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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.01.1925
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1925-01-10
- Erscheinungsdatum
- 10.01.1925
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- Deutsch
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396 6i)rsenblatt>. DtschU. Buchhandel. Sprechsaal. 8, 10. Januar 1925. Endgültige Teilnehmerzahl: vier männliche, drei weibliche, dazu der als Gast im Hause weilende Verlagsbuchhändler Albert Vieweg aus Berlin. Als Gäste kamen für drei Tage Herr Lempp i. Fa. Chr. Kaiser-München, ebenfalls für drei Lage Fritz Schnabel-Prien, für zwei Tage der Werbefachmann Horst Kliemann-München. Gäste meines Hauses, vor allem Geh. Ministerialrat Noack-Berlin, und andere nah men ausjerordentlich lebhaft und regelmäßig an den Veranstaltungen teil. Der äußere Nähme n. Eintreffen der Teilnehmer im Lause des Samstag. Abends gemeinsame Besprechung der Arbeitsfolge und Tageseinteilung. Vermerkung besonderer Wünsche und Bedürfnisse. Sonntag morgen besuchten die meisten die Predigt von Meister Gun tram von Augsburg oder Schmid-Kugelbach, der hier Pfarrer ist und dessen Bücher schon alle verkauft hatten. Auch katholische Teilnehmer waren von dem Besuche sehr befriedigt. Nachmittags ein weiter Aus flug in die Wimbachklamm, auf der die Teilnehmer zu immer neuen Gruppen sich zusammenfanden und kennen lernten. Abends der erste Vortrag. Es wurde dann Montag bis Mittwoch vormittags und Mon tag, Dienstag nachmittags, begünstigt von trübem Wetter, wo die Berge in Wolken steckten, angespannt gearbeitet: einleitende Aus führungen des Leiters ohne starren Zwang eines Vortrags, immer wieder unterbrochen durch Fragen, Bemerkungen, Zwiegespräche u. dgl., sodaß die Arbeit meist sehr lebhaft war. Ich gebe zu, auch sehr an strengend. Nach den Äußerungen der Teilnehmer nicht zu hoch, aber ein viel gesammelteres Mitdenken erfordernd, als der junge Buch händler im allgemeinen kennt. Und gerade das hat bei den Teilneh mern, je ernster und tiefer die einzelnen waren, um so mehr nachge- wirkt. Was sich im Weiterklingen zuhause und in der Nachwirkung je nach dem guten Willen des Einzelnen noch verstärken wird. Es waren ja keine hochgeistig-theoretischen Begriffsklaubereien, sondern eine immer wieder neue, immer wieder von anderer Seite angepackte Aus deutung und Beantwortung der Frage: Was bedeutet das Buch im Leben des Einzelnen, des Volkes, der Kultur, wie kommt man an das Buch als lebendige Macht heran, und wie führt man andere zu ihm? Der Nahmen der Behandlung spannte sich vom Erahnen der Bedin gungen geistigen Schaffens bis zu Einzelfragen der Buchwerbung und Buchausstattung. Die Ausführungen des Leiters, der ja dem Buch handel nicht sernstcht, wurden auf das glücklichste verstärkt und er gänzt durch die äußerst wertvollen Bemerkungen der Herren Lempp und Noack. Am Mittwoch mittag klärte es auf; während des Mittagessens war schnell der Fahrplan gewälzt und in wenigen Minuten die ganze Ge sellschaft bereit, im Sturmschritt zum Bahnhof zu eilen, um die groß artige Almbachklamm in ihrer ganzen Länge zu durchwandern. Den Blick auf den Untersberg und von Managern ans den Watzmann im Abendlichte wird wohl keiner vergessen. Am Donnerstag verlegten wir den Arbeitsplatz an den Obersee, nachdem wir bei strahlendem Sonnen schein über den Königsee gefahren waren. Dort erreichte uns nach kommend Horst Kliemann, und höchst verwundert standen immer wieder Sommerfrischler um unser Häuflein, das abseits auf und zwischen Felsgetrümmer den »dreieckigen« Facherörterungen lauschte, die zwi schen dem vulkanischen Schnabel, dem kühl abwägenden Horst Kliemann und dem humorvollen, beweglichen Vater Lempp hin- und herflogen. Während die Sommerfrischler sich schnell und enttäuscht wieder ver zogen, lauschte das Jungbuchhändlervolk voller Andacht den drei großen Buchhändlerkanonen, deren Namen es aus dem Börsenblatte schon so gut kannte. Wenn doch die Herren Chefs vom Sortiment und Verlag, die sich für mehr halten als Buchhändler, einsähen, daß sie durch die Teilnahme an solchen Wochen, wo sie selbst aus Herz und Hirn ohne Deklamation und Sichfühlen mit dem Jungvolke leben, unendlich mehr zur Förderung und Berufsschulung und zur Verbesserung der Mittel und Wege dazu beitragen als durch theoretische Behauptungen hin und her im Börsenblatt. Die Teilnehmer waren einstimmig voll herzlicher Dankbarkeit gegenüber den drei Genannten und Herrn Vieweg und Noack. Wenn ich mir auch einigermaßen darüber klar bin, in welcher Richtung die Einzelnen aus meiner eigenen Arbeit in der Woche Nutzen ziehen könnten, so weiß ich doch ebenso genau, daß durch das Echo meiner Arbeit vor allem bei Herrn Lempp die Wirkung des Ganzen nur vertieft wurde. Am Freitag wurde den ganzen Tag über Werbe- und Vertriebs- fragcn unter Leitung von Schnabel und Vieweg gearbeitet. Ich will für die Fernstehenden ein paar praktische Beispiele nennen: Aufgabe: Wie ivcrbe ich Käufer für die Liebeslieder des Wolfram von Eschen bach, schöne Geschenk'ausgabe, links mittelhochdeutsch, rechts hochdeutsch? Die Vorschläge der Teilnehmer wurden in geradezu verblüffender Weise durch Kliemann und Schnabel ergänzt und stoßkräftig gemacht. Ohne sich zu besinnen, schüttelte Kliemann sechs hervorragende Vor schläge aus dem Ärmel! Das waren wohl die lebhaftesten Auseinander setzungen. Es ist wohl keine Frage des praktischen Vertriebs und der Buchwerbung unbesprochen geblieben. Am Freitag abend wurde die Frage der Börsenblattanzeige bearbeitet, experimentalpsychologische Versuche mit den Einzelnen angestellt, die im Nahmen des hier Mög lichen verblüffende und außerordentlich belehrende Ergebnisse hatten. Leider streikten die Mädchen (so etwas »liegt« -ihnen halt nicht), denn der Mond über den Bergen war zu schön, und sie waren sehr glücklich, am mütterlichen Arm von Frau Engelhardt unter allerhand feinen Gesprächen Mondschein bummeln zu können! Wenn das nächste Mal wieder Mondschein ist, wird Frau Engelhardt eingesperrt oder an den Arbeitstisch gesetzt, damit die Mädchen nicht streiken. Am Samstag vormittag wurde mein Vorschlag mit großer Be geisterung (deren Wirkung ich heute noch in meiner Bücherei feststellen kann!) verwirklicht: Alle Teilnehmer sollten sich an einem Wettbewerb beteiligen und einen Büchertisch oder ein Bücherfenster aufbauen. Schnabel und ich schlugen uns seitwärts in die Büsche und überließen das Haus den Buchhändlern und meiner Frau. Diese mußte, da natür lich alles nur behelfmäßig gemacht werden konnte, an Decken, Tüchern, Bildern usw. Herausrücken, was die schöpferische Phantasie der jungen Kollegen zu brauchen glaubte, sogar mein Bett mußte seine schöne lila Steppdecke hergeben. Als nach drei Stunden die Preisrichter Schnabel und Engelhardt zurückkehrten, bot sich ein Bild, das eigentlich photo graphiert und im Börsenblatt vorgeführt werden müßte. Das ganze Haus war aus- und umgeräumt. Es sah aus, als wäre die Welt nach dem siebenten Schöpfungstage noch nicht wieder in Ordnung ge bracht: die Möbel in Haufen gestapelt, in den Zimmerecken wunder volle Büchertische aufgebaut, auch auf den Dielen, sogar im großen Schlafzimmer unter dem Dach! Die Preisrichter waren auf das ange nehmste überrascht. Mit Ausnahme von zwei Kleinigkeiten kein ein ziger Fehler in der Anlage! Das Gesamtergebnis weit über Durchschnitt, trotzdem in meiner zwar umfangreichen und viel seitigen, aber nach keiner Seite hin vollständigen Bücherreihe und in den Jmprovisationsmöglichkeiten einer bürgerlichen Wohnung natür lich sehr lästige Grenzen gegeben waren. Schnabel meinte auch, wir könnten froh sein, wenn der Durchschnitt an Buchfensterleistungen in Deutschland das erreichte, was diese jungen Leute mit behelfsmäßigen Mitteln aus dem Stegreif zusammenbauten. Die Preisverteilung holte die Urheber hinter den Decknamen hervor und brachte nach allen Sei ten hin Überraschungen. Es mußten zwei erste Preise (je ein acht tägiger Aufenthalt als Gast bei Schnabel und Engelhardt) verliehen werden. Außerdem gab es Bücher und Bildermappcn aus dem Schnabel- scheu und dem Inneren Kreis-Verlag. Nachmittags stieg man auf den Grünstein. Sonntag Abschied vom Königsee. Montag Zlbreise übe: Salzburg, Prien, München. An den freien Abenden wurde (wie auch jeden Morgen und Mittag) polyphon gesungen nach Jodes Liedersammlungen. Einmal gab es eine umfangreiche Ausstellung neuerer Holzschnitte aus meiner Sammlung, wobei sich die Gelegenheit bot, von der ersten Tuschskizze bis zum ausgezeichneten Holzstock vor dem Schnitt die künstlerische Ar beit zu verfolgen. Einen besonders angeregten Abend schenkte uns Schnabel (Handschristenkunde). Der Sonntag abend wurde mit Musik (Engelhardt) und Faustvorträgen Schnabels zu einer ernst-fröhlichen Abschiedsfeier. Am Freitag in der Mittagspause wurde Holz klein- gemacht. Unsere gestrenge Gräfin in der Küche behauptete am Sonn tag nach Weihnachten plötzlich, sie habe die außerordentlich« Zulage für Kuchen und Schlagsahne heute noch nicht bekommen. Sie erhielt eine Belehrung über die Bedeutung von Kantate in der ersten Zeit des Buchhandels, wurde auch in die Geheimnisse der BAG eingeweiht. Folgerungen. 1. Uber die Ausgestaltung und Wetterfüh rung der künftigen Arbeit werde ich mich im nächsten Hefte des Zopf abschneiders auf Einladung von Eugen Diederichs äußern. 2. Die Teilnehmer der letzten Woche beschlossen, Anfang Mai sich wieder zu einer Arbeitswoche in Berchtesgaden-Schönau einzufinden. 3. Sie erbaten im Anschluß daran eine Jungbuchhändlerwoche für neue Teilnehmer, über beide Veranstaltungen wird im Börsen blatt noch Genaueres mitgeteilt. Die Teilnehmer der letzten Woche, die es noch versäumten, werde» noch einmal gebeten, den bewußten Bericht an Vater Dieb«richs in Jena ausführlich und umgehend zu erstatten. Berchtesgaden-Schönau, 1. Januar 1926. Emil Engelhardt
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