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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.09.1880
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1880-09-27
- Erscheinungsdatum
- 27.09.1880
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- Deutsch
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3048 Nichtamtlicher Theil. 224, 27. September. wieder in Ordnung bringen. Dahin habe ich alle Briefe adressiren lassen. — Sie thun tausendmal besser daran, hier zu bleiben. Hier ist's viel gemiithlicher und für die Nerven zuträglicher. Das weiß ich aus Erfahrung. Wir waren plaudernd vorangeschritten und nach wenigen Minuten an dem Gitter des Schloßparks angelangt. Weiter plaudernd machte» wir einen Rundgang durch den schönen Park. Ich sah das stattliche, von der gräflichen Familie Viereck ge kaufte Schloß, das Hallberger hat umbauen lassen, und den herrlichen kunstvoll angelegten Garten. Ein wahrhaft fürstlicher Besitz, wie es deren in Deutschland nicht allzuviel gibt, — das war mein erster Eindruck, und der ist der richtige geblieben. In Tutzing ist alles vereinigt, was den ländlichen Aufent halt gemüthlich und genußreich machen kann. Da stehen im Parke alte schöne Bäume, da sind schattige Gänge, dichtes Laub werk, aus dem die weißen Statuen freundlich Hervorschauen; prangende Blumenbeete im Kunstgarten, Springbrunnen, deren gleichmäßig melodisches Plätschern mich allabendlich einwiegen sollte, — da ist das Palmenhaus mit den großblättrigen exoti schen Pflanzen, die Volisre mit Hunderten buntfarbiger Vögel aus dem Hose, der Altan, in den See hinausgebaut, der von dem wundervoll klaren, tiefblauen Wasser bespült wird, mit der Aussicht aus die lachenden Ufer, die Villen und Dörser, die zu Füßen der belaubten Höhcnzüge liegen, mit der Fernsicht aus die pittoreske Alpcnlandschast, auf die Schneeberge, die während der klaren Septembertage so nahe gerückt erschienen, daß man sie in einer Stunde erreichen zu können vermeinte. Da ist das Badehaus, das Fischerhäuschen mit Booten zum Segeln und Fischen. Und dann wieder im Garten das amerikanische Kcgel- spiel und die bedeckte Kegelbahn für regnerische Tage; und da — wie ein morgenländisches Märchen — der orientalische Kiosk mit seinen reichen Teppichen und Stoffen und dem originellen Mobiliar. Und ein wahrer Marstall dazu mit englischen Voll blutrennern, und die Wagenremise mit Gefährt jeglicher Art und die bedeckte Manege, die den Reitern verstattet, auch bei Wind und Wetter unbelästigt ihrer Liebhaberei nachzuhangen. Und im Schlosse selbst eine vortreffliche Bibliothek, Spiel-, Billard-, Musikzimmer — kurz alles, was das Herz begehren, und was die Gastfreundschaft, die nicht zu rechnen braucht und aus dem Vollen greift, gewähren kann. Neben dem Schlosse war vor einiger Zeit ein neuer, Prächtig eingerichteter Bau erstanden, ausschließlich zur Ausnahme der Gäste bestimmt, die sich in Tutzing alljährlich in ungemessener Zahl zusammensanden, die sich da behaglich fühlten, weil sie eben das volle Bewußtsein haben mußten, wirklich gern gesehen zu sein. Vor Tisch wurde ich von Eduard seiner Familie vorgestellt, den beiden liebenswürdigen, eleganten und geistvollen Töchtern, der schönen in Breslau verheiratheten Frau Gabriele Eichborn und der anmuthigen, damals noch unverheiratheten Helene, jetzigen Freifrau v. Reitzenstein, sowie Eduard's älterem Bruder, dem ge mächlichen „Onkel Fritz", der vor nicht langer Zeit als Ober tribunalsrath aus dem Justizdienste geschieden war. Unter allen Familiengliedern herrschte die innigste Herzlich keit; Eduard thronte inmitten der geliebten Seinigen wie ein Patriarch und Fürst. In harmlosester Gemüthlichkeit verlies der Tag. Nach dem Essen wurde Kegel gespielt, darauf an dem Ufer des Sees eine lange und lohnende Spazierfahrt unternommen, dann musicirt, und nach dem Abendessen ergaben wir uns dem sinnigen Karten spiele „Tappen", bei dem es sich um ein Plus oder Minus von einigen Mark handelte, mit einem Eifer, als ob jedesmal ein Vermögen aus dem Spiele gestanden hätte. Wir schwatzten und lachten bis zu ziemlich vorgerückter Stunde, und als wir uns gute Nacht wünschten, herrschte zwischen uns schon eine so gemüthliche Ungezwungenheit, daß ich mich berechtigt fühlte, mich als einen alten Freund des Hauses zu betrachten. Ich wurde aus mein Zimmer geführt — ein großes lustiges Gemach mit bedecktem Balcon und köstlicher Aussicht auf Park und See. Und wie staunte ich, als ich da meinen Koffer fand! Eduard hatte, ohne mir ein Wort zu sagen, an die „Vier Jahreszeiten" nach München telegraphirt und durch einen dienst baren Geist mein Gepäck herbeischasfen lassen. Ich hatte nun keinen Grund mehr und ehrlich gesagt auch keine Neigung, die mir in herzlichster Weise angebotene Gast freundschaft nicht anzunehmen. Ich ließ mir die Briefe von Tegernsee nach Tutzing nachschickcn und blieb dort in der an genehmsten und freundlichsten Gesellschast. Nach einigen Tagen traf auch Carl aus Ostende ein, und die früher geknüpften sreundschaftlichen Beziehungen wurden noch befestigt. An Unterhaltung fehlte es wahrlich nicht. Jeder Tag brachte neue Gäste, Zugvögel und Seßhafte; alte Hausfreunde und Landsleute, Honoratioren und Würdenträger, und besonders Künstler. Da kamen Ferdinand Keller und Frau aus Karls ruhe; das benachbarte München entsandte zu längerem oder kürzerem Ausenthalt die Maler Adam, Lange, Schaumann, den ausgezeichneten Xylographen Hecht, die berühmten Photographen Albert und Gebrüder Hansstängl, die uns bayrische Jodler vor sangen und die Zither dazu spielten, den General-Intendanten Baron Perfall; mein lieber Freund Franz Lenbach besuchte mich aus einen Nachmittag; Hackländer kam mit den Seinigen aus Leoni ein paarmal zu uns herüber. Kurz, an lustiger und interessanter Gesellschast war kein Mangel. Abends wurde bis weilen im Salon, bisweilen auch auf dem See musicirt; und Hallberger's nächste Nachbarn sorgten dafür, daß die Musik nicht schlecht war. Neben Hallberger hatte sich nämlich das vortreff liche Künstlerpaar Vogl aus München und der bayrische Kammer herr Baron v. Baligand angesiedelt — der Letztere ein ausgezeich neter Musiker, ein Virtuose auf dem Klavier, der die Nibelungen partitur auswendig spielt, als wär's ein Kinderspiel. Unvergeßlich ist mir ein Abend geblieben. Wir hatten uns in der herrlichsten Herbstnacht bei Hellem Mondenschein auf drei oder vier Booten bis aus die Mitte des Sees rudern und dann die Boote treiben lassen. Aus eines war ein kleines transportables Accordeon ge bracht, auf dem Baron Baligand improvisirte. Aus den ge tragenen Weisen ging es bald zu lustigeren über, und als sich da schließlich ein Schnadahüpfl herausbildctc, fing Vogl an, das reizende Lied zuerst zu summen und dann mit seiner vollen wunderbaren Stimme zu singen. Und durch unser» ehrlichen Beifall ermuthigt, ließ er ein zweites, ein drittes und viertes der prächtigen bayrischen Nationallieder folgen. Es war entzückend. Pfeilschnell entflog mir die Zeit in ungetrübter Fröhlichkeit. Und der Himmel meinte es so gut. Wir hatten, wie Heuer, den schönsten sonnigsten Herbst, die volle Woche goldigen Sonnenschein. Drei Wochen! Sechs Stunden wollte ich in Tutzing bleiben, und drei Wochen bin ich dort geblieben! Und als ich mich ver abschiedete, hatte ich eine der freundlichsten und liebenswürdig sten Familien, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe, zu Freunden gewonnen. Abgespannt und nervös war ich ange kommen, erfrischt und gesundet kehrte ich zu den Meinen heim. Es herrschte in dem Kreise eine Harmonie, eine unver änderlich gute Laune, ein ebenmäßiger Frohsinn, die schwer zu schildern sind — die echte, herzerquickende Fröhlichkeit.
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