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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.09.1927
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- 1927-09-20
- Erscheinungsdatum
- 20.09.1927
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22«, 2«, September 1927, Redaktioneller Teil, Vdlscnblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Buchhandel eine Stellung einnimint, die ihresgleichen sucht? So ist in ihm wirklich ein großer, ein stolzer Buchhändler dahin gegangen, aber eben auch sin ganzer Mann und ein lieber Mensch. Als bei der stimmungsvollen Weihcseier seines Ferien heimes in diesem Sommer das Glöälein der Rauschen«» Kirche den Abend einläutete, genoß Otto Paetsch sichtlich die Ruhe und den Frieden der Stunde, Er liebte die fernen hohen Berge im Süden, zu denen ihn immer wieder die Sehnsucht trieb. Aber er blieb doch seiner Heimat tiefinnerst verhaftet, wurde auch nicht müde, ihre Schönheiten den Freunden zu zeigen, mochte er nun von den Dünen der Nehrung schwärmen oder im Auto den Gast von Stätte zu Stätte fahren. Und er liebte die Hast und den Drang der Arbeit, rastloser Tätigkeit, die ihm Lebenselement war. Aber es schlummerte zutiefst doch auch in ihm das Sehnen nach völligem Ansruhenkönnen fern von allem Lärm der Welt, und mit Worten voll solcher Hoff nung streichelte er geradezu den wildverwachsenen Garten seines Rauschener Heims, als wir durch seine stillen grünen Räume schritten. Nun hat er, viel zu früh sicher für die, die ihn lieben, die Ruhe gefunden für immer, und der Tod meinte es gnädig, er durste scheiden, ohne zu leiden. Sein Gedächtnis aber bleibt. 8M, Paul Nenner über seine Schrift „Futura". Dieser Schrift liegt ein neuer Gedanke zugrunde. Das unter scheidet sie von allen ähnlich aussehcnden Künstler-Groteskschriften. Die Futura will nicht zuin Eklektizismus unserer Drucktypen bei tragen durch die persönliche Färbung einer aus der Tradition kritik los übernommenen Form. Sie ist überhaupt nicht von einem Vor bild ansgegangen, sondern zu Formen, die der Grotesk ähnlich sind, erst durch die ihr innewohnende Fdee hingeführt worden. Wir haben heute einen eigenen Zeitstil. Er füllt nicht mit seinen Bauten das Land bis in jeden Winkel aus; aber das haben frühere Zeitstile auch nicht getan. Der Stil einer Zeit ist immer mehr eine Idealität als eine Realität, ist immer mehr Ahnung als Gegenwart; er ist die Konzeption einer Formenwelt, in der die Zeitseele ihren redlichsten Ausdruck findet. Die Künstler dienen diesem anonymen Formwillen, der sich auch ohne sie ans allen Ge bieten des Lebens durchsetzt. So sind die Bauten des jungen Europa entstanden, so aber auch die edlen Formen der Antos und Flug zeuge, der Segeljachten und Ozeandampfer, der Maschinen und Brücken. In dieser Formenwclt wirken die historischen Schriften fremd, wie uns ein Renaissance-Ornament befremden würde auf dem leichten Stoff, der den trainierten Körper der modernen Frau einhüllt. Die Schrift dieser Zeit kann nicht durch äußerliche An- glcichung der historischen Schriftformcn an die Bauformen der neuen Architektur gewonnen werden. Auch die Schrift muß den mühe vollen Weg gehen, der die anderen Künste aus dem Historismus der vergangenen Zeit zum neuen Stil geführt hat. Als Gottfried Semper vor fiinszig Jahren die Kunst für das Produkt aus Ge brauchszweck, Rohstoff und Technik erklärte, hat er sich zweifellos geirrt. Aber dieser Sempersche Begriff, an den heute wohl nur noch in Moskau geglaubt wird, hat der Kunst schneller aus der Sackgasse des Historismus geholfen als die Weisheit der Kunstwissenschaft, für die unsere Zeit erst jetzt ansnahmcbereit wird. Wie war das möglich? Weil das Produkt aus Gebrauchszweck, Rohstoff und Technik, wenn auch gewiß nicht .Kunst, so doch der Werkbestand am Kunstwerk ist; das ist die dem Künstler gestellte Ausgabe, die er ins Auge fassen muß, wie der Scharfschütze sein Ziel. Jeder Kunst wird es zum Verhängnis, wenn sie den Wcrkbestand mit falschen Werkbcständen bis zur Unkenntlichkeit verschleiert; dies aber war die besondere Gefahr einer Kunst, die mit der in Stein übersetzten Holzkonstruktion des dorischen Tempels begann und in der Stil- und Stoff-Imitation des neunzehnten Jahrhunderts endete. Unsere Zeit zieht den kunstlosen Werkbestand, die technische Form, jeder Kunst vor, die sich sinnlose oder nur dem Kunsthistoriker verständliche Formen erlaubt. Die technische Form überzeugt, weil sie durch ihre Funktion, ihren Werkstoff und ihre Bearbeitung so und nicht anders gefordert zu sein scheint. Und doch kann sie so schön sein wie nur irgendetwas in Kunst und Natur. Auf diese Schönheit aber verstehen sich auch die, deren Kunsturteil verbildet ist. (Wenn dennoch der technische Stil im Hausbau und Hausrat noch immer Gegner hat, so liegt das an dem unausrottbaren Sno bismus. Gerade die eben groß gewordenen Städte haben eine Schwäche für historische Bausormen; und die neuen Neichen richten 1134 sich mit Vorliebe in den hochmütigen Stilen des höfischen Adels früherer Jahrhunderte ein, um die engen Verhältnisse vergessen zu machen, in denen ihre Voreltern gelebt haben. Alte Kultur, die immer dort am hellsten durchschimmert, wo die gegenwärtige faden scheinig geworden ist, hat ihren Reiz; aber man soll sie nicht ver wechseln mit dieser aus falschem Geltungsbedürfnis vorgetäuschten.) Auch die Schrift unserer Zeit kann nur gesunden werden durch Zurückgehcn ans den reinen Werkbestand. Bei der geschriebenen Schrift liegt der Wcrkbestand offen zutage. Jede Einzelheit ergibt sich aus der Bewegung der schreibenden Hand, aus der Eigenart des Schreibwerkzeuges und des Schreibstoffes. Eben dadurch unter scheidet sich die mittelalterliche Schrift von der Kalligraphie der Verfallzeit, daß sie ihrer schlichten Zweckbestimmung mit der Selbst vergessenheit dient, die aller großen handwerklichen Kunst eigen ist. Den späteren Schreibmeistern fehlt diese Sachlichkeit; sie wollen die Geschicklichkeit ihrer Hand zeigen. Bei den klassischen Druckschriften ist der Werkbestand der geschriebenen Schrift noch zu erkennen trotz der ganz veränderten technischen Bedingungen des Buchdruckes. Und wenn wir es auch begreiflich finden, daß die durch die mittelalter liche Handschrift verwöhnten Medici Bedenken hatten, gedruckte Bücher in ihre Bibliothek aufznnchmen, so muß doch grundsätzlich zugegeben werden, daß bei der Verschränkung zweier technischer Be stände doch auch Werke von hohem künstlerischen Werte entstehen können. 4-, i Der japanische Holzschnitt und der mittelalterliche Dürers sind Beispiele dafür. Sie geben die Pinsel- und Kielscderzeichnung nicht mechanisch getreu, sondern mit großem künstlerischen Takt so wieder, daß man beides: das Werkzeug des Zeichners und des Holzschneiders erkennt. Diesem Takt begegnen wir auch in den klassischen Druck schriften. Doch schon in der klassizistischen Antigua wird der Wcrkbestand bis zur Unkenntlichkeit verdeckt. Sie ist den Schriften der Kupfer stecher nachgebildet: aber der Kupferstecher hatte schon das Bild einer Breitfederschrift im Auge. Nun muß der Stichel des Stempel- schnciders gerade das stehen lassen, was der Stichel des Vorbildes einzugraben bequem gesunden hatte. Die neueren Schriften ent arten dann ganz in unverstandenen Formalismus; Schreibformen und Stichelsormen werden von anderen Schriften übernommen, ohne daß man sich ihren Sinn noch klar zu machen versucht. Die besten Schriften unserer Zeit zeigen die Bemühung, wieder zu einer künstlerisch ausgeglichenen Wiedergabe der Handschrift durch den Stecher zu kommen. Aber die Schrift unserer Zeit kann nicht aus der Schreibschrift kommen. Kann man etwas wiedergeben, was man garnicht mehr hat? Die moderne Handschrift ist nicht lesbar genug; man ist immer wieder ans das Vorbild der mittelalterlichen Bnchschrciber angewiesen. Denn die edle Kunst des Buchschreibetts ist ja mitten in ihrer wunderbarsten Blüte jäh vernichtet worden durch die Erfindung, die Bnchschrist mechanisch zu vervielfältigen. Nach Gntenberg gibt es keine Schreibkunst mehr, sondern nur noch Kalligraphie. Und von dem Schreibkunstgewerbe unserer Tage läßt sich eine neue Bnchschrist so wenig erwarten wie von den poetischen Bemühungen der Altphilologen ei» neues Latein. Der Buchdruck kann die ihm allein mögliche, die ihm eigentümliche Schönheit, mit der die Handschrift nie in Wettbewerb treten kann, erst dann er reichen, wenn er aufhört, in der Handschrift sein Vorbild zu sehen. Die Schrift unserer Zeit hat endlich einmal die Konsequenz aus der Erfindung des Lettergnsses zu ziehen. Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, daß die Druckschrift nichts mit Schreiben zu tun hat, daß sic Abdruck ist von Metall-(Buch-)Staben, von Lese-Zeichen, die sich zu Wortbildern fügen. Das lesende Auge folgt nicht den Zügen des einzelnen Schriftzeichens, es läßt sich nicht vom Duktus der Einzclform führen, sondern es erfaßt die auf dem Papiere ruhenden Wortbilder im Fluge von oben. Die Druckschrift kann deshalb, ohne an Lesbarkeit zu verlieren, ans jede Dynamik verzichten, die ihrem Wcrkbestand fremd ist und immer nur an die schreibende Hand erinnert; sie kann zur statischen, von oben gesehenen Form werden. Die Futura hat diesen Versuch zum ersten Male gewagt. Sie hat den Kleinbuchstaben ihre von links nach rechts drängende Dyna mik genommen und ihnen dadurch die Ruhe gegeben, die den Groß buchstaben von jeher eigen war. Und sie ist noch einen Schritt weiter gegangen. Sie hat die Kleinbuchstaben auf das formale Prinzip der einfachsten, elementarsten Flächen gebracht, denen die römischen Versalien ihre leichte Faßlichkeit und damit einen Elan ganz anderer, nämlich geistiger Art verdanken. Ter Großbuchstabe fällt nun nicht mehr durch eigenen Rhythmus und fremde Form gebung ans dem Bild der Kleinbuchstaben heraus; das ist ein Vor teil, der besonders den deutschen Texten mit ihrer Häufung von Großbuchstaben zugute kommt.
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