Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.08.1921
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- 1921-08-16
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- 16.08.1921
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Redaktioneller Teil. ISO, 16, August lv2i; Buchhandel und Presse. Von Georg Eltzschig. Anläßlich der »Kulturabgabe» ist nun doch ein Zustand auf- fällig geworden, dem schon seit langem Nachdenklichkeit zu wid men war. Der Buchhandel hat keine Stimme in der »öffentlichen Met« nung»; ja, nicht einmal einen Resonanzboden für seine eigenen Kundgebungen. Das gallertartige Gefüge der »öffentlichen Meinung- hat Haltung, Richtung, Färbung durch die Tagespresse. Weit dabon entfernt, über den Dingen zu stehen, stellt diese sich, je unsicherer die Verhältnisse im öffentlichen Leben einer Zeit und eines Vol kes sind, desto geflissentlicher mitten in de» Strom der ständig wechselnden Entwicklungen. Wenn man durchaus den Eindruck hat, daß die Presse als Gesamtkomplex überall da, wo sie program matischer Bindungen ledig ist und sich Mit allgemeineren Angelegen heiten zu befassen hat, allzusehr der — nicht leichten — Kunst des Schwimmens in den Verhältnissen hingegcbcn ist, so darf man doch als einen nicht minder charakteristischen Zug nicht übersehen, daß dieses Schwimmen in dem Strome wohl eigentlich erst dessen Bewegung zustande bringt, jedenfalls, wenn nicht so sehr das Tempo, so doch die Richtung bestimmt. In dielen Din gen heben sich bei der Vielgestaltigkeit der Presse deren Schwimm- treibkräfte gegenseitig ans oder regulieren widereinander ihre Wirkungen; aber in bestimmten Angelegenheiten ist doch eine ge wisse Einheitlichkeit ihrer Einstellung feststellbar. Verschiedener Art sind die Ursachen dieser halb einer Not wendigkeit, halb einer Neigung entsprechenden Geschlossenheit in der Beurteilung gewisser, wechselnder Probleme öffentlichen Cha rakters; meistens entsteht sie dann, wenn die Presse als Gesamt organ sich näher oder entfernter engagiert weiß, und es ist zweifellos, daß dies in der Frage der Kulturabgabe der Fall ist. Zweifelhaft bleibt freilich, ob diese Übereinstimmung nicht in dem Augenblick brüchig würde, in dem die zur Erörterung stehenden Interessen innerhalb der wirtschaftlichen und kultur politischen Wesenheit der Presse akut würden. Wie es werden wird, wenn die Kulturabgabe ihrer Anlage und der in ihr wir kenden Tendenz nach auf den schriftstellerisch-geistigen Bereich der Presse Ausdehnung erlangt, bleibe dahingestellt. Wie sich daun die Zeitungs Verleger mit ihren geistigen Arbeitern ausein andersetzen lverden, wenn das Prinzip der Kulturabgabe sinn gemäß auch auf die Kategorie der journalistisch-schriftstellerischen Schöpfungen Anwendung finden wird, wenn jeder — oft wich tigere — Artikel ebenso knlturbestcuert werden wird, wie manches — oft weniger kulturwcrtbolle — Buch; das ist eine Frage, von deren mehr oder weniger kampfhafter Entscheidung man vielleicht einmal Rückwirkungen auf die Entwicklung im Buch- und Mustka- lienwescn erwarten darf. — Wenn es dann nicht zu spät ist. — Vielleicht drängen schon in kürzerer Frist, als man heute anzu- nehmen gewillt zu sein scheint, die gleichen Jntercssenzwiespalte, die jetzt zwischen Buchautoren und Buchvcrlcgcrn zum Austrage kommen, auch einmal zwischen Journalisten und Zeitungs verlegern zu kaum sanfter Lösung, und der Gedanke ist nahelie gend, daß in der ganzen jetzigen Haltung der von den Journalisten entscheidend gehandhabten Presse eine präjudizierende Absicht für künftige gleichgerichtete Bestrebungen auf dem Gebiete des Zeitungsver lages waltet. — Der Buchhandel, den die Gegenseite scheinbar als leichteste Einbruchstelle zuerst zu bezwingen hofft, kann überhaupt weder früh, noch laut genug auf die Konsequenzen des sich zuerst gegen ihn richtenden gesetzgeberischen Unternehmens aufmerksam machen, und man muß hier einschalten, daß die Bewegung für die Kultur abgabe sich in ihrer sinngemäßen Weiterentwicklung noch einmal gegen Kreise richten wird, die jetzt, passiv und aktiv, sich zu deren Vorspann hergeben. Das sind zum Beispiel auch die Vertreter der Industrie und der Gewerbe im Vorläufigen Reichswirtschafts rat, denn es ist absehbar, daß, was heute die Geschichtenelfinder für sich als billig und recht empfinden und durchsetzen, einst auch die Schar der technischen und gewerblichen Erfinder zu gleichen Ansprüchen auf den Plan ruft. Eine solche Ausdehnung der IS24 , Kulturabgabe entspräche durchaus dem ihr zugrunde liegenden Be- ! griffe der geistigen Arbeit, der ja gerade nach Willen und Mei nung der Befürworter nicht weit genug gefaßt und angewendet werden kann. (Freilich weniger in die Höhe trachtend, als in die Tiefe, in die Breite.) — Der Zusammenhang, in dem ich hier diesen Punkt mit er wähne, ist aber noch größer: Die Umformung, die das Urheber recht in seiner ökonomischen, wirtschaftspolitischen Struktur durch die Kulturabgabe erfährt, kann bald eine Parallele finden in bezug i auf das Patent- und Musterschutzwesen,und die sich daraus ergeben den Folgen, für die Industrie zum Beispiel, werden deren per sönliche und körperschaftliche Faktoren wahrscheinlich zu jener gründlichen überdenkung und Bekämpfung der ganzen Kultur- abgabenidee veranlassen, der sie jetzt, solange es sich um das ihnen höchst fremde Buchwesen handelt, mit beachtenswerter Gleich gültigkeit gegenüberstehen. — Greift diese Bewegung, was nach hinter ihr stehenden Krästen Wohl anzunehmen ist, einmal auch auf das Gebiet der industriellen Geistesarbeit über, dann werden die industriellen Unternehmer kreise mit nicht geringer Energie und mit umfassenden Macht- Mitteln sich zum Widerstande ausraffcn. Da der (Groß-)Jndusirie überaus bedeutsame Einflußenergien aus die Presse zuzutrauen sind, so wird man dann vielleicht auch einen Wandel in deren Haltung zu der Idee der Kulturabgabe und ihren logischen Aus wirkungen erleben. — Dann werden auch in der Presse ganz andere Töne in der — im Sinne — gleichen Sache vernehmbar werden; sie wird dann eine Pfeife hören, nach der nicht zu tanzen ihr schwer fallen wird Der Buchhandel verfügt aus naheliegenden Gründen nicht über diese Pfeife; seine Hoffnung und Meinung konnte cs sein, daß die Presse die Stimme des Herzens sprechen lasse. — Denn, bedarf es langer Reden, großer Worte über die Zweck-, Ziel- und Wesensvcrwandtschaft zwischen Buchschriftium und Zeitungswcsen? — Sind beide Faktoren kulturell und wirtschaft lich nicht so innig verflochten, daß es die natürlichste Sache der Welt wäre, wenn sic, um zu gleichen Zielen zu streben, am selben Strange ziehen würden? — Um glauben zu können, daß es in Deutschland nicht an dem ist (zum Vergleiche müßte man amerikanische Verhältnisse heran ziehen), mutz man einige Tatsachen aus der Gegenwart kurz belichten: In dem Register dieser Tatsachen sind eigentlich die nega tiven Positionen mindestens ebenso ausfällig wie die positiven. Immerhin wird man, wenn man sich die nachfolgenden Andeu tungen auch mit dem umgekehrten Vorzeichen versehen vorstellt, deutlich wahrnehmen, was die deutsche Tagespresse für das deut sche Buchwesen — in, weiß Gott, schwieriger Zeit — hätte leisten können, wenn sie vor allem manches unterlassen hätte. Welche — vielleicht noch manchen überraschende — Illustra tion ergäbe sich, wenn das Börsenblatt eine Statistik hierher setzen würde aller in den letzten Jahren gegen die Teuerung des deut schen Buches und gegen die damit verdächtigte Buchhandelswirt schaft in deutschen Zeitungen erschienenen Artikel? Die fort laufende Übersicht »Für die buchhändlerische Fachbibliothek» buchte eine ganze Anzahl solcher Anklagen. Wieviel mögen noch unregistriert geblieben sein? Und wie wenige Zeitungs. aufsätzc galten der richtigen Feststellung, daß das Buch noch die niederste Preis st eiger rings- kurve aus weist! — In diesem Betrachte mutz man fast die Unterlassungssünde der deutschen Presse eigentlich mehr der- urteilen als ihre vielen kauflustzermürbenden Kundgebungen, denn wenn es in einer so sehr aus brutal-materielle Erlebnisse eingestellten Zeit, wie der unsrigen, eine hohe kulturnotwendige Aufgabe gibt, dann scheint es mir die zu sein, das Publikuni am Tage dreimal in allen Tonarten aus die Pflicht, die Freude und die gewiß günstig gebliebenen Möglichkeiten der Erwerbung und der seelisch und geistigen Verwertung guter Bücher hinzuweisen. Das hätten die Zeitungen tun sollen; selbst auf die Gefahr hin, daß sie dadurch den Buchhändlern einen höheren Geschäfts- gewinn verursachten, oder gar — Leser eingebüßt hätten (einige, weil sie die Zumutung nicht vertragen hätten; andere, weil sie durch ein gutes Buch vielleicht des Zeitnngsgenusses einigermaßen
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