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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.12.1922
- Strukturtyp
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- 1922-12-05
- Erscheinungsdatum
- 05.12.1922
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- Deutsch
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X- 282, L. Dezember 1822. Fertige «Scher. Börsenblatt f. b. Dlschu. Buchhandel. 13881 H. : Das verbotene Buch Hans Reimann . Das verbotene Buch Horst Schneider und Friede! Ritter sind dicke Freunde. Sie sitzen in der Oberterz auf derselben Nank. Sie teilen Freud und Leid, Frühstücks- bemmen und Taschengeld. Und sie treiben ge meinsame Lektüre. Aber während der still zarte Friede! gütige und vernünftige Eltern hat, seufzt Horst mit Grund über die will kürliche Strenge seiner Mutter, deren erziehe rische Tätigkeit ausschließlich im Verbieten be steht, und über das jähzornige Schreckgespenst seines veralteten Vaters. Horst darf überhaupt nichts. Was ihm ! der Vater nicht verboten hat, das verbietet ! ihm gewißlich die tyrannische Mama: und j wenn der waschlappige Vater dahinterkommt, daß seine Frau verboten hat, was e r zu ver bieten unterließ, so verbietet er es doppelt und dreifach, um sein Ansehen zu erhöhen. Der arme Horst darf überhaupt nichts. Die Folge davon ist, daß der im Kern muntere Bub zu Hause den Duckmäuser spielt und sich gewisser Schulstunden als Ventil be dient, um den aufgespeichcrtcn Uberschuß an unverbrauchter Rüpelhaftigkeit abzulassen. So haben sich letzthin die Klagen aus der Schule gemehrt, und der Professor hat ge äußert, der Schneider sei ein richtiger Lümmel geworden; wenn das so weitergehe mit ihm, stehe er für nichts; mit dem Jungen nehme es dereinst ein Ende mit Schrecken. Die Eltern sind außer Rand und Band. Sie rauben ihrem Sohn die letzten, harmlosesten Freiheiten und überwachen sein Tun und Treiben peinlicher als ein bezahlter Privat spitzel. Horst darf nicht auf die Straße; bekommt kein Taschengeld mehr; muß mit dem Mädchen in der Küche essen; der in Aussicht gestellte Besuch einer Schüleraufführung des Stadt theaters fällt ins Wasser. Um diese Zeit geschah es, daß Friede! Ritter § aus der Schulbibliothek einen Band Eichen- ! dorff entlieh. Der Eichendorff gefiel ihm, und er kaufte sich von seinem Taschengeld das Neclam-Bänd- chen Nr. 2364: Eichendorff, Aus dem Leben eines Taugenichts. Nachdem Friede! das zierliche Geschichtchen gelesen hatte, nahm er es und verehrte es dem Horst. Horst legte das Büchlein ahnungslos auf seinen Arbeitstisch. Es erfolgte eine Katastrophe, als die Mama staubwischenderweise Horsts Stube betrat und mit ihrem sicheren Blick für Verbotenes das verdächtig-rötliche Bändchen entdeckte. »Aus dem Leben eines Tauge nichts! — Soso! Also solche Bischer liest der Herr Sohn!! — Aus solchen Büchern lernt er?! Warte, mein Bürschchen!« Und die Schläge prasselten. Horst schrie; denn das Buch flog ihm im Gesicht herum. Sodann trat der Ochsenziemer in Aktion. Das Büchlein selbst hauchte sein Leben im Kohlenkasten aus, wohin es von den ethisch pathetischen Händen der erziehungsbestrebten Mama geschleudert worden war. Abends kam der Vater heim. Er war noch nicht zur Tür herein, da ward ihm schon die Kunde, daß sein mißratener Beugel etwas ganz Unglaubliches angestellt habe. Ja, was war denn nun schon wieder mit dem Früchtchen? Hehe, er hatte sich das Tagebuch eines Taugenichts zugelegt, wahrscheinlich um daraus neue Flegelhaftigkeiten zu profitieren und seine Manieren zu verbessern. Herr Schneider untersucht den Fall nicht erst. Er schimpft und wettert, daß die Wände wackeln und das ganze Haus aufsttttzig wird. Dem Horst hilft es nichts, daß er heilig be teuert, keine Zeile.in dem schlimmen Buche gelesen zu haben. Der Vater kriegt ihn beim Kanthaken und bläut den jugendlichen Hintern ganz fürchter lich durch. Nach dem Abendessen hält es Herrn Schneider nicht mehr zu Hause. Er läuft vor Mitteilungsbedürfnis über. Er muß es in die Welt Hinausposaunen, was für einen Lause jungen er zum Kind hat. Er eilt spornstreichs in sein Stammlokal und berichtet atemlos von dem schändlichen Treiben seines Sohnes. »Wissen Sie, woraus der Flegel seine Kennt nisse bezieht? Wissen Sie, was der Schwein igel schwartet? — Man sollte es nicht für möglich halten! — Wissen Sie, was meine Frau ihm heute aus den Zähnen gerückt hat? Das Tagebuch eines Lebemannes!« Die Runde stimmt in die Entrüstung des schwergeprüften Vaters ein, jaja, die Jugend von heutzutage: und der Amtsrichter Bret- schneidcr bemerkt tiefsinnig: »Ei ei, das sind Schicksalsschläge!« — —. — Etliche Tage nach dem Skandal er kundigt sich Herr Schneider bei seiner Gattin nach Titel und Verfasser des obszönen Schmö kers. Diese erinnert sich dunkel, und nach mancherlei Forschen und Fragen sind Ver fasser und Titel eruiert. Daß das verbotene Machwerk bei dem so liden Rcclam erschienen sein könne, vermutet Herr Schneider nicht. Er bestellt den Eichendorff in aller Heimlich keit bei einem wildfremden Buchhändler, wel cher ihm ein kostspieliges Exemplar der Hans von Weberschen Liebhaberausgabe aufhängt, mit Bildern von Emil Preetorius. Herr Schneider verschlingt gierig das an stößige Buch auf seiner Kanzlei. Allein schon die ersten Bissen blieben ihm im Rachen stecken .... er durchblättert die Seiten .... sein Gesicht wird lang und länger . . . ., und seine Wut ist grenzenlos, daß der Text nicht erfüllt, was die Überschrift zu versprechen schien. Die Erbitterung auf seinen Sohn wächst un geheuerlich; denn er ist im Innersten über zeugt, daß der Lausejunge das Buch lediglich deshalb eingeschmuggelt hat, um seine Eltern zu prellen. Es setzte eine zweite Tracht Prügel. Diese Groteske ist dem neuen lustigen Buche von Hans Reimann entnommen, das unter dem Titel: Das verbotene Buch soeben bei Carl Fr. Fleischer ausgehefert wird. Brosch. 2.50; geb. 3.60. 11/10 mit 40A, 100 mit 60^. paulGteegemannBerlag,Hannover
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