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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.11.1926
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- 1926-11-15
- Erscheinungsdatum
- 15.11.1926
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26«, 15. November 1926. ' Mitteilungen aus dem Antiquariat. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Müllecschen Erinnerungen hat dann später Ludwig Hamann in seinem 1898 erschienenen Buch »Der Umgang mit Büchern und die Selbstkultur- die Geschichte der Narrenbibel bei dem Abschnitt über die Druckfehler wiedergegeben, freilich ohne Angabe seiner Quelle'). Ganz neuerdings ist die Erzählung in eine anmutige Plauderei von V. O. Ludwig »Lessings Besuch im Stifte Kloster neuburg« ausgenommen, die 1920 in Wien in einem freundlich ausgestaiteten Bändchen erschien und ausdrücklich im Vorwort das Buch von Müller als Quelle nennt'). Was mag nun Lessing dem Schauspieler Müller in Wolfen büttel gezeigt haben? Wenn man Müllers Angaben bedingungs los Glauben schenken will, müßte man srcjlich annehmen, daß die Bibel mit der Narrenstelle tatsächlich zu Lessings Zeit in Wolfen büttel vorhanden war, inzwischen aber auf eine noch ungeklärte Weise in Verlust geraten sei. Diese Annahme bietet jedoch er hebliche Schwierigkeiten, zumal sich Lessing selbst niemals in seinen Kollektaneen, seinen Arbeiten zur Geschichte der Herzoglichen Bibliothek oder in seinen Briefen über das Vorhandensein einer solchen Bibel geäußert hat. Ist dieses Schweigen schon auffallend, so muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Erzählung Müllers 26 Jahre nach seinem Besuch in Wolsenbüttel nieder geschrieben wurde und die ganze Form der Geschichte mit ihren einzelnen Ausschmückungen deutlich die Züge einer an ein be stimmtes Motiv anknüpfenden Sage an sich trägt. Es wäre also mög lich, daß Lessing seinem Besucher zwar einen an dieser Stelle be merkenswerten Bibeldruck gezeigt hätte und ihm dabei die launige Geschichte von der ehrgeizigen Druckcrsfrau Theresia Andrster er zählte, die er als eine Parallele an das vorgelegte Buch anknüpfte, ohne eine »Narrenbibel- selbst vorzuzeigen. Und so wird es in der Tat gewesen sein. Aus einem in der Wolsenbütteler Bibliothek handschriftlich verwahrten Reisediarium eines Anonymus aus dem Ende des 17. Jahrhunderts ist bekannt, daß den Besuchern der Bibliothek schon damals eine merkwürdige Bibel gezeigt wurde, die gerade an der fraglichen Stelle Genesis 3 Vers 16 eine auffallende Ände rung trug °). Diese Bibel ist keine geringere als die auch in der' Stadkbibliothek und im St. Annen-Museum zu Lübeck vorhan dene niederdeutsche Bibel vom Jahre 1494, gedruckt zu Lübeck bei Stephan Arndes mit den Glossen Nikolaus de Lyras und den herrlichen großen Holzschnitten, welche man teilweise dem Lübecker Maler und Bildhauer Bernt Notke zugewiesen hat'). Die Lübecker Bibel von 1494, deren kunstgsschichtliche Bedeutung so außerordentlich groß ist, bringt nun den in Rede stehenden Vers in solgender Fassung, -unter der macht des mannes werstu wesende, und he schall auer dy herschopen, dy vakene to Pyneghende und to slande«. Die Erklärung des ersten Teils des Verses enthält zwar sinngemäß etwas anderes, als in der Geschichte von der Narrenbibel überliefert wird, denn sie heißt in neuhochdeutsche Schriftsprache übertragen: »dich oft zu peinigen und zu schlagen«, aber schon früh ist man auf diesen Zusatz ausmerksam geworden und hat ihn als eine höchst beachtliche und sonderbare Veränderung des Textes empfunden. Darum wies man auch die Besucher der Bibliothek unter andern Merkwürdigkeiten besonders aus die »Ex plication in einer alten Bibel, so zu Lübeck gedruckt 1494» hin. In einer weiteren handschristlichen Reisobeschreibung aus dem Jahre 1652 wird ebenso hervorgehobcn »Unter anderen vornehmen Büchern war auch eine alte Bibell, die vor dreihundert Jahren gedrukket und «ine von den ersten in deutscher niedersächsischer Sprache versetzet, in selbiger liefet man beym Mos. Genes. 3. Cap. da also stehet wenn zu der Frawe geredet wird, daß der Mann soll ihr Herr sein, dy vake pynigende und plagende«'). Der ge- ') Ludwig Hamann, Der Umgang mit Büchern und die Selbst kultur. Leipzig <1898). S. 127 f. »1 V. O. Ludwig, Lessings Besuch im Siifte Klosterneuburg. Wien 1920. S. 52 f. ') Ncisebeschreibung eines Anonymus 1691—1709 <238. 29 Extr.) ') — de biblie mit ulitigher achttnghc: recht na dem Latine i» Düdesck anerghesettet Mit vorluchtinghe und glose — — N. de Lyra etc. Lübick, St. Arndes, 1494. ») Johann Wagners, Herzog!. ReiseapothekerS Reisejournal durch Deutschland von 1652—1859. (Extr. 267. I.) lehrte Kenner der niedersächsischen Bibeln Johann Melchior Göze, Hauptpastor in Hamburg und Lessings eifernder Gegner, hat in seiner -Historie der gedruckten niedersächsischen Bibeln von 1470 bis 1621« sich zusammensassend geäußert und von dieser Glosse »welche diese Bibel besonders in den Ruf gebracht habe- Näheres zur Entstehung mitgeteilt'). Er hat vor allem nachgewissen, daß der Zusatz nicht von Nikolaus de Lyra stammt, sondern eine Glosse des Hugo de St. Victore ist, in dessen Erläuterungen zur Genesis sich folgende Erklärung der Worte: »et sud virt potestats eris befindet: »klon sud reglmins tantum, sock sud vtotenta ckomtnatioue, daß die Herrschast des Mannes über die Frau auch durch Schläge und Wunden zum Ausdruck kommen soll. In dem Wolsenbütteler Exemplar der Lübecker Bibel, das feit jeher den Besuchern der Bibliothek gezeigt wurde, liegen nun noch aus der Seite mit dem in Rede stehenden Vers zwei hand schriftliche Zettel, geschrieben von Händen des 17. und 18. Jahr hunderts. Sie sind weitere Beweise dafür, wie man sich früher über diese Stelle aufgehalten hat. Der eine Zettel berichtet in lateinischer Sprache, Laß die berühmte Gräfin Maria Aurora von Königsmark, Äbtissin zu Quedlinburg und »nicht die letzte unter den Dichterinnen Deutschlands-, aus diese dem Lyra zu geschriebene Glosse mit folgenden Versen geantwortet habe: De uns dat schal updragen To Pynegen un to slagen den schal der Düvel Plagen. Das zweit« Blatt aber fügt erläuternd hinzu, daß diese Glosse vermutlich aus den Schriften des guten Hugo von Victore aber so scharf nicht gemeint ist. .. . Confer, l- Petr. lll. 7, wo die Frau nicht als eine Magd soll gehalten werden. Jener fwer?j glaubte, es wäre ein Druckfehler und müßte heißen: »Dy vakene to pipencks und to strackende; pipencke und pinegende, strackende und schlagende haben in dem Laut eine ziemliche Ähnlichkeit; Pipen aber heißt in der allen Kutschen Sprache bekanntermaßen soviel als küssen«. Also auch in dieser Erklärung wird mit einem Druckfehler ge rechnet, um die allzu schroff empfundene Glosse zu mildern "). Schließlich hat die Arndes-Bibel in Lübeck selbst, gerade um der Genesisstelle willen, ihr« Sage gesunden, in einer Gestalt, die eine wichtige Parallele zur Geschichte von der »Narrenbibel bietet. Die verdienstliche Sammlung lübischer Geschichten und Sagen des früheren Lübecker Stadtbibliothekars Ernst Deecke er zählt sie unter Nr. 147 folgendermaßen"): -1492 j!j hat Steffen Arndes zn Lübeck die erste plattdeutsche Bibel gedruckt und mit schönen Erklärungen versehen "). Da er ein schlechtes Weib ge habt, in das er doch gar vernarrt j!j gewesen, hat er, gegen der alten Lehrer Meinung, nach ihrem Willen zu der Stelle: ,Und er soll dein Herr sein!' die Erklärung hinzutun müssen: ,Di vaken to pipende und to strakende (dich oft zu Herzen und zu streicheln)'. Sein Gesell aber, der es besser gewußt, hat heimlich über Nacht die Buchstaben vertauscht und gesetzt: ,Di vaken to Pynigende un to slande', was denn noch da steht.« Eine spätere Fassung, die wieder den Druckfehlerteufel in Rechnung stellt, hat die Sage ein wenig gewandelt im Sinne der oben schon berichteten, durch beide Überlieferungen jetzt verständlichen Erläuterungen «uf dem zweiten Blatt des Wolsenbütteler Exemplars: »Der Herr Setzer konnte das Manuskript smit der Glosse des Übersetzers) nicht ordentlich lesen und setzte — der Herr Korrektor nahm nach- °) Johann Melchior Göze, Versuch einer Historie der gedruckten Nied-rsächsifche» Bibeln vom Jahr 1479 bis 1621. Hall- 1775. E. 93. ") Ilugouls cko 8. Vletoro. Opera vmola. dloc-uut. T. I. 1617. P. 12. ") Vgl. auch Deecke, Einige Nachrichten von den im 15. Jahrh. zu Lübeck gedruckten niedersächs. Büchern. Lübeck 1834, S. 21. ") Liibischc Geschichten und Sagen gesammelt von Professor vr. Ernst Deecke. Mit Quellen und Literaturnachweisen versehen von Heinrich Wohlert. 6. Ausl. Lübeck 1925, S. 277 s. u. S. 478. "> In der Tat hat auch der Drucker Stephan Arndes seine Vor lage die »Kölner Bibel« von 1489 j?j mit Änderungen und Zusätzen versehen, fodah die fragliche Glosse mit unter seine Verantwortung fällt. Vgl. Franz Weber, Manuskrtptet till Arndes' lägtyska btbel av är 1494. <Jn: Nord. Ttdskr. s. Bok- och BibliotekSväsen X, 1923.) 69
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