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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.06.1921
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- 1921-06-21
- Erscheinungsdatum
- 21.06.1921
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.V 142. 21. Juni 1921. Redaktioneller Teil. Paketen ein. Mit überstürzender Schnelligkeit wnrden sie ausgcpackt, ansgezeichnet, ausgelegt, expediert und ausgetragen. Bei der Univer sitätsbibliothek kamen die Boten aller Firmen ungefähr zur gleichen Zeit an. Jeder Bote hatte fast ausnahmslos die gleichen Bücher wie seine Kollegen, und jedem war von seinem Chef zuv Pflicht gemacht, sich ganz besonders zu beeilen, um den übrigen Firmen den Rang streitig zu machen, denn es bestand die Meinung, daß diejenige Firma am meisten Aussicht habe, bei der Auswahl der Neuanschaffungen berück sichtigt zu werden, die die Werke zuerst abgeliefert habe. Kam ich von Zeit zu Zeit einmal selbst als »Boten-Ersatz« zur Bibliothek, so ver lebte mich stets die Gleichgültigkeit, mit der der Beamte meine Bücher in Empfang nahm und auf einen großen Haufen anderer Ansichts sendungen legte, und ich machte mir damals schon immer Gedanken da rüber, ob die viele Arbeit und die große Hasterei überhaupt einen Zweck habe. Die Meinung eines Stifts war al>er zu unmaßgeblich, als daß sie Einfluß auf seit Jahrzehnten »bewährte« Methoden gehabt hätte. Heute hat man gelernt (oder müßte es wenigstens), mit Arbeitszeit usw. wirtschaftlicher umzngehen. Versetzt man sich in die damalige Zeit zu rück, so kommt man zu dem Resultat, daß oft eine Unmenge Zeit und Geld sinnlos vergeudet wurde für Zwecke, die sich viel einfacher hätten erreichen lassen. In dem erwähnten Falle hatte die Universi tätsbibliothek höchstens Verwendung für je ein Exemplar der über sandten Werke, ein zweiter ernsthafter Reflektant kam aber oft für das selbe Werk am Ort nicht in Frage, trotzdem mußte der Verleger an jede der Firmen wenigstens je ein Exemplar des betreffenden Buches liefern. Welche ungeheure Arbeit und welche unnötigen Kosten dem Verleger und den Sortimentern — abgesehen von der nutzlos erhöhten Auflage — entstanden, kann sich jeder Berufskollege mit Leichtigkeit ausrechnen. -Heute wird keine der beteiligten Firmen noch die Be hauptung anfstcllen, daß bei dem Rangstreitigmachen damals etwas verdient worden sei, im Gegenteil, der an den glatten Verkäufen er zielte Verdienst war dadurch geschmälert worden. Der Etat der Biblio thek war genau festgelegt. Wie günstig wären die sechs Sortimenter ge fahren, wenn sie sich zu einer wirklichen Interessengemeinschaft zusam mengeschlossen und von einer Stelle ans den Verkehr mit der Biblio thek und ähnlichen Behörden und Instituten gepflegt hätten. Die Bibliothek wäre mit dieser Lösung, die auch ihr eine Menge Arbeit er spart hätte, sicherlich sehr zufrieden gewesen. Der Uberschuß hätte nach bestimmten Gesichtspunkten, z. B. zu gleichen Teilen oder im Verhält nis zu den bisherigen Lieferungen oder im Verhältnis zur Größe des Geschäfts, unter den beteiligten Firmen verteilt werden können. Der erwähnte Fall ist natürlich längst erledigt. Dafür hat der Krieg und die Abtretung des betreffenden Gebietes gesorgt. Der Fall ist aber für den Buchhandel typisch. Statt Arbeit und Kosten in erster Linie zur Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten zu verwenden, wird im Buchhandel, weit mehr als in jedem anderen Geschäftszweig, viel Zeit und Geld geopfert, um Aufträge zu erhalten, die sicher irgendeiner Buchhandlung ohne weiteres Zutun erteilt worden wären. Dieser Zu stand ist ungesund und muß aus der Welt geschafft iverden. Das läßt sich vor allem dadurch erreichen, daß der Sortimentsbuchhandel darauf verzichtet, immer wieder zu betonen, daß er »alle im deutschen Buch handel erschienenen Bücher liefern kann«, sondern seinen Schwerpunkt immer mehr auf ein möglichst scharf abgegrenztes Spezialgebiet legt und dieses mit einer um so größeren Gründlichkeit bearbeitet. Die Buchhandlungen eines Orts müssen Zusammenarbeiten und dürfen sich nicht gegenseitig den Rang ablanfen wollen. Die planmäßigste Spezia lisierung ließe sich durch die vielbefchdete Sozialisierung erreichen, mit der aber im Buchhandel nie gerechnet werden kann. Man denke sich die Leitung des gesamten Büchervcrtriebs an einer Stelle (Leipzig), dazu Unterleitungcn für die einzelnen Wirtschaftsbezirke und diesen untergeordnet örtliche Verwaltungen. An jedem Orte ist, soweit es die Verhältnisse erfordern und gestatten, eine Spezialisierung der vorhan denen Buchhandlungen vorzunehmen, nötigenfalls auch überflüssige Ge schäfte eingehen zu lassen, anderseits im Bedarfsfälle neue zu gründen. Jede dieser Buchhandlungen unterhält auf dem ihr zugewiesenen Spe zialgebiet ein besonders sorgfältig gewähltes Lager und entfaltet eine besondere Propaganda unter den Interessenten dieses Gebiets. Das Publikum wird sich nuü in der NcM für dasjenige Geschäft entschlie ßen, das in der Richtung seinen Bedürfnissen am nächsten liegt. Aus nahmen werden Vorkommen, wenn ein Kunde z. B. zu weit von »seiner« Spczialbnchhandlnng entfernt wohnt oder aus alter Anhänglichkeit oder sonstigen persönlichen Gründen seinen Bedarf lieber an einer anderen Stelle deckt. Es würde also vermieden werden, daß ein bestimmtes Buch in verschiedenen Buchhandlungen vorrätig gehalten wird, der einzige Interessent am Orte es aber ansgerechnet bei einer Firma be stellt, die es nicht vorrätig hat und es erst vom Verleger besorgen muß, > während das Werk in den anderen Geschäften zum Ladenhüter wird. Durch den Zusammenschluß oder das Zusammenarbeiten aller am Ort vorhandenen Buchhandlungen ist es aber möglich, dem Besteller das Buch ans den örtlichen Beständen zu liefern. Ebenso würde ein Kunde, z. B. eiu Jurist, der ein Buch über Gartenbau und einen weniger be kannten Roman wünscht, sich nicht an drei verschiedene Firmen zu wenden haben, sondern durch Vermittlung »seiner« Buchhandlung die Werke zugestellt erhalten. Die gesamte Buchführung, je nach den ört lichen Verhältnissen auch der Zeitschriftcnvertrieb und die Zustellung der Bücher an die Kunden würde der Zentrale unterliegen. Auf Grund gesetzlicher Regelung ließe sich dieser Vorschlag am durchgreifendsten verwirklichen. Die Durchführung dieses Planes auf der Grundlage privaten Zusammenschlusses würde aber weit wirtschaftlicher sein. Dem Verleger würde durch eine derartige Verminderung seines Kun denkreises bei gleichem Absatz manche Arbeit erspart und vereinfacht werden, auch würde es ihm in vielen Fällen ermöglicht, den tatfäcl)- lrchen Bedarf bei Neuherstellungen festznstellen und einen geringeren Prozentsatz für Kommissionssendnngen vorznsehen, wodurch sich der Preis des Buches verringern würde. Auch in sozialer Hinsicht hätte das System seine Vorteile. Durch bessere Wirtschaftlichkeit des Betriebes könnte die Entlohnung der Angestellten eine bessere sein: besonders älteren Angestellten wäre die Möglichkeit gegeben, durch Austausch innerhalb der einzelnen Betriebe in bessere Posten zu kommen, ohne daß sie dabei den Wanderstab ergreifen müssen. Es sind mir in Deutsch land aus eigener Kenntnis der Verhältnisse mehrere Städte bekannt, ivo sich verhältnismäßig leicht der von mir vorgebrachte Plan des Zu sammenschlusses und Spezialisierens verwirklichen ließe. Halbe Arbeit darf allerdings nicht gemacht werden. Weit mehr als vor dem Kriege kommt jetzt der Arbeiter als Biicherkäufer in Frage. Die Revolution hat manchen, der vordem in den Tag hineinlebte, aufgerüttelt. Wenn auch das meiste Interesse sich vorläufig noch politischen Dingen zuwendet, so gewinnt doch der Sinn für alle anderen Gebiete und gute Bücher in steigendem Maße. Der Arbeiter hat die Macht des Wissens erkannt. Die jüngere Generation ist noch wissensdurstiger, und mit den Jahren wird der Bedarf an Lite ratur aller Art in diesen Kreisen bedeutend steigen. Man vergegen wärtige sich, daß allein in den Arbeitnehmervcrbänden weit über zehn Millionen Arbeiter und Angestellte vereinigt sind, alle mit festen Ein nahmen, und man wird ermessen können, welch großes Absatzgebiet hier noch zu erschließen ist. Die Annahme, daß sich der Arbeiter aus nahmslos seinen Parteibuchhandlungen zuwende, ist irrig. Der Sorti menter braucht nur die sogenannte Arbeiterlitcratur mitzuführen und er wird bald feststellen können, daß er das richtige Bindeglied gefunden hak. Beachtenswert ist die zunehmende Bedeutung der Verbands buchhandlungen, die sich neben den Parteibnchhandlungen ge bildet haben und im Gegensatz zu diesen ihre Aufgabe hauptsächlich darin erblicken, die Verbandsmitglieder mit Fachliteratur zu versorgen. Aus kleinen Anfängen haben sich diese Bnchvertriebsstcllen schon teil weise zu bedeutenden Buchhandlungen entwickelt. Vom Buchhandel all gemein noch nicht anerkannt, vom Sortiment als unerwünschte Konkur renz sogar befehdet, werden diese Buchhandlungen in natürlicher Ent wicklung ihre eigenen Wege gehen. Für den Buchhandel ist es jetzt Zeit, sich zu entschließen, ob er mit ihnen marschieren will oder gegen sie. Der Verleger hat es wohl noch in keinem Falle als unange nehm empfunden, wenn ihm von dieser Seite eine oder mehrere Partien eines Werkes bestellt wurden, oder gleich der größte Teil einer Auflage bezogen wurde. Der Sortimenter muß sich mit der Tatsache abfindcn und sich damit trösten, daß das wachsende Bedürfnis an Literatur aller Art in den Arbeiterkreisen auch ihm zugute kommt. Der Gcsamtbnch- Handel muß auch diese Zweige des Berufs als gleichberechtigt aner kennen, sonst wird die natürliche Folge sein, daß sich neben deml »bür gerlichen« ein besonderer »Arbeiter«-Buchhaudel entwickelt, der ersterem mit der Zeit an Bedeutung gleichkommen wird. Daß eine Organisation wie der Gewerkschaftsbund, der allein acht Millionen Mitglieder um faßt, auch in der Lage sein würde, eine Reihe Buchhandlungen zu er richten und zu unterhalten, dürfte ohne weiteres klar sein. Bisher existieren aber nur die Buchhandlungen der großen Verbände, die haupt sächlich auf Versand eingestellt sind und namentlich die ländlichen Be zirke, in denen keine Buchhandlungen vorhanden sind, versorgen. Daß der Blichervcrtrieb vollkommen nach bnchhändlerischen Gesichtspunkten erfolgt, dafür sorgen schon die Verleger, die bei der Lieferung Einhal tung der Verkanfsordnnng zur Bedingung machen. Einwänden, daß die als verantwortlich zeichnenden Geschäftsführer in der Regel die Vorstandsmitglieder der betreffenden Verbände, also Nichtbuchhändlcr sind, kann entgegcngehalten werden, daß auch sehr viele Inhaber und Teilhaber großer bnchhändlerischer Unternehmungen keine »gelernten« Buchhändler, sondern lediglich Geldlentc find. Vor dem Steuererheber aber sind sic alle gleich. Gründliche Reformen, Erschließen neuer Absatzgebiete und Brechen mit veralteten Anschauungen sind nötig, wenn der Buchhandel gesunden will. I. Guldner. 899
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