Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.10.1921
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1921-10-29
- Erscheinungsdatum
- 29.10.1921
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19211029
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192110296
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19211029
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1921
- Monat1921-10
- Tag1921-10-29
- Monat1921-10
- Jahr1921
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
dehnte Hinterland und nach Ungarn hinein, ein lukrativer Schulbücher- vcrlag durchflutete das alte Hans in der Sporgassc. Die landschaft lich schöne Lage der Stadt an der Mur mit dem Schloßberg in der Mitte und dem Schocke! am Horizont war Labsal siir mein Thüringer Herz nach dem Leipziger Flachlande. Hier empfand ich nun die Fehler meiner buchhändlcrischcn Aus bildung sehr lebhaft, zugleich hielt mich aber eine falsche Scheu zurück, sic merken zu lassen, sodaß ich in eine Zwitterstcllnng geriet, die man ches Problematische mit sich brachte. Da alle, mit denen ich geschäftlich in Berührung kam, gegen mich wohlwollend und nachsichtig waren, ge wann ich an Zutrauen, vervollkommnetc mein geschäftliches Wissen, erweiterte meinen Gesichtskreis und hätte, anstatt nach zwei Jahren zu wechseln, besser getan, länger zu bleiben und weiter zu erstarken. Aber der Krieg 1859 kam, ich wurde umhergeworfcn, arbeitete in Ber lin und München, machte dazwischen wieder Pausen, die ich in der Heimat verbrachte, und kam nicht vorwärts. In jeder neuen Stellung hatte ich größere Schwierigkeiten zu überwinden wie andere, sogar weniger Gebildete, als ich: ich akklimatisierte mich langsam, war empfindlich, zudem kein flotter Arbeiter, sodaß ich erst nach geraumer Zeit das Zutrauen des Chefs gewann und in ein kollegiales Verhält nis zu den Gehilfen trat, aber nicht imstande war, eine führende Stel lung zu erlangen. So schwamm ich mit der Allgemeinheit, stieg den damaligen Verhältnissen entsprechend von der unteren Stufe von 75 ^ monatlichen Gehaltes wohl auf 150 ./i, war ein nicht allzu rühriges Mitglied des lokalen Buchhandlungsgehilfenvereins, bewohnte bei einer Witwe eine Studentenbude, nachdem ich eine Gehilfenstelle in einer mitteldeutschen Universitätsstadt (Fr. . . St. . . in W.) angenommen hatte, rauchte und las viel in meinen Mußestunden. Wie manches Buch, das am nächsten Tage zur Ansicht versandt werden sollte, wurde die halbe Nacht durchslogen, trotzdem es broschiert und unausgeschnitten vorlag, und nicht nur schönwissenschaftlichc Literatur, sondern auch Philosophie, Theologie und Geschichte wurden von mir mit Beschlag belegt; ehe ich die Bücher aus den Händen ließ, erlebte ich Stunden des Aufschwungs, der Erhebung, aus die dann freilich der Niederschlag wieder folgte. Der Umgang mit jüngeren, zwanzigjährigen Kollegen wurde mir drückend, ich wurde älter, näherte mich den Vierzigern, dem Schwabcnalter, wo der Mensch gescheit werden soll; ich war aber kein Schwabe, und die Regel traf nicht ein. — Wenn wir zur Ostcr- messe bis tief in die Nacht hinein remittiert hatten oder ich von einem Weihnachtsfcstc mit einem heißen Kopse durch die stillen Straßen nach Hause ging und dann in dem einsamen Zimmerchcn zum Fenster hinauslehnte, so überkam mich ein trostloses Gefühl der Vereinsamung, und beklommenen Herzens warf ich mich aufs Bett. Am anderen Mor gen um 8 Uhr stand man an den Fortsctznngslisten oder trug Faktu ren in die Strazze, man packte den Leipziger Ballen aus und notierte die Preise der Bücher, dazwischen wurde das Publikum bedient; die zweistündige Mittagspause kam mit dem Restaurationsbetrieb, der Tasse Kaffee, die Nachmittagsarbeit bis gegen 8 Uhr, ein abendlicher Spaziergang, - der nächste Tag der gleiche, so lies das Leben dahin, gleichmäßig fließend. — Da kam Veränderung, Bewegung. Der Vater, einem Herzschlag erliegend, war plötzlich gestorben, eine Erbschaft von einigen Tausend Mark fiel mir zu; das Sortiment, in dem ich ar beitete, wurde verkäuflich, ein großstädtischer Freund wurde mein Ge sellschafter, und binnen kurzer Zeit war ich etabliert. Anfangs ließ sich alles gut an. Die veränderten Verhältnisse lösten stärkere Energie entfaltung aus, das beglückende Gefühl von etwas Erreichtem hob und befestigte die Tätigkeit, und wie eins aus dem anderen entspringt oder mit ihm wenigstens zusammenhängt, so verlobte ich mich nach einem Jahre. In einer Beamtenfamilie hatte ich bisweilen im Quartett mit- gcspiclt und dabei mich in die älteste Tochter verliebt: eine Natur, die der mcinigcn vielfach entgegengesetzt war: leidenschaftlich begehrend und rasch handelnd: ein feingeschnittenes Profil, ein sympathischer Mczzo-Sopran mit Alttimbrc zeichnete sic aus, eine künstlerisch ge schulte Stimme, der ich mich ergab. Aber die harte Realität der Dinge, machtvoller und stärker als die Neigungen und Vorsätze, warf alles über den Haufen. Der Sozius konnte sich nach Ablauf einiger Jahre nicht dauernd in die kleinen Verhältnisse der Mittelstadt ge wöhnen und verließ mich: mein kleines Kapital war ungenügend zur erfolgreichen Fortführung des Geschäftes. Das Problematische des Zustandes führte meine Entladung herbei, und nach beiden Richtungen hin enttäuscht, resignierte ich, zog mich mit Verlust zurück und tauchte in Wien unter, wo ich nun seit Dezennien lebe. »Schauen's« Wien mit seiner sommerwestlichen Leichtigkeit der Lebensweise ist der rechte Ort für Naturen, wie die meine ist. Vorsatz, Anlauf, Enthusiasmus und darauf Fallenlassen. Entsagung und Versinken in das Tagcseinerlei. Hier tAloys steckte sich eine neue Virginia an) habe ich die resignierte Ruhe gesunden, die wohl meinem Naturell am besten entspricht. Fern allem Erstreben liege ich den täglichen Auslieferungen eines lebhaften Ge schäftsverkehrs ob, lasse dabei das lebenslustige Wiener Wesen mich um fangen und lese, lese von Dickens bis Fontane, sodaß ich wohl manchen 1592 unserer jüngeren Sortimentskollegcn in die Tasche stecken könnte, § meinte er leicht lächelnd. Ja, sagte ich, der Nachswuchs ist ein anderer i als zu unserer Zeit. Soweit nicht Prinzipalssöhnc etwa in Betracht , kamen, rekrutierten sich die Zugänge zum Buchhandel vorwiegend aus Iden Familien der Lehrer, Pastoren und Beamtenkreisc; die jungen Leute brachten eine ziemlich einheitliche Durchschnittsbildnng mit, waren nicht verwöhnt und arbeitswillig. Freilich, nickte Aloys, wenn auch ein ganzer Teil davon ewige Gehilfen blieben wie ich, so war doch immer ein Prozentsatz darunter, der auch zum materiellen Erfolg kam und Firmen schuf, die sich sehen lassen konnten, und doch — setzte er zögernd ' hinzu —, ich weiß nicht, ob ich mit den Erfolgreichen tauschen möchte. 'Das Alleinlebcn hat seinen eigenen Gradmesser, viele haben nicht die Zeit, den zu fühlen — das Leben schlägt ohnehin ein rasches Tempo j ein, namentlich von den Sechzigern an. Es ist aber spät geworden, fügte er, nach der Uhr sehend, hinzu, und Sie wollen morgen nach Frankfurt reisen. Wir müssen noch einen Abschied nehmen; seinen H Mantel umschlagend, meinte er: es wird herbstlich kühl, trinken wir noch einen Glühwein auf meinem Zimmer, ich wohne ganz in der Nähe. Wir bogen in ein Seitcngäßchen ein, durch ein Steintor traten wir in ' einen Hof, der durch die Hinterfront eines Patrizierhauses des-* 18. Jahrhunderts abgeschlossen wurde, drei Stiegen einer ausgetretc nen Wendeltreppe führte Aloys mich empor, ein geräumiges Zimmer mit großen rundlichen Fenstern nahm uns auf: der Mond beleuchtete die Diele und die dem Fenster gegenüberliegende Wand, an der eine sicbensaitigc Viola d'amour mit geschnitztem Löwenkopf hing. Er drückte mich auf den Diwan, braute den Glühwein, wir stießen an und reichten uns die Hände. Dann ergriff der Freund die Viola und spielte, mit langsamen Schritten im monderhellten Zimmer auf- und abgehend, eine mir wohlbekannte altitalienische Kirchenarie: sich dann an den Sessel lehnend, erging er sich in Variationen darüber. Seine fahlen Wangen röteten sich durch Wein und Spiel, er hatte die Augen ge schlossen, und tief befriedigt zog er die getragene Melodie aus dem alten Instrumente, das mit den unter dem Steg laufenden mitklingen den Metallsaiten den eigentümlich vibrierenden Klangcharakter der Viola d'amour hervorrief. Ich dankte ihm für den überraschend künst lerischen Genuß; er wehrte ab; es fehlt an der Technik, äußerte er, auch sind die Finger schon etwas steif — aber Ihre Gesellschaft hat mir wohl getan, deshalb wollte ich Ihnen auch diesen Einblick gewähren. Außer meiner Wirtin weiß niemand in Wien, daß ich dieses Lieb im Arm halte, setzte er, das Instrument an den Nagel hängend, hinzu. »Ser vus« war sein Abschiedswort, als wir uns trennten, und er rief mir noch nach: Lesen Sie Dickens, unterschätzen Sie ihn nicht, ich hole ihn immer wieder hervor! Wie würde cs Aloys Sauerteig jetzt gehen in dem veränderten Wien, in den Verhältnissen von 1921! Nun, vielleicht trüge er alles sorgloser als ich; es ist das Vorrecht der Träumer, über vieles leichter hinwegzukommen. Wahrscheinlich aber hat in der Zwischenzeit Freund Hain dir die Viola aus der Hand genommen und du bist unter seinem Vortritt wunschlos hinttbergegangen. Fahr wohl, Kollege der Ver gangenheit! >Vss kst Outenberx erkunäen? i-i» irunkbiiek a»k dis I'rülrtseknik des Sckiilttzussss. Unter ^uieünunA an den am 26. duni 1920 geiegentlieti der Hauptversammlung der Outenderg-Oesellscdakt in Klainr gehaltenen Vortrag in er weiterter l^'orm dargeboten von Oustav Kl o r i . kranü- lurt a. Kl., (Sebriktgiesserei v. Stempel ^.-0.), 1921. 8°. 37 8. u. 14 l'akeln. I^adenpreis ^ 20.—. Die Bemühungen, die ältere Geschichte des Buchgewerbes aufzu klären, können nur dann einigen Erfolg haben, wenn man feste Fragestellungen für deren tcchniko-historische Probleme gewinnt. Das ist früher häufig übersehen worden, und deshalb konnte die Bedeutung mancher Hypothesen, wie z. B. die Bucheinbandge schichte zeigt, überschätzt werden. Annahmen, die, soweit es sich um die Ausbildung buchgewerblicher Verfahren handelte, nicht gerade wahrscheinlich waren, mußten die Grundlage schaffen, auf der mit kühnen Schlußfolgerungen weitergebaut wurde. Bei dem Mangel aus reichender biographischer Nachrichten ist die Erfindergcstalt Guten- bcrgs von jeher umstritten worden. Aber auch die Art der Buch- druckerfindnng selbst hat eine Reihe von Streitfragen entstehen lassen. Erfindungen pflegen sich zu entwickeln als Lösungen von Bedürfnis» fragen nach ihren vorhandenen Voraussetzungen. Epochemachende Er findungen pflegen regelmäßig nicht mit einem Male in die Er scheinung zu treten, sondern eine langsame Entwicklung zu nehmen, die die verschiedenartigsten Widerstände ihrer Ausbildung und Aus breitung zerstört. Das gilt auch für die Buchdruckerfindung, und
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder