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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.09.1924
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- 1924-09-03
- Erscheinungsdatum
- 03.09.1924
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207, 3. September 1924. Redaktioneller Teil. I. d. Dtschn. «uchhand-e 1I4SZ Führung von Quaritch und anderen, zu hoher Blüte entwickelt hatte. Aber da legte nun wieder Vater Hiersemann ein Veto ein. Der biedere alte Landwirt wollte nicht begreifen, daß man mit so »wertlosem Zeug« wie Len vergilbten Buchscharteken von srüher, die gar nicht mehr zu lesen seien, überhaupt noch Ge schäfte machen könne. Der Junge wollte durchaus Buchhändler werden — gut, gegen seinen Dickkopf lieh sich nicht ankämpfen. Aber dazu brauchte er nicht nach England, er konnte im Lande bleiben und sich redlich nähren, er brauchte sich auch nicht aus oerstaubte schweinslederne Folianten zu versteifen, wo alle Jahre neue Bücher in Unmassen erschienen — also kurzum, Vater Hierse mann machte wieder nicht mit! Karl W. überlegte. Er hatte seinen knorrigen alten Herrn sehr lieb. Aber er selbst war doch auch noch da — die Jugend stemmte sich gegen das Alter, und so reiste er denn ohne die Einwilligung des Vaters nach London. Er halte es nicht zu bereuen — und der Vater endgültig auch nicht. Die vierundeinhalbjährige Arbeitszeit auf dem englischen Büchermarkt war für Karl W. von entscheidender Bedeutung. Er trat zuerst bei David Nutt ein und kam dann zu Trübner K Co., bei denen er u. a. die zweite erweiterte Auflage von »l'rübacr's Oaialogus ok vietioaaiies and (lrcnnncrs ok tve Principal üanAuages and l>ialect8 ot ÜIS tVorld« bearbeitete. Vor allem aber erweiterte sich sein Gesichtskreis auf bestimmten Sondergebieten. Seine Vorliebe für American« und Rossica, für die orientalische Literatur und die Kunst des Ostens stammt aus dieser Zeit. Er lernte den Wert seltener Erzeugnisse des Frühdrucks erkennen und schätzen, ihre Abhängigkeit von der Geschichte der Typogra phie, vom Erhaltungszustand, dem Einband, der bildnerischen Ausstattung, der Herkunst, den Marginalien von berühmter Ab stammung. Er bekam Einblick in das weite Gebiet der Paläo graphie, in die Handschriftcnkunde des Mittelalters, die Minia turmalerei, die Manuskripte des Orients, in die vielfachen Ver zweigungen des Autographenwesens, in den gerade in jener Zeit lebhaft einsetzenden Handel mit alten Kunstblättern. London beendete sozusagen seine Lehrzeit. Unvergeßliche Erinnerungen verbinden ihn mit diesen Tagen. Die glänzende Bezahlung bei angenehmer Geschäftszeit und die gute Kameradschaft veranlaß- ten ihn zuweilen zu dem Wunsche, sich dauernd in London nieder- zulassen. Glücklicherweise siegten doch sein Deutschempfinden, die Liebe zur Heimat und zu den Angehörigen. Als Siebenund- zwanzigjähriger kehrte er nach Deutschland zurück und nahm eine Stellung in K. F. Koehlers Antiquarium in Leipzig an. Die Zu sammenarbeit mit dem Inhaber, Herrn Hugo Koehler, war eine so erfreuliche, daß sie beinahe zu einer Teilhaberschaft geführt hätte. Sie war schon besprochen worden, doch das Gefühl, sich völlig selbständig zu machen, gab schließlich den Ausschlag. Karl W. wollte eine eigene Firma gründen. Mittel dazu besaß er freilich nur in bescheidenem Maße. Aber er hatte nun Grund ge legt, er hatte Selbstvertrauen und die Furchtlosigkeit eines Men schen, für den »Wind und Wetter« nicht störend sind. Er stand auf anderem Ackerboden als Vater, Großvater und Ahn, immer hin, auch er hatte einen Pflug in der Hand, den Pflug des Fleißes und wußte ihn zu führen. So reiste er denn in raschem Entschluß im Juni 1884 abermals nach London, suchte die ihm befreundeten, bekannten und wohlgesinnten Firmen auf, unter nahm größere Einkäufe und gründete mit ihnen am 3. Sep tember des gleichen Jahres sein Geschäft in der Turnerstratze 1 zu Leipzig. Er war klug, er begann klein, doch voller Hoffnung auf die Zukunft. Das erste Geschäftslokal bestand aus zwei, keineswegs geräumigen Vorderzimmern für das Lager und einem Hofstüb chen, in dem der Besitzer schlief. Im Vollgefühl seines Könnens ging er an den Ausbau der neuen Firma. Die beiden kleinen La gerräume bildeten den Grundstock des späteren Weltgeschäfts. Von ihnen aus Hub ein Entwicklungsgang an, der beständig aufwärts führte, wenn auch naturgemäß mit Unterbrechungen, die die Ver änderlichkeit der Zeit mit sich brachte, die aber Fleiß und Tüch tigkeit immer wieder überwanden. In der Stetigkeit der Ent wicklung zeigte sich die ganze stolze Eigenkraft in der Persönlich keit Hiersemanns. Zunächst arbeitete er allein, nur auf sich selbst angewiesen. Aber mit dem mählichen Wachstum des Geschäfts trat die Notwendigkeit an ihn heran, sich nach einem Mitarbeiter umzutun. Aus der einen Hilfskraft wurden in Bälde drei. Trotz dem überhastete sich Hiersemann nicht. Er stand aus festen Füßen und gewann an Boden, Schritt für Schritt, nicht in Eroberer sprüngen, sondern in kläglicher Ruhe und mit der Gewissenhaftig keit eines Baumeisters, der da weiß, daß das Fundament fest genug ist, um auf ihn einen Stein nach dem andern zu setzen und ein Gebäude zu errichten, das Wind und Wetter zu trotzen ver mag. Nun lebte er bereits aus den Ergebnissen seiner Lehrzeit. Mil einem erstaunlichen Wissen verband sich jene Gedächtnis kunst, von der schon oben die Rede war und die ihn befähigte, mit raschem Zugriff auch den Augenblick wahrzunehmen, wenn er einen Erfolg voraussetzte. Man soll solche Augenblickserfolge nicht unterschätzen. Sie gehören durchaus nicht in das Gebiet waghalsiger Spekulationen, sie ergeben sich im Antiquariats geschäft von selbst, weil hier ungleich mehr als sonst im buch händlerischen Leben bei Angebot und Nachfrage eine oft uner wartete Plötzlichkeit des Geschehens eintritt. Der Bibliophile kennt derlei. Er hat Witterung und Nase wie ein Vorstehhund und die Schußfertigkeit des Jägers. Und der Antiquar wird häufig ein Bibliophile sein. Aber er ist zugleich Kaufmann, und als solcher kann er die Gunst eines Augenblicks nicht in die Bi lanz seines Schaffens stellen. Wie jedes gediegene Geschäft baut auch das Antiquariat sich auf Gleichmäßigkeit im kaufmännischen Soll und Haben auf. Der vierzehnte Februar 1887 bedeutete einen neuen Lebens abschnitt für Hiersemann — da konnte er die erwählte Gefährtin, Fräulein Johanna Meyer aus Frankfurt a. M., zum Altar führen. Natürlich verlangte die glückliche junge Ehe auch ein behagliches Heim — das Hinterzimmer in der Turnerstraße genügte sticht mehr. Zugleich aber drängte das Wachstum des Geschäfts nach größeren Räumen, und so zog man denn nach der Königstratze 2 in das Haus, das jetzt dem Verlag S. Hirzel gehört, und in dem Hiersemann neben einem umfangreicheren Lager sich auch einen schönen Verkaufsraum schaffen konnte. (Da wir Hiersemanns Wirken als Antiquar und Verleger in besonderen Artikeln würdigen, fallen hier die Ausführungen der Festschrift über diese Themen aus.) Ein abermaliger Lokalwechsel schien schon im ersten Jahr zehnt des Jahrhunderts Bedürfnis zu werden. Die Verhältnisse hatten sich gründlich geändert, aus bescheidenen Anfängen hatte sich Großes entwickelt, die Firma stand in der Blüte, ihr Ruf drang in die ganze Kulturwelt — und da glaubte Hiersemann denn sich einen alten Lieblingswunsch erfüllen zu können, der freilich auch nur der Sache dienen sollte: den Bau eines eigenen Geschäftshauses. Der Königstraße bewahrte man die Anhäng lichkeit: im August 1909 konnte man in Nr. 29 Einzug halten, dem neuen stattlichen Heim der Firma. Stattlich in der Tat, aber zugleich zweckmäßig angelegt, «in Bücherpalast oder ein Buch-Museum mit hohen luftigen Räumen, die Wände bekleidet mit Schränken für die Literatur aller Zeiten und Länder, mit Vitrinen in der Zimmermitte, den Auslagekästen für die Selten heiten des Frühdrucks, Flugblätter, Malereien, in den Treppen- gängen alte Landkarten, japanische Rollbilder, orientalische Kunstgewebe als Wandschmuck — alles übersichtlich geordnet, vornehm im Geschmack und ach, so herzerquickend für den Biblio philen! Freilich, schon wieder gefüllt bis in das letzte Winkel chen und letzte Eckchen. Ein Umbau half nicht viel, eine ober irdische Erweiterung ist schwer möglich — vielleicht steigt man in die Tiefe und schafft unterirdisch Platz für das sich immer noch dehnende Lager. In diesem Hause sind nun von morgens siebeneinhalb bis nachmittags fünf Uhr alle Kräfte der Firma am Werk — im Dienste des Buchs, des Geistes und der Kunst, im Dienste der Musen und des Merkur, dessen Mutter Maja ja die Göttin des Wachstums war, was man in diesem Falle als niedliche sym bolische Hindeutung betrachten kann. Das Haus Hiersemann zählt heute siebzig Mitarbeiter. Die Seele des Geschäfts aber ist immer noch Karl W. Im deutschen Buchhandel gehört er zu den ltss
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