Erlösung Wie immer, wenn ein Weltzeitalter von Katastrophe zu Katastrophe seinem Ende entgegenstürzt und über dem Zusammenbruch des Ganzen dem einzelnen der Sinn des Lebens verloren geht, steigt auch aus dem Ehaos von heute in Millionen und aber Millionen zerquälker Herzen die Sehnsucht empor, sich wieder in einem Ganzen bewußt zu erleben, die unstillbare Sehnsucht nach der Möglichkeit einer neuen Religiosität, der Schrei nach der Erlösung. Für die breiten stumpfen Massen freilich, die in dem Emporwachsen der Großstädte und der Mechani sierung des Lebens wurzellos und heimatlos geworden sind und nur in sich als Masse einen Ersah für das verlorene Heimatgefühl zu finden vermögen, kommt es nicht so sehr daraus an, welche neue Idee künftig zur Herrschaft über das Leben gelangt, als daraus, daß überhaupt im durchdringenden Willen eines einzelnen sich eine neue Idee durchsetze, in die dann die Masse einstuten und sich zum Träger dieser Idee machen und dadurch Macht gewinnen kann. Denn die Masse als jolche hat gar keinen anderen Sinn als Macht zu sein und ist als Macht s elbst Erlöser: Taucht doch der halt los und wurzellos gewordene einzelne nur darum in die Masse unter, um seiner Verantwortung dadurch ledig zu werden, daß an Stelle ,einer Verantwortung die Macht der Masse tritt. So ringt unsere Zeit nach Neugestaltung; aber sie kann es nur aus dem einzelnen heraus. Unsere Zeit fördert andere Menschen, als wir bisher waren, härter geschmiedete, frohgemutere Menschen, die bei sich ansangen, der Zeit den neuen Menschentypus zu schaffen. Nur aus dem einzelnen heraus können wir wieder zum großen Volke werden. Hierin liegt für jeden einzelnen von uns seine Verantwortung am Volke. Seiner Zeit den Sinn des Lebens aus einem neuen Geist aus zuschließen, ist aber nur der begnadet, der sich nicht wie die Masse am Leid seiner Zeit vorbeidrückt, sondern der starken Willens und erbarmenden Herzens dies Leid der Zeit in ihrem ganzen Jammer mit seinem Bewußtsein umspannt und die Schuld der Zeit aus sich nimmt und zu seiner Seele spricht: „Daß die Menschen um dich nicht find, wie du sie haben möchtest, daran trägst du die Schuld. Wärest du, nicht nur im Wort, sondym in der Tat, hochgesinnter und verantwortungsbewußter für das, was über deinen elenden Nutzen und Ehrgeiz hinausliegt, würden auch die anderen sein wie du. So aber hassest du, was Unfertiges und Verkehrtes dir selbst noch anhängt, nur am anderen, verdammst es nur an ihm, nicht au dir." Nur wer aus einem erbarmenden Herzen leidenssähig ist, kann Verantwortung tragen. Nur wer Verantwortung tragen will, kann sittlich sein. Nur aus sittlichem Bewußtsein kann der Sinn einer neuen Zeit erkannt, das Prototyp eines neuen Menschen gefunden werden. Nur der kann ihn finden, der den wilden Widerstreit, der zwischen den Trümmern einer ins Chaos zurücksinkenden Welt hervorbricht, nicht als etwas Feindliches, sondern etwasTragisches empfindet. Nur wer die Zerrissenheit und die Zerfleischung seines Volkes als eine schicksalhafte Folge des Zusammenbruchs einer überalteten Idee erkennt und aus dem maßlosen Haß der Parteiungen im Volk die unsagbare Hilflosigkeit der richtungslos gewordenen Kräfte heraussühlt, wird in sich von dem unendlichen Mitleiden und Erbarmen mit seiner Zeit ergriffen werden, aus dem allein der Ernst der Verantwortung dafür reifen kann, daß der Widerstreit in einer alle umfassenden Idee, einem neuem ^Menschentum überwunden, die Erlösung gefunden werde. Denn das ist für sich allein noch nicht die Erlösung, daß das Leben aus dem Bann überalteterFormeln einer zu Grabe gehenden Zeit befreit wird. Freiheit von etwas, die nicht zugleich Freiheit für etwas, für eine neue Bindung des Lebens ist, ist Anarchie, nicht Erlösung. Erlösung ist erst da, wo die entbundenen Kräfte zugleich wieder in einen neuen Sinn des Lebens gebunden werden, in dem sie sich gegen eine veränderte Umwelt entfalten können, der einzelne sich wieder in einer neuen Vorstellungswelt begreifen und geborgen fühlen kaun. Wahre Erlösung ist nur Erlösung zu neuer Lebensgestaltung. Aus diesem Ringen um einen neuen Menschentyp ist das Buch entstanden, das sich im nachfolgenden ankündigt unter dem Titel Der hochgemute Mansch Ein Buch von der Wiederqebnrk - Von Albrechk Hosfmann Auüjührliche achtteilige Ankündigungen werden jedem Besteller mikgeiiefsrt