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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1924
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- 1924-09-24
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- 24.09.1924
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H» 225, 24. September 1924. Fertige Bücher. Börsmri»» f. d. Tischn, DllM-nxa. ILL88 „Nun lebt in Leib und Seel' der Leute Umschlossen vom Bezirk der Häute Und andern warmen RIeidungsftückcn Der Dichter fort, um zu beglücken." Freilich, sicher, Dusch kennl doch jeder, na ja ;.B.: „Da ist nun die Witwe Bolte, die das auch nicht gerne wollte" oder: „Vater werde» ist nicht schwer" und so weiter. Und dieDilder! Furchtbar ulkig! Das Duschalbuin liegt in der gute» Stube auf den, Tisch und dann, beim Zahnarzt liest man ja sowieso immer drin. — Ich will keinem Menschen Unrecht tun, aber nach meiner Erfahrung sind es nicht übermäßig viele, deren Buschkcnntnis wesentlich über diesem Niveau liegt. Und das ist ein Jammer. Denn wie überall liegt das Beste auch hier nicht so dicht an der «Oberfläche, wer etwas tiefer gräbt, macht die herrlichsten Entdeckungen, er findet hinter den lustigen Verseil und Bildern einen unendlich sympathischen Menschen, der ihn bei der Hand faßt, ihn im Menschenleben herumführt und ihm die vielen, vielen Bruchstellen zeigt, wo das Ideal und die Wirklichkeit zusammengcleimt sind, so heimlich schlecht geleimt, daß man nur ein wenig am Firnis, der natürlich drüber sitzt, zu kratzen braucht, »in den ganzen Pfusch zu sehen. Ihm entgeht so leicht keine dieser Stellen, er sieht sie alle, und „das rote Ding in seiner Brust" tut ihm weh, daß das alles so aussieht und nicht besser. Und nun könnte er anfangen Moral zu predigen, um die Menschen zu bessern; aber das lägt er lieber, denn cs hat ja doch keine» Sinn, sie werden ja nicht anders, diese putzigen Menscheil, die andere und sich selber »nt soviel Inbrunst an der Nase hcrumfübre», ibne» gefällt das alles gerade so: „Froh hupst der Floh. Vermutlich bleibt es noch lange so." Um sich aus dieser Stimmung zu retten, gibt» dann nur ei» Mittel: das Lachen. «Ob eine Sache zum Weinen ist oder zum Lachen, ist eigentlich nur eine Frage des Standpunktes, von wo aus man sie ansieht. Wilhelm Busch hatte die Lach seite gefunden, aber keiner findet sie, der die Dinge nicht auch von der anderen gesehen hat; und je stärker ihn die andere Seite des Bildes angepackt hat, desto tiefer sitzt dann auch das Lache» und desto gütiger ist es. So ist Wilhelm Büschs Humor auf tragischem Boden ge wachsen; wie jeder Humor, der diesen Name» verdient, und der nicht nur Komik und Spaß ist. Man braucht den Beweis für diese Behauptung nicht an den Haaren herbcizuziehen — >cde Zeile und jede Zeichnung des Meisters ist ein Beleg dieser Anschauung. Nur ein besonders starkes Beispiel: Das Schluß bild von Balduin Bählamm mit der Unterschrift: „Um neune wandelt Bählamm sowie ehedem auf sein Büro." wer hier nicht die ganze Tragik des menschlichen Lebens fühlt, der versteht Wilhelm Busch nicht. Am leichtesten kommt man dem Menschen Busch nahe, wenn man die beiden einzigen Prosa-Bücher liest, die er außer de» Märchen geschrieben hat: „DerSchmetterling" und „Eduards Traum", sie sind viel weniger bekannt, als d>e meisten andere» Werke, leider Gottes. „Der Schmetterling" bietet dicGeschichte eines Mensche»; er springt froh in die Welt hinaus, seinem „Schmetterling" nach, erlebt viel, nie Erfreuliches, kriegt den Schmetterling natürlich nicht, kommt schwer ramponiert wieder nach Hause zurück und findet seinen Friede» ,n stiller Resignation. Das ist (-Sich- folgen » kurz gesagt der Sinn der Geschichte. Aber welche unendliche Füllevon Bildern undSituationcn mitgeradezushakespearischer Phantasie hier ausgcstreut ist, das muß man staunend selber erleben. „Eduards Traum" gibt ein Bild der Welt, wie sie sich ansieht, wenn man den Menschen nicht nur bis aufdie Weste, sondern etwas weiter guckt. Eduard fliegt im Traum in die Welt hinaus, er hat die Gestalt eines Punktes und kann überall hinkommen, wo es sonst verschlossen ist, und ihn selber bemerkt man nicht. Die oft grotesken, aber immer tiefsinnigen Erlebnisse Eduards sind überwältigend bunt und vielgestaltig und mit einem Humor geschaut, der von Busch an keiner Stelle über- troffen wurde. Line andere kleine Serie von Büchern, die auch verdiente bekannter zu sein, als sie ist, bilden d,e Gedicht-Bändchen: „Die Kritik des Herzens," „Zu guter Letzt" und „Schcinund Sein". Man hört so oft über die „Harmlosig keit" vonBuschs Humor reden. Anhänger» einer solchen irrigen Auffassung ist eine Lektüre der Gedicht-Bändchen auf das wärmste zu empfehlen. Sie stellenwirklich kaum etwas anderes dar, als eine Sammlung von wundcrkübschcn «Ohrfeigen für uns alle, wie wir gewachsen sind. wenn man zu den genannten Büchern dann etwa noch den kleinen Band „Briefe" liest, die Busch an die holländische Schriftstellerin Maria Anderson geschrieben hat (wer sich aus diesen Rat hi» zu der Lektüre der Briefe entschließt, wird mir vermutlich besonders dankbar sein, denn diese Briefe sind wirklich entzückend), dann hat man einige wesentliche Schritte getan, um dem wahren Busch näher zu kommen. Man wird dann vermutlich auch die anderen bekannten Werke des Meisters mit neuen Augen lesen. Noch auf cine sehr liebenswerte Seite des Dichters muß ich Hinweise»: aufseine Freude an Märchen und Volkssagen. Er hat i» eifriger Sammeltätigkeit ein reiches Material zusammen- gebracht, das nach seinem Tode zunächst m einem Bande unter demTitel„Utolerwelt",später in üerzwcitenAuflage stofflich gegliedert in vier Bänden: „Sagen und Lieder", „Volks märchen", „Lindermärchen", „plattdütsch" herausge- gebe» wurde. Ls findet sich manche kleine Kostbarkeit unter diesen Dingen. Der Zweck dieser kurze» Ausführungen war, für einige zu Unrecht vernachlässigte Werke des Dichters Busch Interesse zu erwecken, für die anderen ist es ja nicht nötig. Zum Schluß mag aber noch auf etwas anderes hingewiescn werden, was nicht minder wichtig ist. wir freue» uns alle an den Zeich nungen des Meisters, die mit so fabelhast sparsame» Mitteln ihre Wirkungen erreiche». Man kan» heute sagen, daß wir de» Zeichner Busch noch nicht in seiner ganze» Größe kennen. Es ist jetzt eine originalgetreue Reproduktion von „Max und Moritz" herausgekommen, mit allen Mitteln modernster Technik hergestellt. Hier sehe» wir zum erste» Male an einem größeren Werke die volle Eleganz und Leichtigkeit von Wil helm Büschs Zeichnungen. Alles was die alte» Reproduktions- Methoden an Vergröberungen mit sich brachten, ist hier ab gefallen, und schlackenlos steht das Kunstwerk da, das wir in dieser Gestalt noch einmal wie völlig neu genießen. Der kost bare Druck (zahlenmäßig ist die Kostbarkeit übrigens durchaus nicht schlimm) ist ein Erlebnis für jeden Busch-Freund. Vufch-Anzcigeiil. HansBalzer
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