Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.09.1924
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1924-09-03
- Erscheinungsdatum
- 03.09.1924
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19240903
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192409034
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19240903
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1924
- Monat1924-09
- Tag1924-09-03
- Monat1924-09
- Jahr1924
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
daktioneller Teil. X- 207, 3. September 1924. pltn, von rechnerischer Überlegung und weit über das Einseitige hinausgehendem Wissen, vom praktischen Materialismus und belebenden Idealismus — die Grundlagen, die im Buchhandel den Erfolg verbürgen. Aus seinen Zeugnissen ist zu entnehmen, daß er auch hier ein tüchtiger Schüler war, der häufig prämiiert wurde: eine dieser Prämien kann er noch seinen Enkeln zeigen — sie hat sich erhallen. Die übrigen hat er gewöhnlich gleich nach Enrpfang zu Geld gemacht, denn mit seinem Lerneifer hielt seine Kasse nicht Gleichschritt. Nach seinem eigenen Geständnis litt er viel unter der Melancholie der leeren Taschen. Dabei war seine einzige Leidenschaft in dieser nicht allzu stürmischen Ju gendzeit ein Konditorfräulein — doch nur wegen des Zuständ- lichen, in dem das Fräulein lebte. Das Ausschweifende des jun gen Hiersemann verteilte sich auf Schokolade und Kuchen. Eine letzte Prämie war das Siegel auf sein Abgangszeugnis von der Schule. Nun konnte er -in die Lehre gehen-. Er hatte derzeit einen Herzensfreund, der hieß Gottfried Otto Nauhardt, auch ein be- vorzugter Schüler des Direktors, vi. Bräutigam, immer bereit, sich der beiden Jünglinge anzunehmen und ihr Fortkommen zu erleichtern, schrieb ihnen nun ein paar Empfehlungsbriefe an zwei bekannte Leipziger Buchhändlerfirmen, und zwar für Nau hardt an List L Francke und für Hiersemann an Carl Fr. Flei scher. Durch ein seltsames Spiel des Zufalls aber, der im Men schenleben ja gern die Regie führt, wurden die Briefe vertauscht, und so kam Karl W. zu List L Francke und Gottfried Otto zu Carl Fr. Fleischer. Es War kein Unglück. Nauhardt, der 1915 als Kommerzienrat und Inhaber der Firma Fleischer starb, wurde ein ebenso berühmter Buchhändler wie Hiersemann, der zwar auf den Kommerzienratstitel verzichtete, dafür aber später an einer akademischen Ehrung sich erfreuen konnte. Wie R. L. Prager in seiner Biographie Nauhardts <im Adreßbuch des Deutschen Buchhandels für 1917) erzählt, pflegte Nauhardt auf Grund des erwähnten brieflichen Quiproquo sich und Hierse mann gern die -verwechselten Brüder- zu nennen, die im übrigen ihr Leben lang gute und getreue Freunde geblieben sind. Karl W. Hiersemann kam also als -junger Mann- in die umfangreiche und bedeutende Buch- und Antiquariatshandlung von List L Francke und wurde dort so energisch weiter erzogen wie etwa ein Ofsiziersaspirant in der alten Armee. Denn wie damals ein Fähnrich oder Freiwilliger alle Arbeit des gemeinen Mannes erlernen, auch seine Sachen selbst putzen und bei der Kavallerie seinen Gaul eigenhändig striegeln mußte, so verlangte man derzeit vom Buchhandlungslehrling, daß er in den Arbeits räumen Staub wischte, die Bücher verpackte, gelegentlich sogar die Pakete selbst austrug, sich also aus jede Weise »nützlich machte». Heute ist man auch in der Behandlung der Lehrlinge zu vorkommender geworden, es steht aber wohl fest, daß die Lehr zeit von früher keinem angehenden Bibliopolen etwas geschadet hat — vielleicht im Gegenteil. Selbst wenn der Austräger ein mal von freundlicher Hand ein gut gemeintes »Trinkgeld- erhielt, so tat es seiner Ehre und Manneswürde noch lange nicht Ab bruch. Die meisten legte er übrigens in Erinnerung an Tage der Vergangenheit weniger in der Bierstube und mehr in Schokolade mit Schlagsahne an. Sei es, wie es fei: Karl W. lernte auch bei List L Francke ungeheuer viel — mit besonderer Verehrung spricht er noch oft von seinem 1892 verstorbenen Chef FelixList, dessen erstaun liches Gedächtnis er besonders bewunderte und das ihm vorbild lich erschien. Die glückliche Gabe eines stark ausgeprägten und systematisch geschulten Erinnerungsvermögens ist gerade bei einem Antiquariatsbuchhändler von großer Wichtigkeit. Auch die umfangreichste Kenntnis der Literatur und Druckergeschichte, der bedeutendste Fundus an notwendigem Wissen genügt nicht immer, wenn beispielsweise im Augenblick einer günstigen An kaufsmöglichkeit das Gedächtnis versagt und sich dadurch natur gemäß die Einträglichkeit des Geschäfts verschiebt. Wir wissen, daß ein gutes Gedächtnis nicht immer geistige Bedeutung vor aussetzt. Aber ein gewisses logisches Gedächtnis, das sach liche Zusammenhänge geordnet umfaßt, läßt sich auch pflegen, und besonders ein Namen-, Orts- und Zahlengedächtnis als Aus wirkung für das Erkennen und Urteilen ist für den Antiquar fast Vorbedingung und auf psychologischem Wege durch eine in die lebendige Praxis übertragene innere Aneignung auch erreichbar. Nicht weniger anspornend auf den jungen Hiersemann wirk ten die zahlreichen Geschäftsbesuche bekannter Gelehrter, Samm ler, Literaturfreunde und der großen Antiquare aller Länder, die bei ihrem Aufenthalt in Leipzig selten versäumten, sich bei der Firma List L Francke einzufinden, in ihrem Lager Umschau zu halten, Einkäufe zu machen, oder auch nur bei dieser Gelegen heit mit den Inhabern in einen Gedankenaustausch zu treten. Schon damals stand cs für Karl W. fest, sich dem Antiquariat zu widmen. Es war immer ein Freudentag für ihn, wenn seine Chefs wieder einmal irgendeine wertvolle Bibliothek des Jn- oder Auslands in ihrer Gesamtheit erworben hatten, die dann ausgepackt, geordnet und sorgfältig katalogisiert werden mußte und häufig bei der Firma selbst zur Versteigerung gelangte. Es ist begreiflich, daß in diesem Zuständlichen seine Neigung für das Antiquarische wuchs. Es war freilich noch nicht an der Zeit, sein Wissen zu erweitern. Nur seine Sprachstudien betrieb er mit Eifer und fand auch Gelegenheit, mit Engländern und Fran zosen, die in Leipzig weilten, im Kaffeehaus oder auf Spazier gängen zusammenzukommen und sich mit ihnen zu unterhalten. Daraus zogen dann beide Teile Nutzen. Im übrigen verurteilte schon die schmale Börse den jungen Herrn zu einer soliden Lebensführung. Hin und wieder ging es mit den Freunden auf die Kegelbahn oder in die Schwimmanstalt, sonst blieb es bei dem Kaffeehaus oder der Konditorei, wie bei den Kuchenorgien der Schulzeit. Mit einem Lehrling in der Holzschneidekunst be wohnte er zusammen ein freundliches kleines Stübchen, und da bildete zunächst ein Fach der Kommode seine Bibliothek oder, besser gesagt, sein Sammelarchiv. Oben lag seine Leibwäsche, und unten verstaute er seine bllüiophilen Schätze, bestehend aus ausrangierten Antiquariatskatalogen, zahllosen Zeitungsaus schnitten und diesem und jenem billigen Buchankauf. Die Zeit verrann, die Lehrzeit ging vorüber, aber Karl W. behielt seine Anhänglichkeit für List L Francke und blieb auch nach seiner Beförderung zum Gehilfen noch anderthalb Jahr bei der Firma. Den antiquarischen Marschallsstab hatte er in seiner Kommode und packte ihn in sein Kösferchen, als er eines Tages von Leipzig Abschied nahm, um seiner buchhändlerischen Fort bildung halber zu I. Bensheimer in Mannheim überzusiedeln. Das war um jene Zeit, da in ihm eine regere Lebenslust zu erwachen begann. Ein Duckmäuser war er nie gewesen, aber er hatte sich nach der Decke strecken müssen, und da er nun ein paar Mark Gehalt bezog und von Mannheim aus häufig Frankfurt besuchte, wo er lustige Kollegen fand, so hielt er es für ganz angemessen, gelegentlich auch einmal mit beiden Beinen auszu- schlagen. Sein alter Freund Max Ziegert erzählt gern eine hei tere Geschichte von einem Gauverbandstage, zu dem er von Frankfurt nach Mannheim gekommen war. Dort hatte man ge meinsam das Fest nach üblichkeit gefeiert, hatte pokuliert und ge sungen, auch abends noch Rossinis -Teil- in der Oper besucht, in einer vergnügteren Stimmung, als sie dem Text und der Mu sik entsprach, und schließlich wollte Karl W. Freund Ziegert mit in seine Bude nehmen, um ihm das Nachtquartier im Hotel zu ersparen. Die Gehilfen Bensheimers bewohnten eine Boden kammer, und da die leichtsinnigen Jünglinge häufig die Schlüs sel vergaßen, so hatte man zur Vereinfachung der Angelegenheit ein paar Latten des Beischlags eingedrückt. Dadurch entstand eine Öffnung, die man als Türersatz bezeichnen konnte, und an besagtem Gauverbandsabend kroch Max Ziegert zuerst durch das Loch, um sich, erschüttert über Teils musikalisches Geschoß, sofort wuchtig auf das Bett zu werfen. Karl W. kroch hinterher, hatte indes erst halbwegs sein Ziel erreicht, als ein dröhnendes Getöse ihn in jähes Erschrecken versetzte, denn unnötiger Lärm war im Hause verboten. Unnötig war freilich auch in diesem Falle das geräuschvolle Faktum — aber begreiflich. Der lange Ziegert war mit der nicht für ihn berechneten Bettstelle zusammengekracht. Bei Bensheimer blieb Jung-Hiersemann gleichfalls andert halb Jahre; dann lüstete es ihm nach dem Ausland. Verständ liches Sehnen! Wie für jeden Kaufmann, so ist insonderheit für den Buchhändler die Schule des Auslands unentbehrlich. Karl W. wollte nach London, wo sich das Antiquariatswefen, unter
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder