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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.06.1924
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- 1924-06-06
- Erscheinungsdatum
- 06.06.1924
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X? 132, 6. Juni IS24. Fertige Büchet. Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. 8073 Wilhelm Waetzoldt, Deutsche Kunsthistoriker L Bände- S°- Gebunden 12 Soldmark, in Halbfranz H6 Goldmark Verlag von E A. Seemann in Leipzig -IZ- or zwei Zähren zeigte ich in der „Hilfe" den ersten Band von Wilhelm Waetzoldt: „Deutsche Kunst. Historiker von Sandrart bis Rumohr" (Leipzig, Seemann) an und durfte diesem Buch nachrühmen, daß es von einer hohen Warte aus deutsche Geifiesgeschichte des 46. bis IS. Jahrhunderts in biographischen Porträts der- jenigen Gelehrten spiegele und illustriere, die in Wissenschaft, ltcher oder künstlerischer Hingabe an die Geschichte der Kunst ihre Lebensausgabe sehen und die Vorbedingung dazu schufen, daß im 49. Jahrhundert Kunstgeschichte als methodische Wissenschaft in oerselben organischen Struktur entwickelt wurde, wie die ältere Disziplin der Archäologie und die viel älteren der Historie und Theologie. Nun liegt der zweite Band dieses eigenartigen Buches vor, der die Männer des 19. Zahr« Hunderts von passavant bis Earl Zustt behandelt. Was dem ersten Bande nachgerühmt wurde, gilt vom zweiten noch in verstärktem Maße. Oer Verfasser, Vortragender Rat im Kultusministerium, von Hause aus Literaturhistoriker und dann Kunsthistoriker, hat auf breitester Grundlage das Stu dium des geistigen neunzehnten Jahrhunderts aufgebaut und führt uns nun die führenden Männer der Kunsthistorie in ungemein lebendiger, geistvoller und intimer Weise vor. Manchmal wird viel gespottet, die Kunstgeschichte gehörte zum Train der Wissenschaften. Man sehe sich diese Männer an, was für Anforderungen an geistige Spannung und Lim« sicht sie an sich stellten, um den Platz zu finden, wohin diese Geister gehören. Waeholdt gliedert diese elf Männer, deren Biographie, bester geistiges Profil er zeichnet, in fünf Gruppen. Zuerst kommt die Schule der Kenner, die der Frankfurter Raphaelbiograph Z D. passavant und der erste Direktor der Berliner Gemäldegalerie, G. F. Waagen, vertraten. Dann die Repräsentanten der geschichts- philosophischen Methode: Heinrich Gustav Hotho, 4802 - 73, der als Direktor des Berliner Kupferstichkabinetts starb und Karl Schnaase, der Verfasser der ersten großen „Geschichte der Kunst" in acht Bänden. Nun folgen die positivisten, Eduard Koloss, der erst kürzlich als Btb- liothekar an der dibltottteque nationale in Paris gestorben ist, Anton Springer, der die Kunstgeschichte an den Uni- versitäten als Lehrgebiet erzwang und selbst in Bonn. Straßburg und Leipzig die erste kunstgeschichtliche Schule heranzog, und endlich Gottfried Semper. Als vierte Gruppe nennt er zwei Männer, die „die Kunstgeschichte nach Aufgaben" anfaßten, Franz Theodor Kugler und Jacob Durckhardt. Zum Schluß folgen die großen Biographen: Herman Grimm in Berlin und Earl Zusti in Bonn. Über diese elf Männer schreibt Waeholdt über 300 enggedruckte Seiten in einem klaren, durchsichtigen, geistvollen und oft geistreichen Stil, überall den Blick über das nächste Thema weit herausschickend in die allgemeine Geistesgeschichte, in die Kämpfe von Romantik und Klassizismus, in die Um« Wälzungen nach 4848, in die Bismarcksche Periode und endlich in den „Amorphismus" feit 4890. Zn der Tat, ein Spiegelbild der deutschen Seele, aufgefangen in Gläsern, deren optische Qualität für das Seelische nicht zart geuug sein kann. Mit den üblichen Koryphäen-Biographien wäre diese Aufgabe nicht zu lösen gewesen. Der Kampf zwischen Zdee und Anschauung, philosophischer Betrachtung und augenfroher Sinnlichkeit, zwischen scharfer Kritik und hym« nologischer Begeisterung steigert sich in die letzten Ver feiuerungen geistigen Ringens, ethisch innerlicher Ersaffung der Probleme. Wahrlich, dieser Band kann der Welt zeigen, was Deutschland der Welt anzubieten hat, das so sich nirgendwo wiederfindet. Jedes Voik hat sein besonderes Charisma, und wir Deutschen fühlen die Grenzen unseres Wesens oft deutlicher als andere Völker. Aber die Fähigkeit der Versenkung und Konzentration, jahrzehntelange Geduld und asketische Entsagung um einer einzigen Wahrheit willen, das findet man in Deutschland mindestens häufiger als in anderen Ländern. Üver jeder dieser elf Biographien könnte das Wort stehen: ^rli ln8ervienäo con8umoi. Es ist eine Gruppe, die mit Dantes antiker Philosophenreihe in Inferno mal Brüderschaft trinken könnte. Zch muß es mir versagen, ln diesem kurzen Referat die einzelnen Männer nach Waetzoldt zu charakterisieren; den Genuß wird sich so leicht keiner entgehen lasten, der sich für diese Getsteswelt interessiert, das Buch selber zu lesen. Nur einige allgemeine Bemerkungen: Fast keiner dieser Kunst- Historiker hat als Kunsthistoriker begonnen. Sie alle gingen zunächst durch eine andere Schule des Studiums oderLebens, -er als Theologe, der als Politiker, der als Staatsmann, der als Künstler. Scharf trennt sich dann die Gruppe derer, welche in der Akribie der Nahsicht die Leiter höchsteigen, von den philosophischen und synthetischen Köpfen. Aber keiner ist in der Niederung des Betriebs und der Ameisen- arbeit steckengeblteben, allen war ihr Lebenswerk Deutung und Formung letzter Ideen. Höchstens Semper, der sich zu stark in die Technologie verflocht, ist über ein gewisses Maß abstrakten Denkens nicht hinausgekommen. Oft steht ihre schriftstellerische Arbeit im Gegensatz zu den Forderungen des Tages, aber der Geheimrat im Kultusministerium behält ebensogut Zeit für seine Bücher wie der Dozent und der Museumsbeamte. Vier dieser Männer hatten hohe Stellungen in Berlin inne und sind trotzdem nicht hohl geworden. Grimm, schon verwandtschaftlich auf Goe'he hingewicsen, empfand sich als das Goetheqewiffen Enropa gegenüber, und das war keine Eitelkeit. Als originale, selbständigste und explorierendste Persönlichkeit ist -och wohl Jacob Burckhardt anzusehen, in besten Biographie Waetzoldt denn auch die höchste Wärme entwickelt. Die letzte Zartheit und Hingabe aber bringt das Kapitel über Earl Zusti, besten scheuer Verschwiegenheit sein Biograph denn auch mit besonderer Delikateste sich nähert. Wort für Wort unterschreibe ich das, 0. h. ich hätte längst nicht dir Gabe gehabt, Ahnungen und Erlebnisse mit solcher Elastizität und Begriffsschärfe andern mitzuteUen. Kurzum, ein durchaus ungewöhnliches Buch. Diese elf Männer haben einen berufenen Herold ihrer Taten, Werke und Seele gefunden. Wir dürfen stolz darauf sein, daß solche Männer jetzt im Ministerium sitzen. Das Buch ist im höchsten Sinne national, in dem Sinn, daß es in vornehmster Geste der Welt unsere kostbaren Geister zeigt, die mitgeholfen haben, deutsche Wissenschaft und Forschung deutsches Seelenleben und deutsche Akribie in stolzer Höhe zu entwickeln. Die Reihe bricht mit dem 4942 gestorbenen Carl Zusti ab. Möchte es dem neuen Zahrhundert nicht an Männern fehlen, die jenen elf an die Seite geitellt werden können, die die vornehme Tradition deutscher Eigenart und deutscher Innerlichkeit in die Zukunft weiterführen. Paul Schubring. L. /i. ^ r. I ? rIo
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