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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.08.1924
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- 1924-08-15
- Erscheinungsdatum
- 15.08.1924
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X- 191, 15. August 1924. Redaktionell«: Test. Börsenblatt f. b. Dtt'chn. Buchhandel. 10581 Künstler hcrankommcn kann, wie ich es etwa für Gainpp versuchte und an den groben Holzschnitten von M. E. Voigt, vor allem an ihrer eben erscheinenden großen Mappe zu Löns Wehrwolf tun will. Ich weiß freilich, daß es bis heute und wahrscheinlich noch auf lange ein sehr entsagungsvolles Arbeiten ist, wenn man das von mir Angedeutete zu verwirklichen sucht: eine Rezension im üblichen Sinne ist schnell hingeschrieben, nachdem man das Buch mehr oder weniger flüchtig durchgelesen hat. (Ich kaufte kin paarmal von einem bekannten Schriftsteller und Dichter »anti quarisch» Rezensionsexemplare, über die er teilweise sogar grö ßere Aufsätze geschrieben hatte, mit beträchtlichem Aufwand von Wissen und Urteilen. Sie waren überhaupt nicht ausgeschnitten, also gar nicht gelesen, nur da und dort zwischen den Bogen hereingeschmeckt».) Der von mir angedeutete Weg verlangt gründliche Arbeit, auch wenn der Aufsatz nur 20 Zeilen lang »wird. Man arbeitet oft stundenlang immer wieder um, damit der Blickpunkt, an den man den Leser gewissenhafterweise glaubt heranführen zu müssen, auch deutlich wird. Das soll aber nicht heißen, daß man die eigene »Meinung-, das eigene Urteil dem Leser wie eine Brille aufsetzen soll; ich betone das noch einmal, um jedes Mißverständnis nach Möglichkeit auszuschließen. Ich ver gleiche es am besten Wohl mit der Beratung, die ich meinen Gästen zur Sommerszeit gebe: von meinem Hause aus sieht man den Watzmann und ihm vorgelagert einen leicht zu ersteigenden Vor- bcrg, den Grünstein. Fragt mich ein Gast, wie er am besten hin aufkomme, so empfehle ich morgens vom Westen her einzusteigen, weil es da schattiger ist. Ich beschreibe aber nur die Ein st i e g st e l l e, wo der Steig absührt, alles andere soll erselber finden. Auch den Abstieg über die Ostseite, die man nur nach mittags zum Anstieg wählen sollte, habe ich nicht beschrieben, die soll erselberausgehen. SosolleineWeg Weisung zu fruchtbarem Lesen, wie ich sie hier meine, die etwas anderes ist als eine fachwissenfchaftliche Rezension oder Kritik, die beste Ein stieg stelle beschreiben. Das übrige wird der^Leser dann von selber finden: das, was ihm gemäß ist, was ihn zu schöpferischer Auseinandersetzung und Beschäfti gung mit dem Buche führen kann. Man braucht nun aber nicht etwa zu fürchten, diese Art Lesehilfe könne sich nur auf religiöse, philosophische, weltanschau liche, künstlerische Bücher beziehen. Sie erstreckt sich über das ganze Schrifttum. Es mag paradox erscheinen, aber auf diese Weise läßt sich auch Schundliteratur und seichte Ware noch frucht bar machen. Ich will das beispielsweise an einem Buche, das ich zwar nicht als Schundliteratur, aber als literarisch nicht be sonders hochwertige Sensationsmache werte, skizzenhaft zeigen. Von einer Vortragsreise in Böhmen wurde ich durch Draht nachricht über Nacht für einen Tag nach Thüringen heimge rufen. Ich hatte nichts mehr zu lesen, womit ich mir die zahl reichen Aufenthalte auf Bahnhöfen und die Nacht vertreiben konnte. Ein Fabrikant, bei dem ich als vortragsrcisender Gast wohnte, gab mir Dominiks »Die Spur des Dschingis-Khan», also ein -Hochspannungsbuch». Die übliche literarische Kritik würde sagen: »Ein seelisch und dichterisch nicht sorgfältig durch« gearbeitetes, im Aufbau konstruiertes, unpsychologisches Buch, wiederholt gewaltsam umgebogene .Handlung', die eingeflochtcne Liebesgeschichte gänzlich unorganisch und kitschig sentimental. Lebhafteste Phantasie des Verfassers kann nicht über den oft peinlichen Eindruck gröbster Kinomache hinwegtäuschen. Aber man liest das Buch in der Sommerfrische, in der Eisenbahn und hat sich ein paar Stunden spannend unterhalten». Auf eine solche Besprechung hin liest der ernsthafte Mensch, der überhaupt Bücherbesprechungen zu Rate zieht, das Buch wahrscheinlich nicht; der Massenmensch »frißt» es trotzdem, weil er die Besprechung auch nicht liest. Und wenn er sie doch einmal las, zieht ihn die »Phantasie» und das »spannend» an. Den Kitsch nimmt er unbedenklich in Kauf, weil sein robuster, an keine vollwertige Kost gewöhnter Magen sich nicht dagegen wehrt. Ich frage nun: Was für einen Zweck hat diese Art Rezension? Für den Leser? Für den Buchhändler (aus den es mir in diesem Aussatze ja besonders ankommt!)? Wollte ich eine Hilfe zu fruchtbarem Lesen auch eines solchen Buches geben, würde ich etwa folgende Linie verfolgen: Das Buch gibt mehrere Blickpunkte, von denen aus es gesetzt» werden muß (nicht will!; denn der Verfasser will nur Sensation, phantastische Unterhaltung und vielleicht großen Umsatz!). Etwa die Ungeheuerlichkeit unserer technischen Erfindungen und Ent deckungen. Der Leser soll andächtig werden von den Ge heimnissen; er soll im Sinne Goethes Ehrfurcht vor der noch unabsehbaren Möglichkeit mttbringen, wenn er das Buch liest. Und weiter die fragende Einstellung: solche Folgen mutz eine ichsüchtige Ausbeutung und Ausnutzung einör Erfindung für den Menschen haben? Die Frage der Bodenreform bei uns wird dem Leser nicht stumm bleiben dürfen; weiter die Frage der Völkerbeziehungen, die Rassenftage: schwarz und gelb und weiß. Hat die Kolonisation Afrikas Kultur dorthin gebracht oder nur Zivilisation und Ausnutzung unterlegener Völker? Sind die Menschen durch die Technik besser geworden? (Freilich wer den manche sagen: solche Fragen dürfen gar nicht an dieses Buch herangetragen werden. Warum nicht? Wenn es wertig ist, muß es ihnen standhalten.) Die Liebesgeschichte müßie die Leser sehr nachdenklich machen. Es wäre am Schluß darauf hin zuführen, daß man eine solche Geschichte noch viel besser dichie- risch gestalten könnte, etwa unter Hinweis aus den wesentlich höher stehenden, auch sprachlich viel gepslegtercn »Tunnel-rvman Kellermanns. Gehe ich wirklich so ganz irre, wenn ich für das Buch von einer solchen Wegweisung zu fruchtbarem Lesen, das eben ein schöpferisches Lesen in oben beschriebenem Sinne würde, nicht ein stoffliches Lesen der Sensation und schaler, oberflächlicher Zeit- vertreiberei, nur Vorteile erwarte? Auch Steigerung des Ab satzes? Eine vertiefte Wirkung dessen, was daran wirkungs voll ist? Und eine Abschwächung der bedenklichen Seiten, die es hat? Nicht Warnungstaseln für Unmündige, sondern Steige rung der Wirkungsmöglichkeiten des Guten daran, die unter dem Unguten gemindert werden. Ein Aufmerksamwerden auch der ernsthasten Menschen, die sonst das Buch links liegen ließen. Hätten nicht Verleger und Leser — und der Buchhändler, der seinen Käufern Blickpunkte für das fruchtbare Lesen geben könnte, ihren Gewinn an solcher Weiterbildung des Besprechungs- Wesens? Denn das ist es doch, was wir auch brauchen: der Buch händler möchte nicht nur ein Urteil einer Zeitung wiedergeben, sondern dem Leser einen Wegweiser aufstellen, wie er zu seinem innerlichen Gewinne bei diesem Buche kommen könnte. Viel mehr läßt sich theoretisch nicht zu dieser Frage sagen. Lösen läßt sie sich nur praktisch: durch den allseitig'!! Ausbau einer Zeitschrift, die aber nicht nur Bücherbesprechungszcitschrift sein darf, sondern kulturelles Gesicht haben muß. Ich möchte tvn- junkturriechende Geschäftemacher, die sich auch Verleger nennen, ausdrücklich warnen, diese Idee in die Wirklichkeit umzu setzen und so etwas zu »machen». Es gibt nämlich eine unschein bare, aber nicht unwichtige Voraussetzung für das Gelingen: man kann so etwas nicht »machen», es muß um einen lebcndizen Menschen herum wachsen, dem das »liegt» und dem es natürlich entkeimt, ungewollt, ohne Auftrag und Anstellungs- Vertrag als Herausgeber oder Redakteur. Und weiter: es mutz aus einem lebendigen Menschenkreise herauswachsm, sei er noch so klein. Ich weiß, daß die von mir im »Inneren Kreis- bisher gemachten Versuche in dieser Richtung daraus entstanden sind, daß diese Hefte aus einem lebendigen Gästefteise heraus- wuchsen und dar Band zwischen den Einzelnen bilden. Und je lebendiger dieser Kreis wird und je enger er zusammcnwächst, um so lebendiger werden die Wegweisungen zu fruchtbarem Lesen. Mit großem Kapital läßt sich so etwas nicht machen, nur mit lebendigen Menschen. Und die sind heute noch seltener als Kapital! Da scheint mir eine Aufgabe für unsere Iungbuchhändlsr, überhaupt für die Volksbildner unter den Buchhändlern zu liegen: die lebendigen Menschen zu sammeln und irgendwie mit einander zu verbinden. Diese Kreise sind dann die fruchtbaren tragenden Grundlagen für »Kulturabende», sic sind die wirklich IZ7d«
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