden Licht schein gepackt. Beim Auspacken im Hotel rieb ich mir entsetzt die Augen. Die »Unaussprechliche- zum schwarzen Anzug war im Hellen Lichtschein blau. Was tun? Blau« Hose, schwarzer Rock, unmöglich. War' ich Eduard VII. gewesen, hätte es schließ lich eine neue Mode werden können, aber so? Fünf Minuten vor dem Klingelzeichen hatten wir, der Kollege und ich, im Knuftlerzimmer den Hosentausch vollzogen. Er nennt sie jetzt immer in einem Atemzuge mit Münchhausens »Schweins lederner«, Wolzogcns Gloriahose, und der Sammelhose des zu früh verstorbenen Kollegen Peilers-Heidelberg die »Vortrags- darlehnsbuchse«. Danzig. Die schöne, alte deutsche Stadt ist heimatlos geworden. Der Kollege, mit dem ich durch die Straßen gehe, seufzt: »Sehen Sie dort das Schild: kls-stt» potska, fast diese ganze Reihe Hülster befindet sich in polnischem Besitz. In der ersten Zeit der Besatzung hatte man kein« Zeit, darüber nach zudenken. Da kauften namentlich die Engländer sehr stark, aber jetzt kommt man sich verraten und verkauft vor«. Wir gehen an einer Reihe polnischer Bankgeschäft« vorüber. Im Cafv spricht man am Nachbartisch französisch, drüben polnisch, nicht weit davon englisch. Am Langenmarkt drängen sich fragwürdige Ge stalten heran: »Wollen Se handeln polnische und deutsche Mark?« Dicke Schiebergestalten stolzieren auf der Straße herum. Als ich nach dcm Vortrag eine Stunde vor Mitternacht das Hotelfenstcr öffne, liegt Mondschein auf den Giebeldächern- und die alte Turmuhr singt wie seit Jahren ihre schlichte Weise: »üb' immer Treu und Redlichkeit -. Ich denke an die Schieber! Durch Bremen mit seinem köstlichen Marktplatz führt die Reise. »Roland der Riese, am Rathaus zu Bremen steht er, ein Standbild standhaft und hehr«. Einen Moment lang fällt dem Beschauer dieser aus allen Vortrags« und Redekunstbüchern be kannte und oft geübte Satz ein; dann nimmt einen die Schönheit der kunstreichen ehrwürdigen Gebäude ganz gefangen. Eng an- einandcrgerückt wie die Kulissen der Brunnen- und Domszene des »Faust» blicken die bunten gotischen Fenster, Säulen, Ecken, Türmchen und Giebel auf das bunte Treiben seit Jahrhunderten herab. In Bielefeld, der westfälischen Industriestadt, sausen wie in den Jahren meiner Gehilfenzeit die Treibriemen, ziehen morgens und abends endlose Arbeiterkarawanen durch die Straßen. Nach dem Taumel der ersten Revolntionswochen hat man eingesehen, daß es den fremden Hetzern nicht darum zu tun war, dcm Ar beiter zu helfen, sondern das deutsche Wirtschaftsleben zu ver elenden. Jetzt wird wieder geschafft, und wenn sich die deutsche Tüchtigkeit überall von den unseligen landfremden Einflüssen freimacht, kommen wir auch wieder empor. So ähnlich äußert sich mein früherer Chef optimistisch, und die Gläser klingen zu sammen. Erinnerungen und Erfahrungen werden ausgetauscht, und man kommt schließlich wieder zu der so oft ausgesprochenen Überzeugung: Wir haben doch einen schönen Beruf trotz aller Schwierigkeiten und dem »Klüngelkram«, der nun einmal damit verbunden ist. Es kommt nur daraus an, zwischen dem idealen Buchhändler alter Zeit und dem modernen Kaufmann die rechte Mitte zu halten. Das erster« verträgt sich nicht mehr mit den Forderungen der Gegenwart; das HSndlcrtum allein aber wird den ernsten Berufsgenossen selten befriedigen. Die Einfuhrpapiere hatte man mir in Marienburg bei der sehr kurzen Revision abgenommen mit dem Hinweis, ich brauchte sie für die »Rückkehr nach Deutschland« aus Danzig nicht mehr. In einem kleinen-pommerschen Nest mit jetzt polnischem Namen verlangte ein jüngerer, sehr schneidiger deutscher Zollbeamter meine Ausfuhrerlaubnis aus Danzig, die ich natürlich nicht be saß. Vergeblich war mein Hinweis, daß die paar Bände ja aus Dculschlaud mjtgebracht seien, und auf die Auskunft des Maricn- burgcr Beamten. »Dann Werse ich das ganze gebundene Geistcs- schmalz auf die Gleise«, sagte ich endlich, das Fenster öfsneud. Das half. »Js nich nötig«, winkte der Grüne ab und verschwand. Vorher war polnische Paßrevision. Man fahndete anscheinend auf Verdächtige. Der Polizist oder Offizier (?) war von zwei bewaffneten Soldaten begleitet, von denen einer eine Liste mit« i führte und die Namen des Passes verglich. »Möller« — — se kundenlanges Suchen, wobei man in gruselig-ausgiebiger Weise an Namensverwechslung, Internierungslager, Verhör, Gesang-^ Schließlich gcht's in den Teutoburger Wald. »Lippe-Det mold, eine wnuderschöne Stadt, darinnen ein Soldat-, so liest cs sich aus dem 50-Pfennigschein, der mir im Geschäft herausge- gcben wird. Ich habe ein Grausen vor dem Papierkleingeld der verschiedenen Gegenden und kann demnächst mein Schlafzimmer damit tapezieren. Aber den Lippe-Detmolder Schein mit seinem weiß-blau-roten Soldaten in Tschako, Bandolier und Gamasche nehme ich gern und hebe ihn auf. Er ist eine Sehenswürdigkeit. ^Am hevklarcn Morgen geht es dann in die Berge hinein. Dreizehn Jahre sind verflossen, seitdem ich das letzte Mal hier wandcrte. Der Weltkrieg und seine Folgen liegen dazwischen. Doch wie damals ragt des Germanenfllrstcn hohe Gestalt über den Tannen- und Buchenwipseln zum seidenblauen Himmel empor. Sein Schild glänzt vom Morgcurcif diamantbesetzt im Sonnenlicht. Das Schwert droht im nervigen Arm hoch erhoben, und das Auge unter dcm Walkürenhclm blickt nach Westen. Heute wie einst sitzen Unterdrücker a« Rhein. In meiner Brust- 373
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Keine Volltexte in der Vorschau-Ansicht.
- Einzelseitenansicht
- Ansicht nach links drehen Ansicht nach rechts drehen Drehung zurücksetzen
- Ansicht vergrößern Ansicht verkleinern Vollansicht