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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.07.1922
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- 1922-07-22
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- 22.07.1922
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Redaktioneller Teil X- 16g, 22. Juli 1922. hat steigern können. Die meisten buchhändlerischen Unternehmun gen, jedenfalls kann man das auch von vielen im Leipziger Buch handel sagen, werden an ihrer Ver-mögens-fubstanz seit 1914 im Gegenteil ganz erhebliche Einbuße erlitten, also trotz größerer Papiermarkzahlen auf den Gewinn- und Verlustkonten in Wirk lichkeit mit Verlust gearbeitet haben. Die Arbeitnehmerschaft will aber mit aller Macht nicht nur durch Zulagen di« Geldentwertung ausgleichen, sondern ausge rechnet jetzt, in der wirtschaftlich kritischsten Zeit des Buchhandels, einen alten Fehler des Standes wett machen, nämlich den, daß schon zu Friedenszeiten der Buchhandel — und ich glaube nicht nur in Leipzig — um 10 bis 20?i> geringer entlohnt'hat als be sonders blühende industrielle Unternehmungen, an denen auch Leipzig nicht arm ist, und die auch während der Kriegszeit infolge ihrer Kriegslieferungen ihre Arbeitnehmer weit über den Durch schnitt bezahlen konnten. Diesem Prestigekampf wird jetzt der Arbcitsfriede im Leipziger Buchhandel geopfert. Die Arbeit nehmer wollen nicht einfehen, daß das, was schon in günstigen Friedenszeiten, insbesondere dem Leipziger Zwischenbnchh-anüel, nicht möglich war und schon damals den Verkehr über Leipzig dem direkten Verkehr gegenüber nicht mehr konkurrenzfähig erhal ten hätte, nun jetzt, wo gerade im Verkehr über Leipzig die Ver hältnisse unendlich viel schlechter liegen und die Arbeitnehmer doch selbst die Abwanderung erkennen müßten, die jede Steige rung der Gebührensätze mit sich bringt, erst recht nicht durchführ bar ist. Die Arbeitnehmer des Leipziger Buchhandels wollen einfach nicht ertragen, daß sie sich auch weiter mit einer gerin geren Entlohnung im Vergleich zu anderen, besser zahlenden Branchen absurden müssen. Lieber sägen sie in kurzsichtigem Egoismus den Ast selbst ab, auf dem oft schon ihre eigenen Väter gesessen haben. Denn auch in der Arbeitnehmerschaft hat sich die Zugehörigkeit zum Berus vielfach seit Generationen erhalten. Sie denken, daß die Mute der Industrie eine dauernde und unab hängig vom Kurs der Mark ist, und daß der Buchhandel reis zum Untergang sei. Will man nicht erkennen, daß, wenn in Leipzig zwar nur einige IVOBuchhandclsmarkthelfer streiken, trotzdem aber der ganze buchhändlerische Warenverkehr über Leipzig still gelegt wird, weil die Streikenden die Arbeitswilligen ans den Betrieben fern halten, der Schaden, der den bestreikten Betrieben dadurch ent steht, ein Nichts ist im Vergleich zn dem Schaden, der Leipzig als Buchhandelszentrale dadurch erwächst? Erkennt man nicht, daß noch eine viel größere Gefahr dem Wirtschaftsleben und namentlich auch der Angestelltenschaft droht, wenn die Arbeitgeber nicht mehr in der Lage sind, ihre nicht in den Streik getretenen Gehilfen zu beschäftigen und zu bezahlen, und daß die Arbeitgeber, da sie durch die Streikposten der Markthelfer verhindert werden, neues Packerpersonal zu rekrutieren, schließlich sich auf H 323 BGB. be rufen mutzten, der mangels der Möglichkeit der Leistung sie zur fristlosen Entlassung des Gehilfenpersonals veranlassen und berechtigen ivürde. So würde schließlich durch eine kleine Anzahl streikender Markthelfer eine weit größere Zahl von Gehilfen zum nicht-gewünschten Feiern gezwungen werden. Der Markthelser- ausstand zeigt so recht das Unsinnige und in seinen Folgen für die Gesamtheit Schädliche eines solchen wilden Streikes. Es ist unverständlich, warum gerade die Leipziger Markthelfcrschaft, die bisher als besonders gut diszipliniert und geführt galt, sich über alle Instanzen des Schlichtungsverfahrens einfach hinweggesetzt und einen Kainpf vom Zaune gebrochen hat. Muh solche Taktik nicht bei den Unternehmern das schärfste Mißtrauen auslösen, müssen sie dahinter nicht ganz ungewöhnliche Ursachen argwöh nen und beim Friedensschlutz umso größere Sicherheiten für die Zukunft verlangen, sodatz die Verständigung wiederum nur er schwert wird? Hier muß überhaupt einer Unsitte Erwähnung getan wer den, die schon seit einiger Zeit in Leipzig in den Tarifberhand- l-ungen mit der Gehilfenschaft sowohl als mit der Markthelfer schaft eingerisscn ist und sehr erheblich die Zerstörung des absolut notwendigen Vertrauens herbcigesührt hat. Es ist zur Gepflogen heit geworden, daß die Vertreter -der Arbeitnehmer zunächst stets Forderungen unterbreiten, die um ein Vielfaches das überschrei ten, was durch die fortschreitende Teuerung begründet ist. Es 1028 werden Forderungen nach 50?L oder gar 100"» Aufschlag erhoben. Bringen die Arbeitgeber dann ein Angebot von 20A oder 2k>"., das ihrer Ansicht nach zu ertragen ist und die Teuerung aus gleicht, so lehnen die Vertreter der Arbeitnehmer dies zwar nicht direkt ab — cs kommt sogar wie z. B. jetzt mit den Markthclfcrn zur Unterzeichnung -eines sogenannten Z-Wischenprotokolls aus sol cher Grundlage —, aber sie lassen das Angebot dann durch ihre Mitgliederversammlung ablehnen. Das Verfahren geht dann vor dem Schlichtungsaus-schuß weiter, der natürlich allzusehr geneigt ist, die mittlere Linie zwischen -der Forderung von SO?S und dem Angebot von 20"/« zu wählen, und dadurch die Arbeitgeber zwingt, weit über das hina-us-zugehen, was sic kalkulatorisch ver antworten können. Solche Taktik, mehrfach hintereinander ange wandt, wird doch gar zu durchsichtig und schafft schließlich arg Seiten der Arbeitgeber eine Verstimmung, die sich in äußerster Zurückhaltung bei der Abgabe irgendeines Angebotes äußern muß. Weniger taktische Klugheit rmd mehr offener Wille zur Verständigung und energische Vertretung des Erfüllbaren den Auftraggebern gegenüber würde oft viel schneller zu einer Eini gung führen. Der Leipziger Platz kann Erschütterungen nicht oft erleben, wie sie der Markthelferstreik wieder herbeigesührt hat, dazu steht der Verkehr über Leipzig in allzu knapp kalkulierter Konkurrenz zum direkten Verkehr. Sollte es im Leipziger Buchhandel zur Gewohnheit werden, bei jeder nicht erfüllten Gehalts- oder Lohn forderung di« Slreikwaffe zn ziehen, bevor alle Wege der Ver ständigung, die bisher ja auch meist zu einem für beide Parteien erträglichen Ende geführt haben, erschöpft sind, so ist es schon besser, es wird ein einmal aufgezwungener Kampf mit aller Energie durchgefochten, als daß sein vorzeitiges Ende den Keim zu baldigen neuen Streiks in sich behält. Sieger und Besiegte wird es nach solchem Kampf nur aus dem Papier geben. In Wahrheit wird keine der beiden Parteien etwas gewonnen haben, selbst die Zugeständnisse für die Arbeitnehmer werden von der Geldentwertung längst überholt sein, und die Abwanderungen von Leipzig müssen die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer für die Ankunft in gleichem Maße schädigen. Der größt« Abbruch wird dem Ansehen Leipzigs als Buchhandelszentrale zugefügt. Er werben schon Stimmen laut, die Leipzig diesen Rang überhaupt nicht mehr dank seiner Buchhandlungen, sondern nur noch dank seiner graphischen Industrie zubilligen. Wäre die graphische In dustrie der Provinz leistungsfähiger und der auswärtige Verlag nicht so sehr auf die Buchdruckereien und Buchbindereien usw. Leipzigs angewiesen, so würden viele Verlagswaren schon längs! Leipzig nicht mehr durchlaufen. So zeigt sich das groteske Bild, daß die Buchhandelszentrale Leipzig, die überhaupt die graphische Industrie der Stadt in der Mitte des vorigen Jahrhunderts erst erzeugt und zu beispielloser Blüte gebracht hat, heute umge kehrt durch das Bestehen dieser Industrie gestützt wird. Me lange noch? Das wird einzig und allein davon abhängen, ob dem Buchhandelsplatz Leipzig weitere Erschütterungen aus den eigenen Reihen erspart bleiben. Wohl ist es verständlich, daß die Vertreter der Arbeitnehmer des Leipziger Buchhandels in erster Linie für die Einkommens- Verhältnisse ihrer Auftraggeber besorgt sind, aber immerhin sollte man Von Führern großer Gewerkfchaftsorganisationen etwas mehr Verständnis für die allgemeine Wirtschaftslage einer Branche und für die Folgen ihrer Maßnahmen erwarten. Wen» die Unterführer dieses Verständnis nicht besitzen, so sollten sich die Spitzen der Gewerkschast oder die Regierung um diese Dinge kümmern, Frieden stiften und Garantien dafür schaffen, daß nicht die in einem Jahrhundert mühevoll aufgerichtete Zentralstellnng einer Stadt mit einer Auswirkung auf Tausende von Arbeitneh mern verwandter Branchen durch einige hundert kampsesmulig Streikender wegen einer Lohnftreitigkeit um wenige Prozent in Gefahr gebracht wird. Es ist nicht gut, ivenn die Arbeitnehmer leichten Herzens die Hand an die Gurgel eines großen Handels zweiges legen. Roch schlimmer ist es, wenn wie hier ein Ver kehrsweg stillgelegt wird. Dem Arbeitgeber bleibt da nichts weiter übrig, als entweder stets zn bewilligen und dadurch die Betriebe dem baldigen Ende zuznführen, oder durch eine Aus nahme des Kampfes dem Arbeitnehmer die Neigung noch solchem
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