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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.01.1925
- Strukturtyp
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- 1925-01-27
- Erscheinungsdatum
- 27.01.1925
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- Deutsch
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1466Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Kerti-e vacher. X? 22, 27, Januar iW. Gustav Gchröer: Deutsche Legenden Siatt dcrÜbersülle glänzendster u,einwandsreierKritiken,von denen je einzelne d. Umsatz ganzer Auflag, zur Folge haben sollte, bringen wir heute eine legende zum Abdruck, die ein selbständiges Urteil über den Wert dieses Buches ohne jede weitere Anpreisung ermöglicht. Ml» WM« W ill Will«! WM er alte Leopold Detlev lag im Sterben, und noch ln den letzten Stunden hatte er die Hellen Augen, die ihn achtzig Jahre durch das Leben begleitet. Grob und blau, von dichten weihen Brauen Überbuscht, blickten sie aus dem kantigen Haupte, das vom Alter ehrwürdig überschneit war. Oie Augen waren nie in Traumlanden gewandelt. Detlev, der starke Seidebauer mit dem weit ausholenden Schritt und den breiten, zufaffenden Händen, hatte sein Leben in nüchterner Klarheit hinter sich gebracht. Mit dem Herrgott stellte er sich auf den Duzfuß, aber es war ihm allezeit schwer gefallen, zu sagen: Nicht wie ich will, sondern wie Du willst. Er hatte seinen eigenen Willen, und den nahm er mit ins Grab. „Hinrich", sagte er zu dem Sohne, der auch schon lange graue Haare hatte, obwohl sie nicht auffielen, weil er blond war, „Hinrich, daran ist nichts zu ändern, und daran will ich auch nichts ändern. Was zuviel ist, ist zuviel, und da laß ich mir auch vom Herrgott nicht dreinreden. Ich Hab' auf den Düppler Schanzen mit gestanden, und jetzt sind sie weg. Ich Hab' bet Trautenau die Kugel ins Bein gekriegt, und jetzt darf dort ein deutscher Monn das Maul nicht mehr auftun. Ich habe vor Metz gelegen, die Franzosen haben es. Den Rhein, Junge, den Rhein bin ich noch vor zwölf Jahren wieder einmal hinabgefahren, und der Rhein, ach Hinrich, der Rhein muh die Brut an seinen Ufern leiden Ich Hab' einen Haß auf sie, den mir kein Pfarrer wegpredigt Den nehme ich mit ins Grab und - marschiere geradewegs in die Hölle, weil ja doch keiner mit seinem Haste in den Himmel kommt. Mir auch recht. Ich habe die Lüge nie leiden können und lüge auch jetzt nicht. Leb' wohl, Hinrich. Ich hätte gerne noch gesehen, wie wieder reine Bahn wird, aber was nicht sein kann, das soll man auch nicht verlangen." Drei Stunden darauf war der Bauer tot und lag, kerzengerade ausgestreckt, mit trotzigem Gesicht in seinem Bett, indes feine Seele wanderte und entschlossen geradewegs in die Hölle gehen wollte- Oer Weg zur Hölle aber führt am Himmel vorüber, woher es denn auch kommt, daß jeder vorerst wenigstens versucht, bei Petrus um gut Wetter zu bitten, und keiner geht leichten Sinnes weiter, der mit Petrus nicht eins ward. Sie lasten alle die Köpfe hängen und schieben die Schultern vor. Es war just wunderschönes Wetter, als Bauer Detlev auf das Himmeltor zuwanderte. Er ging genau so aufrecht, wie er zeit seines Lebens gegangen war und mit genau so breiten, entschlossenen Schritten Petrus, der zum Himmelofenfier hinaus nach dem Mars blickte, sah den Bauer kommen und stutzte. So ist selten einer daher gekommen, dachte er. Der muh seiner Sache gewiß fein; denn gemeiniglich kriegen es die Seelen so dicht vor dem Tore doch ein bißchen mit der Angst zu tun. Er trat also hinaus vor das Tor, hielt die Schlüssel in der Linken und strählte mit der Rechten seinen langen Vollbart Da kam Detlev daher, rief mit seiner vollen Stimme ein lautes: Grüß Gott! und wollte weitergehen. „Wo willst Du denn hin?" fragte Petrus verwundert. Oer Bauer hob den Kopf zu dem Wegweiser, der da stand, nickte und sagte: „Ich bin schon recht". Das ging Petrus über den Span. Er grollte: „Du Dick schädel! Willst du etwa neue Moden einführen? So lange ich mein Amt habe, und das ist immerhin schon ein Weilchen, ist mir sowas noch nicht passiert. Warte doch erst ab, was wird. Hernach kannst du meinetwegen immer da lang gehen, aber so mir nichts, dir nichts, das ist mir noch nicht vorgekommen. Machst du dir denn gar so wenig aus dem Herrgott?" „Ich habe ihm mein Lebtag seine Ehre gegeben." „Und der Herr Ehristus?" „Sei hochgelobet in Ewigkeit." „Und dein Weib, die Anna Dorothea?" Da ging es wie ein Heller Schein und zugleich wie ein Zucken über des Bauern Antlitz. „Ach ja, mein Weib, es ,st mir lieb, zu hören, daß sie da ist." „Wo sollte sie denn sonst sein?" „Ihr habt recht, Herr Petrus. Sie war immer ein sanftmütig Weib." „Hat sich was mit der Sanftmut. Hat sie dir nicht einmal die eiserne Bratpfanne krachend vor die Füße geworfen?" „Das wißt Ihr auch?" „Bor uns ist nichts verborgen. Ihr macht einem rechtschaffen Arbeit, ihr Menschenvolk. Meine Kanzlet wird immer größer. Alle Augenblicke muß ich einen neuen Engel anstellen, und trotzdem müssen Überstunden gemacht werden. — Komm her, ich habe schon das Register O aufschlagen lassen. Können gleich sehen." Oer Bauer aber blieb trotzig stehen. „Herr Petrus, das hat keinen Zweck. Ihr macht euch unnütz Mühe. Wie mein Register aussieht, das weiß ich, und wohin mein Weg geht, das weiß ich auch. Grüßt mein Weib. Was nicht sein kann, das kann eben nicht sein" Oer Bauer holte aus, weiter zu schreiten auf die Hölle zu. Da aber lief Petrus rot an. Das Alter hatte mit seinem raschen Sinn noch immer nicht ganz aufgeräumt. Er stemmte die Arme in die Seite, daß die Schlüssel am Bunde laut klirrten. „Hier haben Fürsten und Reiche gestanden und haben gebarmt, daß ich ihnen das Tor austue, Leute, die aus der Erde vor keinem das Haupt gebeugt haben, die auf die anderen herabgesehen haben, als wären sie Gewürm. Hier sind sie klein gewesen. Und du, du Heidebauer, willst durchaus auf -einem verdrehten Kopf bestehen? Sott ich etwa zehntausend Engel rufen, daß sie dir denWeg versperren ? „Istntcht nötig. Ich wollte euch nur keine unnützeMühe machen." „Was hast du denn so gar Besonderes auf dem Herzen, daß du durchaus nicht auf des himmlischen Vaters Erbarmen hoffen willst?" „Zch habe bet Düppel gekämpft." „Von den Oüppelkämpfern sind genug da." „Ünd bei Trautenau bin ich verwundet worden." „Auch keine Schande." „Und vor Metz habe ich gelegen." „Erst recht keine schlechte Empfehlung " Jetzt lief der Bauer rot an. „Und das alles hat nichts mehr zu sagen. Alles ist weg, und wir haben nichts mehr von dem, was uns gehörte, Düppel und Metz und . . . ." „Aha, pfeifst du auf dem Loche?" Petrus lächelte. Oer Bauer aber war im Zuge. „Und am Rhein, am Rhein..." Da legte Petrus dem zitternden Manne die Hand auf den Arm. „Wissen wir alles."
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