Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.05.1921
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- 1921-05-26
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X- 120. 26. Mai 1921. Redaktioneller Teil. Börienblatt ». d. Dttchu. vuchbande^ Diese Zerlegung entspricht der F u n k t i o n s t e i l u n g, die wir als Grundmittel aller Lebewesen und Gesellschaften zum Zwecke des Aufstieges kennen. Aber wir wissen auch, daß neben der Teilung ebenso wichtig die Funktionsverbindung ist. Auch für diese muß die neue Form des Schriftwerks geeignet sein. Ebenso wie die Lettern nur bei gleicher Höhe und Länge sich zu einem Schriftsatz ver einigen lassen, so müssen auch bei den Sonderschriften die Bedingungen erfüllt sein, durch welche sie sich zu organischen Einheiten, gleichsam Lebewesen der verschiedensten Art und Eignung zusammenschließen lassen. Diese Aufgabe erfüllt die S a m m e l s ch r i f t. Eine Cammelschrift wird aus einer unbestimmten Anzahl von Einzclschriften gebildet, welche in gleichem Format gedruckt und mit sachgemäßen Ordnungszcichen ausgestattet werden. Gruppen von Ein- zelschriftcn werden in »Mappen« periodisch (monatlich, vierteljähr lich usw.) ausgegeben. Die Schriften können vom Empfänger einzeln benutzt, inzwischen aber vermöge der Zeichen rationell geordnet wer den, so daß man immer Ähnliches zusammen, und jedes an seinem ein für allemal bestimmten Ort findet. So entsteht aus der Sammelschrift allmählich das Sammelwerk, das sich von einem in Buchform erschienenen Werke ebenso zu seinem Vorteil unterscheidet wie eine moderne Kartothek von dem veralteten, unhandlichen und unpraktischen Geschäftsbuch. Aufgabe der S a m m e l s ch r i f t. Die Erzeugung wissen schaftlich-technischer Arbeiten erfolgt zurzeit wesentlich individuell, in dem der einzelne Forscher eine Frage bearbeitet, die Neigung oder Zu fall ihm gestellt haben und für die er die Möglichkeit einer Beant wortung sieht. Er schickt dann die Handschrift seiner Abhandlung an eine Fachzeitschrift, wo sie gedruckt und mit anderen Abhandlungen, die ungefähr um die gleiche Zeit an die Schriftleitung gelangt waren, in einem Heft veröffentlicht wird. Sechs oder zwölf oder 52 Hefte bil den einen Band, in welchem viele Arbeiten, oft Hunderte, unlösbar sneinandergcsessclt sind. Braucht man eine von ihnen, so muß man dazu den ganzen Band handhaben, oft versenden. Während dieser Zeit sind alle anderen Abhandlungen für jeden anderen gesperrt; leidet die eine in der Werkstatt usw. durch einen Zufall Not. so teilen alle anderen Gefahr und Schicksal. Alle diese Nachteile sind nicht notwendig. Sie entstehen nur durch die zwecklos vom alten geschriebenen Buch übernommene Vereinigung der vielen Abhandlungen zu der äußerlichen Einheit des Bandes. Dessen geistige oder innere Einheit besteht nur in dem allgemeinen Nahmen, den die Zeitschrift für ihren Inhalt ansstellt und über dessen Grenzen stets Unsicherheit besteht. Nicht einmal die Vollständigkeit ist hierdurch gesichert, da stets andere, verwandte Zeitschriften einen Teil des Materials für sich beanspruchen. Durch die Auflösung des »Bandes« werben alle diese Nachteile be seitigt. Kann jede Schrift einzeln gehandhabt werden, so läßt ihre Be nutzung alle anderen frei; es wird also das Mindestmaß von Bean spruchung in jeder Beziehung erreicht. Deshalb werden auch die Sonderdrucke, die bisher mehr zufällig neben den Bänden und Heften der Fachzeitschriften hergestellt wurden, als besonders ange nehme, weil zweckmäßige Arbeitsmittel von den Beteiligten sehr hoch geschätzt. Dies wird durch die Sammelschrift erreicht. Ebenso wie bei der Zeitschrift wird jede Abhandlung gesetzt und gedruckt. Statt aber die verschiedenen Abhandlungen technisch unlösbar zusammenzuheften, wird jede besonders geheftet. Der Vorzug der Zeitschrift, daß Ver sendung und Empfang auf bestimmte Zeitpunkte fallen, wird über nommen, indem je eine Anzahl Einzelschriften, die zusammen einen gewissen Umfang haben, zu einer »Mappe« zusammengefaßt werden, von denen je eine zu den bestimmten Zeitpunkten ausgegeben wird. Der Liebhaber des alten Bandwesens kann nach Jahresschluß alle Hefte in einen Z^and binden lassen. Der moderne Arbeiter aber wird sie von vornherein nach den aufgedruckten Zeichen methodisch oder in haltlich ordnen und so auf einen Griff alles beieinander finden, was sachlich zusammengehört. Ein E i n w a n d. Von dem alten Bandwesen oder -Unwesen rührt ein häufig erhobener Einwand gegen dies Verfahren her. Man tadelt, daß ein Einzelhcft leicht verlorengehen könne, und daß dann die Vollständigkeit zerstört sei. Zur Antwort dient, daß jede Sonderschrift auch einzeln käuflich sein wird; eine Lücke kann also ohne weiteres um ein Geringes ausgefüllt werden, während ein verlorener Band nur sehr schwierig und mit unverhältnismäßigen Kosten, weim überhaupt, ersetzbar ist. Allgemein aber wird die Handhabung der Sonderschriften dazu führen, diese viel mehr als bisher wie einen V e r b r a u ch s gegen ständ anzuschen. Jeder wissenschaftliche Fortschritt wird seinerzeit in den Bestand des Gcsamtwissens ausgenommen, und damit fällt die Notwendigkeit fort, ihn in der Form seiner ersten Darbringung ge branchsbereit zu halten. So werden im Laufe der Zeit die Einzel- schriften zum größeren Teil in die geschichtliche Abteilung des voll ständigen Sammelwerks abwandern, während eine viel kleinere Aus wahl zeitgemäß notwendiger Schriften das eigentliche »Handbuch« bilden werden. Dieses aber besteht im Gegensatz zu dem bisherigen aus lauter beweglichen Teilen und vermag daher jederzeit dem Zu stande des Wissens vollkommen angepaßt zu werden. Die Ordnung. Unter allen Umständen besteht die Aufgabe, die in zufälliger Folge einlaufenden Arbeiten, die in dieser Folge ver öffentlicht werden müssen, inhaltlich so zu ordnen, daß man jederzeit jedes finden kann. Hierzu dienen bisher Inhaltsverzeichnisse der Hefte und Bände, Jahresregister nach zeitlicher und alphabetischer Ordnung der Verfasser und der Gegenstände. Dadurch war jedesmal nur der bearbeitete Teil (Heft, Band, Jahrgang) in sich einigermaßen übersichtlich geworden; sollte ein größerer Umfang überblickt werden, so mußten alle Einzelregister durchgeschen werden. Um dies zu er sparen, wurden dann zuweilen Gesamtregister herausgegebcn, die stets sehr viel später erscheinen und das inzwischen Veröffentlichte unbe rücksichtigt lassen mußten. Diese Nachteile werden beseitigt, wenn die Arbeiten von vornherein sachlich geordnet werden. Dies geschieht dadurch, daß von vornherein ein Schema aller möglichen Abteilungen ansgestellt und so weit als er forderlich untcrgeteilt wird. Die derart entstehenden Abteilungen loerden mit Ordnungszeichen versehen, die den angcwendcten Ord- nungsmitteln entsprechen. Jedes Heft erhält beim Druck sein Ord nungszeichen. Stellt man jedesmal nach Empfang und erster Durch^- sicht jedes Heft an die Stelle, die ihm durch sein Ordnungszeichen ein deutig angewiesen ist, so hat man sofort und dauernd alles Zusammen gehörige beieinander und kann an Hand des Schemas für jede Sache die vorhandenen Schriften finden. Ebenso ist unmittelbar ersichtlich, welche Gebiete noch nicht bearbeitet sind. Daraus ergibt sich die Grundfrage, ob ein solches Schema besteht, das die Gesamtheit alles menschlichen Wissens so umfaßt, daß jedes Ein zelwissen eindeutig seinen Ort darin hat. Die Antwort kann im we sentlichen bejahend lauten. Wir kennen die großen Gruppen für die Einteilung alles menschlichen Wissens, und wir wissen auch im allge meinen, wie die Unterteilungen anszufllhren sind. Was noch fehlt, ist die methodische Bearbeitung aller dieser Unterteilungen. Die Grundlage dieser Ordnung bildet das Comte-Ostwald- sche Begriffssystem. Danach zerfallen alle Wissenschaften in die drei Gebiet« der Ordnungs-, der Arbeits- und der Lebens wisse n s ch a s t e n. Die ersten enthalten Logik, Mathematik und Geometrie; die zweiten Physik und Chemie; die dritten Physiologie, Psychologie und Soziologie oder Kulturwissenschaft. Jedes Stück menschlichen Wissens findet in einem dieser Gebiete seinen Ort. So gehört die Lehre vom Kriege der Soziologie an, die Lehre von den an steckenden Krankheiten der Physiologie, die Lehre von den Kegel schnitten der Geometrie, die Lehre von der Ordnung eines gegebenen Stoffes der Logik oder Mathetik an. Nicht nur die allgemeine Unterkunft aller Wissenschaften wird durch das Schema gesichert, sondern auch deren Unterteilung. Dies beruht auf dem Umstande, daß die benutzten Zugriffe von größter All gemeinheit und ärmstem Inhalt zu geringster Allgemeinheit und reich sten, Inhalt anfsteigcn. Vermöge eines allgemeinen Gesetzes, das der Mathetik angehört, finden sich die allgemeinen Begriffe in den engeren derart wieder, daß sie zu deren Unterteilung dienen. So zerfällt die Physiologie in einen ordnungswissenschastlichen (logischen, mathema tischen, geometrischen) und einen energetischen (physikalilchen und che mischen) vorbereit«ndcn Teil, über denen sich die alle znsammenfaj'scnde eigentliche Physiologie anfbaut, deren Unterteilungen aus ihren eigenen Begriffen stammen. Ob jeder dieser Teile bereits bearbeitet worden ist, und wieweit, hängt von Besonderheiten der geschichtlichen Entwicklung ab; das Schema zeigt deshalb auch gelegentlich leere Fächer. Aber man ist, was hier wesentlich ist, seiner Vollständigkeit so weit sicher, als überhaupt menschliche Voraussicht reicht. Es ist also nicht wahrschein lich, daß man es später in wesentlichen Stücken wird verändern müssen. Anwendung auf die Farbenlehre. Die Farbenlehre gehört zu den psychologischen Wissenschaften. Sie hat demgemäß fol gende Teile: I. Mathetische Farbenlehre. II. Physikalische Farbenlehre. III. Chemische Farbenlehre. kV. Physiologische Farbenlehre. V. Psychologische oder spezielle Farbenlehre. VI. Unterricht und Erziehung in der Farbenlehre. VII. Farbenlehre in der angewandten und reinen Kunst. Die Ordnung der eigentlichen Farbenlehre ist mit V abgeschlossen, wie ans dem Gesagten hervorgeht. Die beiden folgenden Abteilungen VI mrd VII gehören bereits einer höheren Wissenschaft, der Soziologie, an und stellen Anwendungen der Farbenlehre aus soziale Probleme dar. Da sie aber dort zurzeit noch keine Unterkunft und Pflege finden, 731
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