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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1921
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- 1921-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1921
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Redaktioneller Teil. X- 133, 10, Juni 1S21. Müßte dies nicht, selbst vom einfachsten Manne, als ein Wider» spruch ausgefaßt werden? Mützte ein Wittenberger Roman nicht schon aus historisch-stilistischen Erwägungen heraus im Hinblick auf die starke Bevorzugung der Schwabachcr zu jener Zeit in einer kernigen deutschen Schwabacher oder Fraktur gedruckt sein, und dies um so mehr, wenn der ganze Inhalt auf kraftvollste Lebens bejahung, auf Kainpf und Sieg gestimmt ist? Müßte nicht die eckige und spröde, derbe und herbe, dabei aber kraftvolle Schön heit der Schwabacher samt ihrer Schlichtheit im formalen Aus druck dem Inhalte solch eines Romans, einer Erzählung, oder was es sonst sei, völlig entsprechen? Ich lese da über das Buch »Die Magd« von Arthur Silbergleit unter »Stimmen der Presse«: »Silbergleits Rhythmen haben oft die Inbrunst mittelalterlicher Sänger, denen der Mariendienst der höchste Frauendienst war: oft haben sie den Orgelton wuchtiger Choräle», ferner: »Das Buch ist ein Heiligenbild, gemalt in Versen, die mit zärtlichem Geigen ton himmelan steigen». Und nun denke man sich hierzu die ge eignete Schrift, die im vollen Einklang zum Inhalt steht. Müßte da nicht geradezu eine symbolische Steigerung des Textes erfolgen, würde die Schrift damit nicht zum herrlichen Ausdrucksmittel der dichterischen Offenbarung? Oder man denke sich eine sachlich trockene Materie etwa in der »Frühling» gesetzt, oder ein Novellenbuch mit Darstellungen stärkster Erregungen in einer glatten Antiqua, Soviel Fähigkeit zur Deutung des Cha rakters von Schriften muß jeder an der Buchgestaltung Beteiligte besitzen, um zu wissen, daß die Schrift zwar nicht in allen Fällen als Symbol zu wirken vermag, daß jedoch das Schriftbild, oder richtiger gesagt, die Schriftsprache, mit dem Inhalt Fühlung ge winnen muß. Ein Buch, das in geschäftlicher Nüchternheit Probleme des. Welthandels streng sachlich behandelt, bedarf einer andern Schrift als ein Band mystischer Novellen; idyllische Episoden fordern eine andere Type als tragische Geschehnisse: Klassiker bedürfen einer andern Druckschrift als humoristische Erzählungen usw, Oder man denke an die chaotische Gedankenwelt expressionistischer Dich ter. Fordert nicht der seelische Ausruhr, in den uns die Satz- Verrenkungen oft seltsamster Art zu setzen vermögen, absonderliche Typen? Müßten für den Druck solcher Werke nicht auch Schriften verwendet werden, die in gleicher Weise das Sprunghafte der Gedanken, das Flackernde des Stils symbolisch mit zum Ausdruck bringen? Haben die Dadaisten nicht völlig recht, wenn sie das Unnatürliche, ja Kindische ihres Gebarens durch zwiebelfisch artiges Jneinandermischen aller möglichen Schriften, durch neu artige Jnterpunktionsweisen usw, zum Ausdruck bringen? Ebenso wie es beinahe selbstverständlich ist, daß Lateinschrift zur Anwendung gelangt, wo der Buchinhalt dies erfordert, wo klassische Korrektheit, wo die Glätte gefeilter Worte (wie in der Politik) bewegte, künstlich belebte Typen verbieten, und daß Frakturschrift dort zu wählen ist, wo deutschvölkische Tendenzen hervortreten, oder wo die Beweglichkeit des Inhalts eigensin niges keckes Spiel der Buchstaben fordert, so wird Nüchternheit oder Reichtum, glatte Sachlichkeit oder spielerische Wortfülle, Pi- kanterie oder Philistertum einen bestimmten Schriftcharakter nötig machen. Es ist darum nichts als die Er füllung einer höchsten Zweckmäßigkeit, wenn man möglichste Anpassung der Formensprache der Schrift an Sprache und Inhalt des Buches erstrebt. 5, Buchschrtft und Buchcharakter. Wer aufmerksam eine Anzahl recht verschiedenartiger Bücher betrachtet, der wird zugeben, daß cs vielfach die Schrift ist, die dem Buche seinen äschetischen Reiz gibt, ja daß sie nicht selten dem ganzen Werke erst seinen Charakter verleiht. Von der Buchschrtft wird es zu einem ganz erheblichen Teile abhängen, ob das Buch verkümmert aussieht oder durch orga nische Abrundung eine Steigerung der Wesensart bewirkt. Jeder Buchgestalter, Buchkünstler oder Verleger, jeder künstlerische Be rater, der die Buchausstattung besonders pflegt, wird nun nicht allein eine Harmonie zwischen Buchinhalt und Buchschrift, son dern zwischen Buchschrift und Buchganzem anstrcben. Schon die Buchmeister früherer Jahrhunderte haben diesem Buchproblem 79S ihre Aufmerksamkeit geschenkt, und es ist bestimmt kein Zufall, wenn das Psalterium vom Jahre 1457 sich in jener strengen, litur gischen Missaletype präsentiert, wenn das Abenieuerbuch »Theuer- dank« vom Jahre 1517 in jener schwungvollen, schnörkelreichen Fraktur sich zeigt usw. Man wende nicht ein, daß ich versuchte, scheinbar Zufälligem eine typische Bedeutung zu geben, die Buch gestalter der ersten Blütezeit des Buchgewerbes haben die Teile des Buchorganismus zweifellos viel besser aufeinander abge stimmt, als dies heute zumeist geschehen mag. Man braucht ja die Forderung nach Anpassung der Buchschrift an den Buch- charakter durchaus nicht zu verallgemeinern und auf jedes einfache Gebrauchsbuch usw, anzuwenden; das schöne Buch und noch stärker der Luxusband fordern geradezu, daß die Vorzüge des Inhalts mit der Form, also nicht allein mit der Schönheit und Echtheit der verwendeten Materiale, sondern mit der Buchillu stration oder dem Buchschmuck, mit Buchpapicr und Bucheinband, nicht zuletzt jedoch auch mit dem Charakter der Buchschrift über einstimmt, Dem auserlesenen Text das würdige, festliche Ge wand! Sorgfältiges Erwägen und Anpassen der Buchschrift an den Buchcharakter, das Herstellen des Einklangs zwischen Inhalt, Bild und Schrift ist erforderlich. Man stelle sich also nicht nur auf eine streng stilistische Auswahl, beeinflußt von historischen Erwägungen, ein, sondern nehme, ehe man sich für eine bestimmte Schrift entscheidet, eine Charakterauslcse vor, bemühe sich um Erfassung des richtigen Stimmungsausdrucks, Wenn auch das Schriftschaffen zurzeit etwas eingedämmt ist, so sind doch in den letzten Jahren vor dem Kriege zahllose und teilweise herrliche Künstlerschriften entstanden. Mit der schematischen Auswertung dieser reichen Schriftschätze kann nunmehr begonnen werden. Wir besitzen auf dem Gebiete der Schrift viel Künstlerisches reinster Ausprägung, und die mannigfaltigsten Gefühlswerte schlummern in diesen Lettern. Es gilt nur, sich von der Unsicherheit der Schriftwahl und von etwaigen Überlieferungen zu befreien und durch Teilnahme am Wesen des Werkes den Buchcharakter zu scharfer Tendenz herauszuarbeiten. Die Schriftwahl wird noch vielfach allzusehr von Nebensächlichkeiten bestimmt, zuweilen ist es auch Rücksichtnahme auf die Druckerei, die hier den Ausschlag gibt. Es gibt noch viel zu harmonisieren im Buche, Schrift be trachte man als Ausdruck künstlerischen Miterlebens, als Würze des dichterischen Werkes, als entscheidendes Organ im Buch- organismus. Eine der Hauptsorgen bei der Ausgestaltung eines Buches mutz sowohl für den Verleger als auch für den Autor sein, höchstmögliche Anpassung der Buchschrift an den Buch charakter zu erzielen, 6. Eigenschriften, Daß es schon immer Bücher gewisser Art gegeben hat, die sich in einer besonderen und für diese Werke typischen Schrift präsentiert haben und deren Schriften darum vielfach unter dem Namen des Buches bekannt sind (Psaltertype, Theuerdankschrift usw,), erwähnte ich schon. Sodann sind die »H a u s s ch r i f t e n« zn nennen. Die Klas siker-Ausgaben des Tempel-Verlags (Teinpel-Klassiker) erscheinen beispielsweise in der von Prof. E, R, Weiß geschaffenen Fraktur (»Tempel-Fraktur« oder »Weiß-Fraktur«), übrigens war Wohl genannter Verlag der erste, der deutsche Klassiker in einer mo dernen Schrift druckte. Als Hausschrift ist sodann die Drugulin- Fraktur zu nennen. Eine solche Hausschrift braucht durchaus nicht speziell für einen bestimmten Verlag geschnitten zu sein; diese Bezeichnung ist vielmehr bereits dann berechtigt, wenn ein Verlag eine bestimmte Buchschrift in starkem Maße bevorzugt. Es gibt Firmen, besonders solche mit fest umrissener Verlags- richtung, die sich aus Gründen der Einheitlichkeit ihrer Ver- lagswerke (Reihen- und Sammelbünde) nicht selten auf eine Schrift festlegcn. In solchen Fällen sind Konflikte im Hinblick auf die so wünschenswerte Übereinstimmung von Buchschrift, Buchinhalt und Buchcharakter oft unvermeidlich. Zu den Eigenschriften gehören auch die »P r e s s e n s ch r i f - ten«, wie sic von den Künstlerpressen verwendet werden. Meistenteils wird die von dem leitenden Künstler entworfene Schrift für den Druck der Werke benutzt. Das muß natürlich zu einer nicht gut zu heißenden Vereinheitlichung und Typi-
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