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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.10.1927
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- 1927-10-27
- Erscheinungsdatum
- 27.10.1927
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X 252, 27, Oktober 1S27. Redaktioneller Teil. Börsenblatts, d. Dtschn. Buchhandel. musterhaft gründliche und gewissenhaft alle Probleme berührende Ein leitung zu der Faksimileausgabe der »Schisfart von dissem eilenden iamertal« von 1512, die er als ersten Druck dev Frankfurter Bibliophilengesellschaft herausgcgeben hat. Neben dem in seiner Knappheit meisterlichen Umriß der Ent wicklung des Holzschnittes aus den Anfängen des Zeugdruckes bis zu Ludwig Richter findet man die Besprechung einer schönen Frank furter Buchausstellung, die zu einem kleinen Überblick der Geschichte des illustrierten Buches wird vom lüvrs ck'Ueures bis zu den Werken Sattlers, Vogelers. Klingers. Nach den handschriftlichen Notizen Hans Sachsens wird der Versuch gemacht, den Bücherbcsitz des Dich ters näher zu bestimmen. »Neunundncunzig schöne bibliophile Sprich wörter und Klugreden« werden zusammengetragen, eine sehr amü sante Arbeit mit Qucllcnverzeichnis. Den beiden Aufsätzen über William Morris, den Vater des modernen Luxusdrucks, und seine Kelmscott-Preß. die so viele Nachfolger fand, folgt die schöne Grab rede auf Simon Leopold Baer. American« finden früh bei Sond- heim Interesse, und er hat wohl als erster eine Spezialsammlung aerostatischer Literatur veranstaltet und katalogisiert, die er aus führlich bespricht. Auch Arbeiten über Goethe finden wir, aber leider nicht den großen und interessanten Vortrag über »Goethe und sein Publikum«, dessen Drucklegung nachgeholt werden müßte, nicht nur, weil Sondhcim ein ausgezeichneter Keuncr Goethes und seiner Zeit ist, sondern auch weil das Thema außer in Victor Hehns bekannter Studie wenig Beachtung gefunden hat und Sondhcim es neu be leuchtet, indem er die materiellen Erfolge Goethes und seiner Ver leger untersucht. An vorletzter Stelle in dem Buch steht die bisher wohl beste Arbeit des Verfassers, der zweite große Aufsatz über den Bibliophilen Richard de Bury, ein Meisterstück kulturgeschichtlicher Darstellung. Er gibt nicht nur eine Biographie, er zeigt auch mit dem Lebenslauf dieses Bischofs seine ganze Zeit, er enthält ein Ver zeichnis der nachweisbar von de Bury besessenen Handschriften und gibt vor allem auch eine Psychologie dieses Sammlers nicht nur. sondern des Büchersammlers überhaupt, geschöpft aus der reichen, im Verkehr mit vielen Bibliophilen aller Art gewonnenen Erfahrung eines führenden Antiquars, der oft genug selbst Sammler war, wie das Verzeichnis einer Auswahl der von ihm verfaßten Spezial kataloge in der Bibliographie erweist. Alle diese Aufsätze werden in einer gediegenen, sorgfältig ab gewogenen Sprache vorgetragen, der man die Schulung an der fran zösischen Sprache anmerkt, die Sondheim in seiner teilweise in Frank reich erlebten Fugend als zweite Muttersprache lernte. Einige Arbeiten sind Vorträge und als solche für Sondheims Stil besonders charakteristisch. Er versteht meisterhaft, Unnötiges wegzulassen. In einer Variation von Max Liebermanns berühmtem Wort: »Zeichnen ist Weglasscn« ist ihm auch Reden und Schreiben Weglassem um so Hörer oder Leser zur Weiterarbeit anzuregen. Interessant ist Sond heims Kunst, Zitate und Belege aus cutlsgenstcn Quellen heran- zuziehcn. der man die Freude daran deutlich aumerkt. der die Aus gedehntheit und hohe Qualität des Baerscheu Lagers sichtlich ent gegenkam, die aber auch den Umfang der Sondheimschcn Kenntnisse beweist. Er kann unbekannte Stellen ans Voltaire oder Goethe, Lilicncrons Volkslieder oder entlegene wissenschaftliche Werke zitieren, weil er sie gelesen hat, weil er sie kennt. Der Stil des Verfassers ist von einer ausgeglichenen und doch persönlichen Objek tivität, die besonders angenehm wirkt. Es ist ein Genuß, aus der sachlichen Darstellungsart das Bild einer Zeit auf Grund ihrer Drucke entstehen zu sehen, eine Art kulturgeschichtlicher Darstellung, die wesentlich abweicht von der heute so allgemein beliebten Groß zügigkeit jenes Synthesengeredcs, das Einzelheiten genial übersieht, um es aber auch in der Zusammenfassung nicht weiter genau zu nehmen. Wenn mau nach verschiedenen Büchern dieser Art Arbeiten einer sozusagen alten Schule findet, zu der sich Sondheim sicher gerne gerechnet weiß, wird man den Unterschied deutlich gewahr und wird kaum in der Beurteilung schwanken, welcher Richtung der Vor zug zu geben ist. Man wird bei den großen Stücken des Buches wohl an die Meister des deutschen wissenschaftlich-kulturgeschichtlichen Essais im 19. Jahrhundert erinnert, etwa an Hillebrand oder Karl Iusti, an Gildcmeister oder Lichtwark, und wir können uns vor stellen, daß ein Jakob Burckhardt in dem Band mit besonderer Freude gelesen hätte. Das Wesentliche des Gesamteiudruckes der Beschäftigung mit dem Buche steht im Vorwort der Stifter und Herausgeber vr. Leo und Edwin Baer. Es wird dort auf den Anschein hingewiesen, »als ob der wissenschaftliche Antiquar im Ausstcrben begriffen ist. Eine neue Generation ist erstanden, die geneigt ist. auch das Buch mehr und mehr nur noch als Ware zu betrachten. Vielleicht hat die vor liegende Veröffentlichung den Erfolg — und dies wäre sicher im Sinne des Verfassers — dieser Bewegung Einhalt zu gebieten. Sie soll zeigen, was ein Buchhändler alten Schlages geleistet . . .«. Dieses verständige Wort muß gerade an dieser Stelle besonders unter strichen werden. Es ist heute üblich geworden, zwischen dem wissen schaftlichen und bibliophilen Antiquar zu unterscheiden. Das Beispiel Moriz Sondheims und der wenigen anderen noch lebenden Antiquare dieser Art im Verein mit den Beispielen ihrer zahlreichen toten Vorgänger lehrt, daß eine derartige Trennung unmöglich ist. Biblio philie und Wissenschaftlichkeit sind beim Antiquar Selbstverständlich keiten. Es gibt keinen wissenschaftlichen Antiquar, der nicht auch bibliophil sein muß. es sei denn, daß er nur mit Dissertationen oder Sonderabdrucken handelt, wozu freilich keine Bibliophilie nötig ist. Aber es gibt auch keinen bibliophilen Antiguar, der ohne wissen schaftliche Arbeitsweise auskommt und ohne eine gewisse Fähigkeit, die Bücher in drn kulturgeschichtlichen Zusammenhängen ihrer Ent stehungszeit zu sehen, es sei denn, daß er die Bibliophilie benutzt, um dahinter die nichtvorhandenc Wissenschaftlichkeit schlecht zu ver bergen, oder nur um geschäftliche Vorteile zu ziehen. Für beide Variationen soll es in der legendär gewordenen Inflationszeit un seligen Angedenkens Beispiele gegeben haben. Nein, ob bibliophil oder wissenschaftlich kommt nicht in Frage bei einem Antiquar, der den Beruf richtig auffaßt, d. h. der mit ganzer Hingade und bewußt ein »Wanderer zwischen zwei Welten« ist, wie jeder Buchhändler. Wir müssen der Ware, mit der wir handeln, in gewisser Weise dienen, und wer von alten Büchern nichts versteht, kann sie auch nicht verkaufen. Gewiß, die Nöte der Zeit, Dringlichkeit und Schwierig keit des Geschäftsbetriebes lassen uns nicht genug Zeit zu intimerem Verkehr mit unserer Ware, der Geschäftsapparat war früher ein facher, und der oft mangelhafte Nachwuchs läßt uns geeignete Hilfe entbehren. Trotzdem hat immer noch ein gutgcarbeiteter Katalog besseren Erfolg als ein schlechter, und der erfolgreiche Kaufmann unter den Antiquaren wird stets auch ein guter Kenner und Be urteiler seiner Ware sein müssen. Die Lausbahn und die Erfolge Sondheims vom Lehrling zum Seniorchef einer Weltfirma bestätigen das deutlich. Seiner persönlichen Berufsauffassung entsprechend wirkt Sonö- heim praktisch und theoretisch als Antiquar in einer reizvollen Ver bindung von Marchand-Amateur großen Stils und Connaisseur, wie sic im Buchhandel nur im Antiquariat möglich ist, wo sie aber leider auch zu den großen Seltenheiten gehört. Wir können eine Stelle über die Bibliophilen aus seinem großen de Bury-Vortrag auf Len Antiquar übertragen: »Es gibt mannigfache Arten: Aestheten, Histo riker, Kenner, Sammler und Spekulanten. Natürlich können mehrere der typischen Merkmale sich in einem Individuum vereinigen, man kann Aesthet, Sammler und Kenner sein, immer aber ist eine dieser Eigenschaften die Dominante . . Sondheim ist Kenner oder besser, weil bezeichnender, Connaisseur. Dafür spricht in diesem Buche die mehrfach bewiesene Vorliebe für interessante Kulturkuriosa, wie im persönlichen Verkehr mit ihm dafür seine Art Bücher zu empfehlen spricht, seine leicht andeutendcn Impressionen von großen Persön lichkeiten, mit denen er im Laufe eures inhaltsreichen Lebens zu tun hatte. Weit über den fachmännischen und beruflichen Gesichtskreis hinaus aber zeigt sich Sondheim durch die umfassende Vielseitigkeit seines Wissens und seiner Interessen als einer der selten gewordenen Vertreter eines tieffundierten, gehobenen »Dilettantismus« in dem edlen Sinne, mit dem Goethe diesen Begriff vorbildlich erfüllt hat. Aus dem Vorwort ist zu ersehen, daß die Reihe seiner schrift stellerischen Arbeiten noch nicht abgeschlossen ist. Es wird gesagt, daß bereits die beiden folgenden Nummern der bisher IlX) Arbeiten verzeichnenden Bibliographie im Druck sind. Wir wollen wünschen, daß es Sondheim beschieden sei, uns noch einmal einen so umfang reichen und gehaltvollen Band vorzulegen, der aber auch hoffentlich Erinnerungen aus seinem interessanten Leben enthält, nach denen seine Freunde schon oft gc-nng gefragt haben. Das gäbe gewiß das Dokument eines erfahrenen und überlegenen Menschen kenners und -Beobachters. Es wäre aber auch ein eindringliches Beispiel nicht nur für den Beruf des Antiquars, sondern für den Gcsaintbuchhaudel, dem es zur Ehre gereicht, in seinen Reihen Per sönlichkeiten zn zählen, die auch als wissenschaftliche Arbeiter neben einer ausgedehnten und erfolgreichen geschäftlichen Tätigkeit An erkennung in weiten, maßgebenden Kreisen gefunden haben, und denen es beschieden ist, über den Nahmen ihres Berufes hinaus die wissenschaftliche Arbeit uuö Forschung zu fördern. 1273
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